Hamburger Ranger Christian Walte: „Hier hat die Natur Vorfahrt“

Christian Walte, Leiter der Hamburger Ranger, ist Hamburger des Monats: Er betreut mit seinem Team die 37 Naturschutzgebiete der Stadt. Ein Gespräch über Jahreszeiten, Sonnenuntergänge und typische Ausreden
Leiter der Hamburger Ranger: Christian Walte (©Markus Gölzer)

SZENE HAMBURG: Herr Walte, wie groß ist Ihr Arbeitsplatz?

Christian Walte: Wir haben nicht das Glück – wie der Harz oder der Bayerische Wald – eine große zusammenhängende Fläche zu haben. Wir sind hier in Stückelung unterwegs. Man kann grob sagen: Zehn Prozent der Fläche Hamburgs stehen unter Naturschutz. Das sind mehr als 7300 Hektar, aufgeteilt auf 37 einzelne Naturschutzgebiete.

Wird’s da auch mal eng bei 1,8 Millionen Hamburgern?

Stichwort Corona. Da haben wir das live und in Farbe erlebt. Der Drang, die Natur vor der Haustür zu erleben, ist groß. Was mache ich an einem schönen Sonntag, wenn die Sonne scheint? Ich gehe raus. Dahin, wo’s Grün ist. Wir haben in Hamburg das große Glück, dass es Naturschutzgebiete und viele Grünflächen im Stadtgebiet gibt. Da streben die Menschen natürlich und mit Recht hin. Gestern hatten wir innerhalb von zwei Stunden 450 Begegnungen. Und das ist nur das, was ich mit meinen Augen wahrgenommen habe!

Was sind die Aufgaben von Rangerinnen und Rangern?

Das ist vielfältig und basiert auf dem „Vertrag für Hamburgs Stadtgrün“, der durch die  Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ zustande kam. Es geht darum, die Biotopwerte der Naturschutzgebiete zu erhalten, am besten zu steigern und vor „menschlicher Aktivität“ zu schützen. Für jedes Naturschutzgebiet gibt es eine „Schutzgebietsverordnung.“ In ihr ist festgelegt, was das jeweilige Gebiet Besonderes braucht, damit es erhalten wird und sich die Voraussetzungen für die vorkommenden Tiere und Pflanzen verbessern. Man kann festhalten, dass sich die Gebietsverordnungen ähneln. Unsere Kernaufgabe ist, dafür zu sorgen, dass diese sinnvollen Regeln eingehalten werden.

Die Hamburger Ranger behüten einen Schatz 

Was haben Sie gemacht, bevor Sie Ranger wurden?

Ich bin im Umfeld Schuldienst und Sport unterwegs gewesen. Ich habe in der Ganztagsbetreuung gearbeitet, mit Kindern viel Sport draußen gemacht. Die Ranger und Rangerinnen kommen aus „grünen Berufen“. Wir haben Gärtnerinnen, eine Wildtierpflegerin, Menschen aus der Landwirtschaft, mit geografischer Ausbildung oder einem Biologiestudium sowie einen Tischler. Sie sehen, wir sind ein buntes Team.

Hat sich Ihr Verhältnis zur Natur durch den Job verändert?

Absolut. Man wird sich bewusst, mit was für einem Schatz man es zu tun hat. Man entwickelt Sensibilität, was Artenvielfalt bedeutet. In Zeiten wie diesen ist das ein trauriges Thema, weil uns da gerade ein sehr, sehr hoher Verlust widerfährt. Das ist auch eine Aufgabe für uns, das an die Bevölkerung heranzutragen, Besucherinnen und Besucher zu sensibilisieren, dass wir ein reales Artensterben haben. Wenn wir die geschützten Bereiche nicht akribisch schützen, wird dieser Verlust dramatische Situationen hervorrufen, die wir nicht wollen. Bei vielen ist das noch nicht angekommen. Ich kann immer nur appellieren, diese zehn Prozent Natur der Stadt Hamburg, und das ist wirklich nicht viel, zu respektieren und zu sagen: Hier hat die Natur Vorfahrt!  

Ich kann immer nur appellieren, diese zehn Prozent Natur der Stadt Hamburg zu respektieren 

Christian Walte

Hatten Sie schon mal ein Erlebnis in der Natur, das sie besonders berührt hat?

Ich denk immer wieder gerne an eine Führung im Duvenstedter Brook. Wir standen auf einer Anhöhe mit Blick auf den Brook, hinter mir ging klischeehaft kitschig rot die Sonne unter. Als ich gerade alle verabschiedete, kamen Kraniche über die Bäume durch den Sonnenuntergang geflogen. Das war ein Moment, in dem du denkst: Mensch, besser kann man das eigentlich nicht inszenieren, aber das Drehbuch nimmt dir kein Mensch ab. Aber ja, genau das ist ein wesentlicher Grund, warum du das machst und es sich so richtig anfühlt.

Nicht einfach nur die Grünanlage um die Ecke 

Haben Sie einen Lieblingsmonat?

