Die Fußballerinnen vom Altonaer S. C. Union 03 hatten einen erschwerten Start, sorgten aber schnell dafür, dass die Macho-Blödelei am Spielfeldrand aufhörte. Allez, allez, Unionitas!
Am Anfang gab es Pfiffe. 2006, im Jahr des deutschen „Sommermärchens“, wagte es eine ambitionierte Truppe von Uni-Fußballerinnen, auf dem Feld des S. C. Union 03 vorzuspielen. Der Club hatte damals noch keine Frauenmannschaft. Männer aller Altersklassen schleppten sich über das unebene Grün und staunten nicht schlecht, als sie plötzlich Besuch bekamen, der auch noch vorhatte, zu bleiben. „Die Pfeiferei war das eine, die Kommentare vom Spielfeldrand das andere“, erinnert sich die 37-jährige Phoebe, eine der Frauen, die damals debütierten. „Nicht selten bekamen wir einen ‚Ey, Triokottausch!‘-Spruch zu hören. Die Männer waren es einfach nicht gewohnt, dass auch Frauen vor Ort waren.“
Eine direkte Konfrontation, so die promovierte Pädagogin, habe es nicht gegeben, niemand wurde zur Rede gestellt, vielmehr vor vollendete Tatsachen. „Wir haben einfach weitergemacht, uns unser Standing peu à peu erarbeitet.“ Heute gebe es keine Quatschkommentare mehr, im Gegenteil. Von den Union-Männern komme sogar die Anfrage nach einer gemeinsamen Weihnachtsfeier.
„Für Jedermann“
Harte Schale, weicher Kern, möchte man meinen, und das nicht nur in Sachen Mentalität. Auch die Räumlichkeiten von Union wirken schroff, mit grau-grün gefliesten Wänden und dem Sportmief aus zig Jahrzehnten in den winzigen Kabinen. Die Gaststätte nebenan: „Für Jedermann“, so steht es an der Mauer, aber außer ein paar Bierbauchburschen und dem Barmann traut sich selten jemand hinein in die schrullig eingerichtete Stube, die Besuchern freien Blick auf das Spielgeschehen bietet.
Das Bild draußen passt zum Rest: mittelgut gepflegter Rasen, keine zehn Zuschauerreihen, die sich als Mix aus Kieselsteinen und rissigem Beton ums Feld biegen. Dahinter kommt nur noch bröckelnder Industriehallencharme, der genug Fläche für eine XXL-Aufschrift des Vereins bietet: S. C. Union von 1903 e. V.
Soweit die Kulisse, vor der Phoebe und Co bei Heimspielen antreten. Auch damit kommen sie klar. „An der Uni war der Fußballkurs für Frauen umsonst und gut besucht“, erzählt Phoebe, „wir hatten richtig Bock auf Kicken und irgendwann auch auf mehr als nur den Uni-Fußball.“ Daher die Unionitas, und daher auch die ersten, ziemlich bald eingefahrenen Erfolge. Die defensive Mittelfeldakteurin und ihre Mitspielerinnen rangieren aktuell auf dem sicheren sechsten Platz der Bezirksliga, haben es aber zeitweise schon in die Landesliga geschafft, also dorthin, wo etwa die zweite Frauenmannschaft des großen HSV ein Gegner war. Fun Fact: Die Union-Männer kicken derzeit nur in der Kreisliga.
Vereinsstolz? Nein, Unionitas-Stolz!
Vielleicht liege es an den Schwierigkeiten zu Beginn, dem nicht sofort vorhandenen Respekt, meint Phoebe, dass es auch nach zwölf Jahren bei Union 03 keinen wirklichen Vereinsstolz unter den Frauen gebe. Dafür einen Stolz auf die Frauen, die Unionitas. Sie seien zwar alle berufstätig, haben fast alle Kinder, und der Fußball sei vor allem ein Freizeitvergnügen, zweimal die Woche im Training und am Wochenende beim Punktspiel. Aber man habe sich eben etwas aufbauen können, sich nicht unterkriegen lassen, also Grund genug, selbstbewusst aufzutreten.
Beim Warmmachen am Spieltag kommen sie zusammen, im Kreis um ihren Trainer Markus Redlich, die Hände in die Hüften gestemmt. „Wir gehen dann immer in die Superwoman-Pose, zeigen, dass wir da sind und an uns glauben. Wir sagen uns: Wir können was, wir sind gut, und wir gehen jetzt auf den Platz.“ Kurz vor dem Anpfiff noch der Schlachtruf: „Allez, allez, Unionitas!“ Und mancher Mann an der Bande murmelt ihn mit.
Text: Erik Brandt-Höge
Fotos: Michael Kohls
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Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Juni 2018. Das Magazin ist seit dem 26. Mai 2018 im Handel und zeitlos in unserem Online Shop oder als ePaper erhältlich!