Hamburger des Monats: Hussam Al Zaher, Gründer des Flüchtling-Magazins

Als Geflüchteter kam der syrische Journalist Hussam Al Zaher 2015 nach Deutschland. Seit einem halben Jahr gibt er das „Flüchtling“-Magazin heraus, um für gegenseitiges Verständnis zu werben (Das Interview wurde von der Redaktion sprachlich geglättet, Anm. d. Red.), Foto: Philipp Jung

UPDATE 14.11.2017

Aus gegebenem Anlass: Wir sind fassungslos über die Hass-Kommentare, die aktuell über das Team des Flüchtling-Magazins einbrechen! Besonders schockiert sind wir allerdings über einen hetzerischen Text auf einer einschlägig bekannten Fake-News-Website, der Hussam in seinen Persönlichkeitsrechten zutiefst verletzt. Missbräuchlich genutzt wird in einer (selbst für Laien offensichtlich erkennbaren, da schlecht gemachten) Retusche unser Foto, das in Zusammenhang mit der Verleumdung veröffentlicht wurde und seitdem ungefiltert von Tausenden über die sozialen Netzwerke verbreitet wird. Gegen Website-Betreiber sowie Verbreiter der Fake-News wird bereits strafrechtlich ermittelt, in den sozialen Netzwerken wird aktuell jeder Verbreiter angezeigt!

Hussam selbst kann den Hass nicht nachvollziehen: „Ich habe keine Feinde und ich möchte keine Feinde haben, aber das bedeutet nicht, dass ich schwach bin. Ich mache vielleicht nicht, was sie möchten. Sie möchten Hass und einen neuen Feind, aber ich kann Ihnen den Wunsch nicht erfüllen. Weil ich ein Mensch bin, wie sie und ich kann sie nur als Menschen sehen, wie mich. Das ist meine Antwort auf ihren Hass.“ Wie er mit diesem unglaublichen Vorfall umgeht, hat er in seinem Flüchtling-Magazin selbst veröffentlicht.

Als Flüchtling kam der syrische Journalist Hussam Al Zaher im Herbst 2015 nach Deutschland. In seinem „Flüchtling“-Magazin gibt er Geflüchteten seit einem halben Jahr eine Stimme.

„Wir sind alle Geflüchtete, aber wir sind nicht alle gleich“, sagt er. Ihm geht es vor allem um eines: Er will Ängste abbauen – auf beiden Seiten

SZENE HAMBURG: Hussam, warum bist du nach Hamburg gekommen?

Hussam Al Zaher: In Syrien sollte ich zur Armee gehen, darum bin ich 2014 mit meinem Bruder aus Damaskus geflüchtet. Hier in Deutschland habe ich viele Möglichkeiten, mir eine neue Zukunft aufzubauen. Nach einem Jahr in Istanbul bin ich im Herbst 2015 in der Erstaufnahme Schnackenburgallee untergekommen. Mein Deutsch war sehr schlecht, als ich da ankam. Ich hätte gern Kontakt zu Deutschen gehabt, aber ich konnte ja nicht einfach auf die Straße gehen und jemanden ansprechen.

Warum nicht?

Hussam Al Zaher: Ich bin Ausländer, ich bin Flüchtling, es gibt Neonazis. Ich weiß nicht, ob die Menschen, denen ich begegne, gut oder schlecht sind. Darum habe ich mich gefürchtet, das Asylheim zu verlassen. Es kamen zwar auch dort Deutsche vorbei, aber die haben eher den Kontakt zu Familien und Kindern gesucht. Sie hatten sicherlich auch Angst vor uns jungen, alleinstehenden Männern. Also habe ich über Facebook Kontakt gesucht. Als ich mich in der Gruppe vorstellte, haben sich die ersten Leute gemeldet.

Was hat dich dazu bewogen, das „Flüchtling“-Magazin zu gründen?

Ich habe schon in Syrien als Journalist gearbeitet und einen Weg gesucht, als Flüchtling etwas über unsere Kultur und unsere Ansichten zu verschiedenen Themen zu erzählen. So können die Deutschen uns besser kennenlernen und ihr Misstrauen langsam abbauen.

Was ist die größte Herausforderung dabei?

Auf jeden Fall die Sprache. Meine Texte schreibe ich zwar selbst, aber ich brauche jemanden, der sie korrigiert. Insgesamt habe ich zehn Kollegen aus fünf verschiedenen Nationen, die mich ehrenamtlich bei meiner Arbeit unterstützen. Eine weitere Herausforderung ist die begrenzte Zeit. Momentan mache ich eine Weiterbildung für geflüchtete Journalisten an der Hamburg Media School. Und ich verbringe viel Zeit damit, über Social Media Kontakt zu Menschen herzustellen. Mein Kopf steckt also gleichzeitig in unterschiedlichen Dingen.

