Hamburger Kammerspiele präsentieren „Der Tatortreiniger“

In zwei von vier Episoden nach der TV-Kultserie „Der Tatortreiniger“ geben Lilli Fichtner und Ingo Meß der Hauptfigur Heiko Schotte ein neues Gesicht
Spurenbeseitigung und Grundsatzdiskussionen: Lilli Fichtner und Ingo Meß als Tatortreiniger
Spurenbeseitigung und Grundsatzdiskussionen: Lilli Fichtner und Ingo Meß als Tatortreiniger (©Anatol Kotte)

SZENE HAMBURG: Lilli, vor drei Jahren hast du deine erste große Rolle in „Die Laborantin“ an den Kammerspielen übernommen. Wenn man dir damals gesagt hätte, dass du irgendwann einmal den Tatortreiniger Schotty verkörpern würdest, was hättest du geantwortet?

Lilli Fichtner: Dass ich es kaum abwarten kann. Um das Wegmachen von Leichenüberresten geht er beim „Tatortreiniger“ ja nur am Rande. Der Stoff lässt sich eher in die Komödiensparte einordnen und kommt leichtfüßiger daher als die Stücke, in denen ich bisher mitgespielt habe. Von daher hätte ich mich total darauf gefreut.

Ingo, wie hast du reagiert, als die Anfrage kam, Schotty zu spielen?

Ingo Meß: Bei mir lief das ein bisschen anders. Beim Haareschneiden im Theater hat mich die Maskendame gefragt, warum ich eigentlich nicht beim „Tatortreiniger“ mitspiele. Ich wusste noch gar nicht, dass der aufgeführt werden sollte und wollte unbedingt dabei sein. Also habe ich an allen Ecken und Enden mit meinem Interesse kleine Feuer gelegt. Das Rollenangebot kam dann schneller, als ich dachte.

Für viele TV-Zuschauer ist Bjarne Mädel die kongeniale Verkörperung des Tatortreinigers. Würdest du zustimmen, dass du verglichen mit den anderen Schotty-Besetzungen – dazu zählen auch Isabell Fischer und Frank Roder – am ehesten dem Mädel-Typ entsprichst?

Ingo Meß: Das stimmt wahrscheinlich. Aber wir wollen auf der Bühne nichts kopieren und haben eine große Chance, uns von der TV-Vorlage zu lösen, weil die Texte einfach so stark sind. Ich glaube, auch die TV-Serie hätte mit einem anderen Darsteller funktionieren können.

Neu interpretiert: „ Der Tatortreiniger“

Lilli Fichtner als Schotty in „Der Tatortreiniger“. Ab sofort in den Hamburger Kammerspielen zu sehen  (©Anatol Kotte)

Lilli, du scheinst von deiner Persönlichkeit her am weitesten entfernt von Schotty, wie wir ihn kennen …

Lilli: … worüber ich eigentlich dankbar bin. Wenn man mich als Tatortreinigerin sieht, erkennt man sofort, dass wir einen ganz anderen Ansatz haben. Ich kann der Rolle durch die körperlichen Gegebenheiten einen kompletten Twist verleihen und komme gar nicht in Versuchung, mich an Bjarne Mädel zu orientieren.

Die Drehbücher zur TV-Serie wurden von der Theaterautorin und Regisseurin Ingrid Lausund geschrieben, zunächst allerdings unter dem Namen Mizzi Meyer. Ist eigentlich bekannt, warum sie ein Pseudonym verwendet und es erst nach vier Jahren offengelegt hat?

Ingo: Vielleicht hat sie gedacht, dieser Stoff würde ihre Seriosität als Theaterautorin untergraben, was mir aber absurd erscheint, weil diese Dialoge so wahnsinnig gut sind.

Lilli: Film und Theater sind unterschiedliche Kunstformen, und in Deutschland kategorisiert man sehr gerne: „Diese Person ist eine Theaterautorin, jene ein Filmregisseur.“ Insofern ist es einfacher, sich für eine andere Kunstform eine neue Persona zuzulegen.

Das Rollenangebot kam dann schneller, als ich dachte

Ingo Meß

Was ist euch durch den Kopf gegangen, als ihr das erste Mal „Der Tatortreiniger“ im Fernsehen geschaut habt?