Da würde ich den anderen elf Monaten Unrecht tun (lacht). Ich finde Jahreszeiten einfach sehr, sehr schön. Es ist wunderbar, dass wir das Glück haben, Jahreszeiten erleben zu dürfen. Im Frühling merkt man nach einer langen, kalten, nassen Periode: Die Tage werden länger, die Natur entwickelt sich, wird wieder grün. Wir haben Blütenpracht, Insekten kommen zum Vorschein. Vögel sind wieder zu Gast. Geht es über in den Sommer, wo man wirklich gerne draußen ist, kann man den Wechsel zwischen Tag und Nacht aktiv erleben. Dann der Übergang Richtung Herbst und der Herbst selbst. Das Farbenspektakel erleben wir gerade. Aber auch den Abschied vom Lebenszyklus Sommer, vielleicht eine gewisse Wehmut. Im Winter hat man das Gefühl, dass die Natur zur Ruhe kommt. Da komme ich selbst auch zur Ruhe. Dann die Vorfreude, dass man wieder in Aktion kommt, beziehungsweise dass der Lebenszyklus von vorne losgeht. Das schätze ich sehr. Deswegen würde ich sagen: Es wäre nicht fair, sich auf irgendeinen Monat festzulegen. Sondern nein, es ist die Abfolge an sich.

Was sind typische Vergehen, die sich die Leute im Grünen leisten?

Ein typisches Vergehen ist, dass der Hund nicht an der Leine geführt wird. Ein zweites, auch leider sehr häufig vorkommendes Vergehen ist das Verlassen der Wege. Dann sind es Dinge, die nachvollziehbar sind, aber im Naturschutzgebiet nicht gehen. Da ist es eben nicht möglich, sich picknickmäßig auszubreiten, den Grill rauszuholen oder Party zu machen. Aber wenn wir die ersten beiden Punkte hinkriegen, dass alle auf den Wegen bleiben und ihren Hund an der Leine haben – da wäre uns schon wahnsinnig geholfen. Bitte nicht vergessen: Im Naturschutzgebiet sind wir zu Gast im Wohnzimmer von Pflanzen und Tieren. Einfach mal überlegen, wie man Gäste bei sich zu Hause erleben möchte.

Was sind typische Ausreden?

Na ja, das ist immer so ein Punkt: Was ist an der Stelle eine Ausrede? Ich glaube, dass es vielen Menschen nicht unbedingt bewusst ist, was ein Naturschutzgebiet ist. Insofern ist der klassische Satz: Ich wusste gar nicht, dass ich im Naturschutzgebiet bin. Obwohl wir Beschilderungen haben, obwohl wir aufklären, obwohl wir seit drei Jahren unterwegs sind in den Naturschutzgebieten, ist das die Hauptaussage. Deswegen bin ich froh, mit Ihnen das Gespräch zu führen und nach draußen tragen zu können, dass das Naturschutzgebiet ein besonderer Ort ist. An diesem besonderen Ort gibt es Ge- und Verbote, die respektiert gehören. Es ist eben nicht die Grünanlage um die Ecke. Es ist nicht der Stadtpark wo ich mehr oder weniger tue, wonach mir gerade ist. Wobei wir auch da nachdenken sollten, was wir dem Park antun und den vielen Menschen, die dort eine grüne Auszeit suchen. Das Naturschutzgebiet ist ein geschützter, besonderer, einzigartiger Ort. Noch mal: Hier hat die Natur Vorfahrt, der Mensch ist Gast.

Hamburger Ranger werden immer wieder gesucht 

Sie arbeiteten mit dem NABU zusammen. Wie sieht die Zusammenarbeit aus? Arbeiten Sie auch noch mit anderen Naturschutzorganisationen zusammen?

Wir arbeiten neben dem NABU mit verschiedenen anderen Gruppen zusammen. Sei es die Loki Schmidt-Stiftung, BUND, Stiftung Natur im Norden oder die Gesellschaft für ökologische Planung (GÖP), um nur einige der vielen zu nennen. Es gibt zahlreiche Gruppen in Hamburg, die sich engagieren für den Naturschutz. Zum großen Teil als Ehrenamt. Es ist bewundernswert, mit welcher Hingabe und Akribie dort zu Werke gegangen wird. Da helfen wir zum Beispiel bei Entkusselungsarbeiten, sprich Beseitigung junger Gehölze. Ein anderer Punkt ist, dass diese Vereinigungen unsere Infohäuser betreuen. Wenn die Führungen für Schulklassen anbieten, lassen wir uns blicken und stellen den Beruf des Rangers vor. Oder denken Sie an den „Langen Tag der Stadtnatur“ – wir unterstützen gerne und viel.

Suchen Sie neue Leute?

Es gibt ganze zehn Stellen in der Stadt Hamburg. Zurzeit haben wir neun besetzt. Natürlich findet immer wieder ein Wechsel statt. Wir haben viele junge Menschen bei uns im Team. Da ist es ganz natürlich, dass es Veränderungen im Leben gibt und Stellen frei werden. Insofern immer mal wieder in das Stellenportal der FHH gucken. Und sprechen Sie uns gerne bei einer Begegnung in den Naturschutzgebieten zu diesem und anderen Themen an.

Auf der Website der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) kann man sich über die Hamburger Ranger informieren.

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 12/2024 erschienen.

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