Wir sind alle Geflüchtete, aber wir sind nicht alle gleich.

Welche Ziele verfolgst du mit deinem Magazin?

Ich möchte den Lesern zeigen: Wir sind alle Geflüchtete, aber wir sind nicht alle gleich. Es gibt jede Woche ein Interview mit einem Flüchtling. Wir stellen immer dieselben Fragen – spannend sind die unterschiedlichen Antworten. Außerdem geht es mir um den Kulturaustausch. Es geht um ein Geben und Nehmen, denn das ist Integration. In jeder Kultur gibt es gute und schlechte Seiten, an der arabischen genauso wie an der deutschen. Ich möchte niemandem sagen, dass nur meine Kultur die richtige ist.

Wen möchtest du mit deinen Texten erreichen?

Unsere Zielgruppe sind die Deutschen, es gibt aber drei Gruppen. Ein Teil hat sehr vielen Flüchtlingen geholfen und möchte mehr über uns und unsere Kultur erfahren. Andere wiederum kennen uns nur aus den Medien und haben vielleicht sogar ein bisschen Angst, sind aber nicht gegen uns. Auch diesen Menschen versuchen wir unsere Kultur näherzubringen. Aber es gibt auch die, die gegen Flüchtlinge sind. Wir würden uns am liebsten mit diesen Menschen zusammensetzen und darüber diskutieren, wie ein gemeinsames Leben gelingen kann.

Die letzte Gruppe ist vor allem in den sozialen Medien leider sehr aktiv. Hast du damit auch schon Erfahrungen gemacht?

Zwei- oder dreimal habe ich Hass-Kommentare bekommen. Ich selbst kann nicht darauf reagieren, da ich noch lange nicht alles verstehe. Aber meine Freunde antworten dann. Persönlich habe ich bislang noch keine Erfahrungen mit diesen Menschen gemacht und ehrlich gesagt auch etwas Angst davor, ihnen zu begegnen. Meine Sprache ist noch nicht gut genug, um mich ernsthaft mit ihnen auseinandersetzen zu können.

Der erste Schritt zur Integration ist der gegenseitige Respekt, ohne funktioniert es nicht.

Was kann jeder Einzelne von uns tun, um den Austausch zwischen Deutschen und Flüchtlingen zu verbessern?

Der erste Schritt zur Integration ist der gegenseitige Respekt, ohne funktioniert es nicht. Der zweite Punkt ist die Sprache: Wir sind hier in Deutschland und wir müssen die deutsche Sprache lernen. Wir können mit den Deutschen nicht in einer anderen Sprache diskutieren. Aber Deutsch ist leider eine sehr schwere Sprache. Man muss viel lernen. Das Problem ist aber, dass der Kontakt fehlt. Leider wird in den Medien immer nur Negatives über Flüchtlinge berichtet. Die meisten können das nicht richtig einschätzen und glauben dann, dass alle Flüchtlinge schlechte Menschen sind. Wenn der Kontakt aber erst mal da ist, erkennen sie, dass es überwiegend nette Menschen sind.

Bei vielen wächst die Angst, weil sich Anschläge mit islamistischem Hintergrund häufen. Berlin, Barcelona, Barmbek sind Beispiele. Wie gehst du mit so etwas um?

Ich glaube, dass die Anschläge uns genauso schaden wie den Deutschen. Wenn die Deutschen Angst vor uns bekommen, müssen wir nämlich zurück. Dabei wollen wir hierbleiben, uns eine Zukunft aufbauen. Solange es diese Angriffe gibt, machen wir Rückschritte bei der Integration. Ich hoffe, dass man uns durch das Magazin besser versteht.

Glaubst du, dass die Berichterstattung diese Angst noch verschärft?

Ich denke schon. Wenn Ausländer etwas Schlechtes machen, stürzen sich die Medien sofort darauf. Wenn Deutsche das Gleiche tun, wird darüber ganz anders berichtet. Dadurch wächst die Angst vor uns. Einerseits kann ich das nachvollziehen, andererseits wird diese Angst durch die Medien erst geschaffen. Wir wollen zeigen, dass wir auch gegen die Anschläge sind. Ich bin vor dem Krieg geflohen, warum sollte ich ihn dann hier haben wollen?

Interview: Marina Höfker und Ilona Lütje / Foto: Philipp Jung
Für das „Flüchtling“-Magazin arbeiten Hussam und seine Kollegen ehrenamtlich. Mit einem Arbeitsplatz und Know-how wird der Journalist vom Verein leetHub St. Pauli e.V. unterstützt. Ziel ist es, dass zumindest Hussam und zwei weitere geflüchtete Team-Mitglieder eines Tages von ihrer Arbeit für das Magazin leben können. Aktuell sucht die Redaktion deshalb nach Förderungen und Sponsoren.

www.fluechtling-magazin.de

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