SZENE HAMBURG: Marga, wann begann die Groove-City-Geschichte?
Marga Glanz: Herbert Zorn hat Groove City 1992 als HipHop-, Funk & Soul- und Jazz-Laden gegründet. Er ist damals regelmäßig in die USA gereist, um dort Original-LPs zu kaufen.
Du hast den Laden vor etwa 20 Jahren übernommen. Wie kam es dazu?
Ich habe in den 90ern schon ein paar Jahre bei Groove City gearbeitet und Herbert Zorn war danach mit Groove City in die Innenstadt gezogen. Anfang der 2000er habe ich Herbert für ein Jahr vertreten und in der Zeit sind wir dann in die Marktstraße gezogen, weil ich in der Nähe der anderen Plattenläden sein wollte. 2005 habe ich Groove City dann ganz übernommen.
EMIL: Auszeichnung für Groove City
Kürzlich habt ihr den neu geschaffenen EMIL als bestes Schallplattengeschäft gewonnen. Was ist das für ein Preis?
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) ehrt in Zusammenarbeit mit dem Verband unabhängiger Musikunternehmerinnen und -unternehmer (VUT) Schallplattenfachgeschäfte als wichtige soziale und gesellschaftliche Orte und rückt ihre Bedeutung für die kulturelle Vielfalt und Bildung in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Der EMIL, nach Emil Berliner, dem Erfinder der Schallplatte, wurde im Dezember 2024 zum ersten Mal ausgerichtet. Er umfasst 13 dotierte Preise für herausragende Plattenläden aus Deutschland. Wir Plattenläden bewarben uns mit unserem Ladenkonzept und einer Beschreibung, warum unser Engagement in unseren Läden besonders ist. Eine Jury hat dann die 13 und einen undatierten Preis aus allen Bewerbungen ausgelobt. Es gab zehnmal je 15.000 Euro für „Bester Plattenladen“ und dreimal je 25.000 Euro für „bestes innovatives Konzept“, „Strukturschwache Region“ und „Neugründung“.
Was bedeutet die Auszeichnung für dich?
Es ist eine Wertschätzung und Anerkennung für uns als Kultur und soziale Orte. Wir verbinden damit auch die Hoffnung auf politische Unterstützung von Kulturorten. Zum Beispiel wünschen wir uns eine gerechte Steuerpolitik – zurzeit Bücher 7 Prozent, Schallplatten 19 Prozent –, Gewerbemietendeckelung und Schutz vor Vertreibung.
Diese Genres gibt’s bei Groove City
Groove City verbinden viele mit HipHop. Auf welche Genres seid ihr noch spezialisiert?
Afro, Funk & Soul, Jazz – aktuellen aus dem UK. Brasil, Karibik, Latin. Middle Eastern Grooves und Global Electronic. Bestimmte Labels führen wir komplett: Analog Africa. Batov. Big Crown. Colemine. Daptone. Habibi Funk. Numero Group etc.
Wie kommt ihr an besondere Raritäten?
Wir bestellen bei sehr vielen kleinen Labels und Vertrieben und kaufen Secondhand-Platten an.
20 Jahre in der Marktstraße. Wie seid ihr im Karoviertel vernetzt?
Das Karoviertel ist ein Viertel mit einer lebendigen Nachbarschaft. Wir haben hier noch fünf andere Plattenläden und mit dem Knust einen Ort für Live-Konzerte aus unserem musikalischen Spektrum und mit deren Booker Tim Peterding einen Menschen, der Communitys vernetzt und zusammenbringt.
Gibt es keine Konkurrenz zwischen den anderen Plattenläden?
Nein, wir haben alle unsere eigenen Schwerpunkte und schicken uns gegenseitig Kunden. Deswegen haben wir auch vor vielen Jahren den Plattenladenguide initiiert. Es gibt einen Taschenguide auf Papier und eine Internetseite (hamburg-record-stores.de).
Wer kauft bei euch ein?
Menschen, die sich für Musik und die Eröffnung neuer Horizonte interessieren.
Weniger Geld für Schallplatten übrig
Hat sich der Verkauf seit Corona verändert?