Ingo: Dazu gibt es bei mir eine besondere Vorgeschichte. Ich hatte selber einige Jahre zuvor eine Kurzfilm-Krimiserie produziert, die hieß „Mayfeld & Bloomkamp“, quasi ein Zwei-Personen-Kammerspiel mit zehn Folgen à sechs Minuten und Dialogen, die sich um sich selber drehen, dabei aber ein anderes Thema beleuchten. Als ich dann das erste Mal den „Tatortreiniger“ gesehen habe, dachte ich: „Ah, ist ja so ähnlich. Genau richtig. Das ist meine Form von Humor.“

Lilli: Ich habe die Serie tatsächlich jahrelang erfolgreich verpasst. Dabei habe ich sogar mal mit Bjarne Mädel zusammengearbeitet. Vielleicht war es gut, dass ich die Serie damals noch nicht kannte und auch „Stromberg“ nie gesehen hatte, sonst hätte ich ihm sicher ein Ohr abgekaut. Außerdem wurde an der Uni, an der ich studiert habe, eine „Tatortreiniger“-Folge gedreht. Es gab also einige Berührungspunkte, aber geschaut habe ich den „Tatortreiniger“ erst, als ich eine TV-Serie für meinen Eltern gesucht habe. Ich konnte kaum fassen, wie radikal das war, weil ich eine typische Comedy-Serie erwartet hatte.

„Der Tatortreiniger“: Vier Folgen in einem Stück 

Welche vier Episoden führt ihr auf?

Ingo: Ich fange mal von hinten an. In „Carpe Diem“ ist Lilli Schotty, und ich bin eine Leiche, die ein Hirngespinst ist. Der Dialog entspinnt sich in einer Behörde mit einem Beamten, der dort verstorben ist und sich fragt, ob er zu Lebzeiten richtig gehandelt hat. In der Folge „Spuren“ spiele ich Schotty und Frank Roder einen Schriftsteller, der eine Schreibblockade hat. Wir sprechen dann über diese Blockade. „Currywurst“ befasst sich mit der Kunstszene. Der Reiz der Serie besteht darin, dass man in jeder Folge auf eine naive und doch unglaublich bodenständige, schlaue Art grundlegende Fragen in einer jeweils völlig anderen Welt stellt, wobei die Themen auch in zehn oder zwanzig Jahren noch aktuell sein werden.

Lilli: Außerdem spielen wir noch die Folge „Özgür“. Da trifft Schotty in einer Bauernhofspension, in der ein Doppelselbstmord stattgefunden hat, auf eine Schwangere, die ihr Kind „Özgür“ nennen möchte. Daran entspinnt sich eine Diskussion über die gesellschaftliche Bedeutung von Namen, über Feminismus und kulturelle Unterschiede.

„Ich habe die Serie jahrelang erfolgreich verpasst“

Lilli Fichtner

Wisst ihr, wie die Idee zustande kam, diese vier Episoden mit verschiedenen Regisseuren zu inszenieren und auch unterschiedlich zu besetzen?

Lilli: Das Projekt war von vornherein so angelegt. Wir spielen mit Klischees, Rollenbildern, Gewöhnungseffekten und beleuchten verschiedene Perspektiven, was die Serie ja auch macht: Menschen kommen in Extremsituationen zusammen, sodass die Mauern sofort abgebaut sind und Small Talk fast gar nicht zugelassen wird.

Zum Schluss noch ein kleines Gedankenspiel. Was würdet ihr Schotty zu Weihnachten schenken?

Ingo: Ein Bild vom Meer, um seine innere Ruhe zu unterstützen. Schotty bringt seine Dialogpartner immer dazu, ein oder zwei Gänge runterzuschalten und sich die Frage zu stellen: „Worum geht es denn eigentlich?“ Ein Bild vom Meer wäre für mich mit genau dieser Frage verbunden.

Lilli: Schön finde ich an Schottys Charakter, dass er sich auf jede Situation einlassen kann und die Fähigkeit hat, sich vorübergehend einen Millimeter von seinem festen Standpunkt weg zu bewegen. Dadurch wirkt er ganz zufrieden mit sich, und ich würde ihm einfach ein alltägliches Komfort-Luxus-Produkt schenken. Der Typ gerät in so viele unangenehme Situationen – schenken wir ihm doch ein Paar richtig bequeme, qualitativ hochwertige Socken mit einem persönlichen Touch. Bestimmt komme ich jetzt ins Gefängnis für die langweiligste Antwort aller Zeiten.  

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