Eine Telenovela auf der Opernbühne nennt sich, logisch, „operanovela“. Das neue Serien-Format der Staatsoper „Ring & Wrestling“ startet mit fünf Folgen. SZENE HAMBURG sprach mit dem Regisseur Dominik Günther, selbst ehemaliger Wrestler.
SZENE HAMBURG: Dominik Günther, „Der Ring des Nibelungen“ mit jenem Ring zusammenzubringen, in den die Wrestler steigen, liegt nicht unbedingt auf der Hand. Ist der Begriff Ausgangspunkt für Gemeinsamkeiten?
Dominik Günther: Nein, da gibt es andere. Beides ist martialisch, kraftvoll und nutzt Pathos. Eine Soap dreht sich meist um eine Familie, in diesem Fall sind es die Götter aus Wagners Opern: Wotan, seine Ehefrau Fricka, Wotans Tochter Brünnhilde, die er allerdings mit Erda zeugte, und Donner, ein Security-Mann, der in Brünnhilde verliebt ist. Zu dieser Riege stoßen in jeder Folge neue Gäste, wie man das aus Telenovelas kennt. Freya, zum Beispiel, Frickas Schwester.
„die klassische Oper mit der Hamburger Subkultur verbinden“
Inhaltlich geht es ja da weiter, wo Wagner aufhört: Den Göttern dämmert’s, dass sie nicht mehr gebraucht werden, doch das wollen sie nicht hinnehmen…
Walhall ist abgebrannt, die Götter sind auf der Flucht, wollen aber ihre Macht unbedingt zurückgewinnen. Dabei soll ihnen ein Held, ein neuer Siegfried helfen. Hier kommen die Wrestler aus der Kultveranstaltung „Rock & Wrestling“ von St. Pauli ins Spiel. Kandidaten wie The One and Only und Pinkzilla bewerben sich, aber auch Haidi Hitler, die große Wagner-Kennerin.
Wird es eine Persiflage auf Wagner-Opern?
Nein, wir nehmen die Arbeit sehr ernst, das Genre wird keineswegs niedergemacht. Mich als Regisseur interessieren dabei verschiedene theatralische Ausdrucksformen. Wrestling hat viel von einer griechischen Tragödie, vom Kampf Gut gegen Böse. Es sind Haltungen, die gegeneinander antreten. Ich wollte die klassische Oper mit der Hamburger Subkultur verbinden.
„Richard Wagner hätte Quadrophonie genutzt“
Was passiert musikalisch oder: Wie viel Wagner bleibt?
Anteilig kann ich das nicht benennen. Der musikalische Leiter Leo Schmidthals, bekannt als Bassist der Band Selig, nimmt Puzzleteile aus Wagner-Kompositionen. Die spielt ein fünfköpfiges Orchester live, verfremdet durch elektronische Musik. Ich bin sicher, auch Richard Wagner hätte Quadrophonie genutzt, wenn er die Chance gehabt hätte – er war Künstler. Außerdem ist Punkrock aus der Westling-Szene zu hören sowie Rezitative aus den Opern, also in beiden Fällen extreme Musik.
Die einen singen göttergleich, die anderen bewegen sich in ihrem Metier, wie verbinden sie sich?
Die Opernsänger entwickelten während der Proben eine Affinität zum Wrestling, sie wollten wissen, wie es möglich ist, jemanden auf den Kopf zu knallen, ohne ihm das Genick zu brechen. Dahinter stecken ja Tricks, eine bestimmte Technik und choreografierte Bewegungsabläufe, wie beim Ballett. Darsteller aus beiden Metiers erzählen Geschichten auf der Bühne, spielen Theater.
Haben Zuschauer ohne Kenntnisse des Wagner-Kosmos den gleichen Genuss?
Ganz sicher, jeder Abend wird spektakulär. Wir erzählen keine Story à la Nibelungen. Vielleicht haben Wagner-Kenner manchmal mehr da von, weil sie in Pinkzilla den Drachen Fafner oder Facetten von Alberich in Wotan erkennen, aber andererseits gibt es auch Anspielungen auf die Wrestling-Szene.
Für seinen „Ring des Nibelungen“ sah Wagner vier Abende vor, Sie planen fünf Folgen von „Ring & Wrestling“ an aufeinander folgenden Samstagabenden; wird erwartet, dass das Publikum dranbleibt?
Zu Beginn erzählt immer jemand, was bisher geschah, man kann also jederzeit einsteigen.
„Das Publikum ist eingeladen, Position zu beziehen“
Wrestling hat eine große Fangemeinde, und Wagner-Musik Legionen von Anhängern – aber gibt es eine Schnittmenge im Publikum?
Vielleicht jetzt noch nicht. Aber das Publikum übernimmt bei „Ring & Wrestling“ ja ebenfalls eine Rolle, es spielt die Fans der jeweiligen Helden und ist eingeladen, Position zu beziehen, seine Favoriten anzufeuern. Ich hoffe sehr, dass sich Zuschauer aus beiden Bereichen treffen.
Wird schließlich ein Siegfried-Nachfolger gefunden?
Ich will nicht zu viel verraten. Aber: Am Ende ist ein neues Walhall in Sicht!
Interview: Dagmar Ellen Fischer
Beitragsfoto: Frank Egel
Opera stabile, Premiere am 7.9., 15., 22., 29.9. www.staatsoper-hamburg.de
Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG Stadtmagazin, September 2018. Das Magazin ist seit dem 30. August 2018 im Handel und zeitlos in unserem Online Shop oder als ePaper erhältlich!