Ja, leider. Viele Menschen leiden immer noch an finanziellen und psychischen Einschränkungen der Corona-Zeit.
Wirkt sich auch das veränderte Ausgehverhalten in der Clubszene auf euch aus?
Das ist nicht leicht zu bewerten. Aber wenn die Räume wegfallen, an denen Musikkultur abseits des Mainstreams stattfindet, dann spüren wir das, weil dann der Austausch wegfällt.
Wir wünschen uns eine gerechte Steuerpolitik, Gewerbemietendeckelung und Schutz vor Vertreibung
Marga Glanz
Wie zeigen sich Preissteigerungen bei euch?
Viele unser Kundinnen und Kunden können sich weniger Vinylschallplatten leisten und das führt leider dazu, dass die zweite oder dritte Platte von Künstlerinnen und Künstlern nicht gekauft wird und wir eher unbekannte Künstlerinnen und Künstler weniger verkaufen. Wir versuchen dem mit unseren Empfehlungen entgegenzuwirken.
Was wäre so eine aktuelle Empfehlung?
„Holocene“ von Theodor, veröffentlicht auf Broc Recordz. Die Musik, PsycedelicSweetSoul, steht dem Cover, gemalt von Harald Hermann, wirklich vorzüglich zu Gesicht. Wenn eine Snare so reinklatscht wie beim Auftakt „Tropical Bird“ sind wir ja direkt dabei und auf Temperatur. Der Titel dieser Scheibe bedeutet so was wie Warmzeitalter. Sehr zeitgemäß, vor allem auch, wenn wir bedenken, dass eine deutsche Band so heißes Material komponiert. Guckt euch auch gern mal die erste Scheibe von denen an. Am besten mit den Ohren. Haben wir im Laden. An dieser Stelle auch noch der unüberlesbare Hinweis, dass Theodor am 28. Februar im Knust sind.
Groove City Fest im Knust: Volles Programm
Was gibt es außer Platten bei euch zu erwerben?
Bücher und Magazine. Unsere T-Shirts und Hoodies. Plattentaschen für 7“-Singles, ein paar wenige CDs und die Räucher-DJs von Kascha Beyer (kascha-beyer.com).
Im Februar steigt nun das zweitägige Groove City Fest im Knust. Was sind deine Highlights?
Natürlich alle drei Bands! Kelly Finnigan war unser letztes Konzert vor Corona – es war ein bezaubernder und sehr schweißtreibender Abend im Knust mit einem alles gebenden Orgel spielenden Soulsänger und seiner Band. Unvergesslich. Und Bobby Oroza, ein Soulsänger aus Finnland, der die Sehnsucht nach dem Tiefgründigen auf den Punkt bringt. Wenn ihr noch nie das Vergnügen hattet, eine von Bobbys Live-Shows zu erleben, habt ihr vielleicht keine Ahnung, dass er ein echter Freigeist an der Gitarre ist. Außerdem die Flammer Dance Band, eine siebenköpfige AfroFunkPsychband aus Norwegen mit hypnotischer Live-Show. Und natürlich die Groove City DJ-Crew.
Ihr hattet schon Konzerte im Laden. Ist so etwas in Zukunft geplant und an welche erinnerst du dich am liebsten?
Wir wollten von dem EMIL-Preisgeld eine kleine Tiny Desk Konzert-Reihe planen und noch eine Aushilfe einstellen. Leider mussten wir davon aber die Corona-Soforthilfe zurückzahlen. Wir haben uns vorgenommen, so oder so etwas auf die Beine zu stellen. Unsere liebsten Konzerte waren: Fazer (Jazzband aus München). Isaac Birituro and the Rail Abandon (Ghana/UK). Farhot (Hamburger Produzent). Mighty Mocambos. Und Dera Yildirim, die zusammen mit Grup Simsek und dem Ensemble Resonanz am 13. März in der Elbphilharmonie auftritt.
Groove City Fest, 6. und 7. Februar 2025, Knust, 21 Uhr
Dieses Interview ist zuerst in SZENE HAMBURG 02/2025 erschienen.