Hamburgerin des Monats: Klinik-Clown, Annika Coreleis

Annika Corleis, unsere Hamburgerin des Monats, bringt bei Klinik-Clowns Hamburg e. V. mit 15 Kollegen und Kolleginnen Freude in schwierige Lebenslagen. Ein Gespräch über die Kraft des Humors
Annika Corleis, Hamburgerin des Monats, hat zwei Clown-Alter Egos: Nika und Marie
Annika Corleis, Hamburgerin des Monats, hat zwei Clown-Alter Egos: Nika und Marie (©Philipp Riemann)

SZENE HAMBURG: Annika, warum hilft Lachen?

Annika Corleis: Ich fang mal anders an: Welches Lachen meinst du? 80 Prozent unseres Lachens sind gar nicht humorvoll. Wir lachen auch, weil wir beschämt oder aufgeregt sind. Wenn wir von den anderen 20 Prozent ausgehen, die positiv für uns sind – dann ist Lachen wie inneres Jogging. Alle Organe werden durchgerüttelt, das hat die Autorin Vera Birkenbihl schön gezeigt. Hormone wie Dopamin und Endorphine werden freigesetzt. Wir haben ein paar Sekunden Entspannung. Wir haben nicht die Welt verändert, aber den Moment schön gemacht. Deswegen hilft das gesunde Lachen.

Deine Clown-Alter Egos heißen Nika und Marie. Nika geht zu den Kindern, Marie zu Erwachsenen und Senioren. Haben die beiden Eigenschaften, die du gern hättest?

Die können in schwierigen Situationen bei sich bleiben. Die können einfach zuhören und da sein. Sie nehmen Situation und Gefühle an, halten das aus – und entscheiden sich dann für Leichtigkeit. Etwas, was mir nicht so oft gelingt wie meinen beiden Figuren.

Was findet sich alles im Koffer von Marie und Nika?

Nika denkt, sie wäre die Super-Magierin.

Ist sie nicht?

Nee, die braucht immer Hilfe (lacht). Am liebsten von den Kindern. Trotzdem hat sie kleine Zaubertricks im Koffer, weil sie gerne angibt. Und Fingerpuppen, Seifenblasen, Glitzerherzen, die sie verteilt und jedem ein bisschen Glitzer dalässt. Marie hat ein Liederbuch, ein Gedichtebuch und Sprühsahne – weil der Kuchen oft zu trocken ist (lacht). Manchmal auch kleine rote Nasen. Ich komme gerade vom Einsatz im UKE. Es gibt leider Stationen, bei denen du weißt: Das Kind ist sehr krank. Das tut uns Menschen hinter der Clownsnase natürlich weh.

Hamburgerin des Monats über das Zauberwort „Balance“ 

Was macht das mit dir, immer Menschen in schwierigen Lebenslagen zu treffen?

Das Zauberwort ist Balance. Die Welt ist gerade schwierig. Das können wir nicht ändern. Den Moment schon. Ich sehe, wie ungerecht das Leben ist. Das hilft mir, mehr Dankbarkeit für mein eigenes Leben zu empfinden.
Auch bei mir läuft nicht immer alles toll. Aber ich versuche, es anzunehmen, auszuhalten. Dann hilft Kommunikation. Und das Werkzeug Humor. Wir unterrichten auch „Humorkompetenz in der Pflegepraxis“ in Fachschulen. Humor kann man trainieren. Das hat mir geholfen, Balance zu finden. Heißt nicht, dass ich alles humorvoll sehe. Aber ich kann mich entscheiden: Möchte ich das Glas halb voll oder halb leer?

Was unterrichtet ihr bei „Humorkompetenz in der Pflegepraxis“?

Wir besuchen fünf Pflegeschulen in und um Hamburg und unterrichten zwei bis drei Doppelstunden zum Thema Humor. Dabei befassen wir uns unter anderem mit theoretischen Ansätzen, dem humorvollen Verhalten in unterschiedlichen Altersgruppen sowie konkreten Interventionen zur Förderung von Humorkompetenz in der Pflege. Mit „Balsam in der Pflege“ können Teams zum Beispiel in Senioreneinrichtungen uns buchen – dann machen wir interaktive Workshops mit vielen Elementen aus unserem Training. Es gibt Impulsvorträge: 45 Minuten Theorie und Handwerkszeug zur Humorintervention mit Humorarten und Humortheorien. Was ist eigentlich Humor? Wir entwickeln ständig neue Konzepte. Für Menschen, die im Seniorenbereich arbeiten und eine Clownsfigur entwickelt haben, bieten wir mit „team momentum“ eine Weiterbildung an. Der Impulsvortrag „Humor pflegt“ ist vor allem für Pflegekräfte und Angehörige.

Annika Corleis: „Wir wollen weg von den Krankheiten“

Rote Nasen, große Herzen: Klinik-Clowns Hamburg e. V. (©Philipp Riemann)

Täte mehr Humor dem Krankenhausbetrieb insgesamt gut?

Ich finde, dass die Pflege viel Humor zeigt. Trotz schwieriger Bedingungen. Was oft fehlt, ist Zeit, darüber zu sprechen. Sie haben ein starkes Pensum, müssen gut drauf sein, schnelle Entscheidungen treffen. Ich wünschte ihnen manchmal mehr Innehalten. Aber da passiert ganz viel Humor. Ich glaube, sie wissen manchmal gar nicht, wie viel. Die machen einen richtig guten Job. Ich bewundere die.

Geht ihr in eurem Programm auch auf die Krankheiten der Patientinnen und Patienten ein?

Nein. Aber wir bekommen von der Pflege wichtige Infos: Alter, Geschlecht, darf das Kind liegen oder aufstehen? Wir wollen ja weg von der Krankheit. Das Kind soll nicht „krankes Kind“ sein, sondern einfach „Kind“. Wenn Erwachsene und Senioren ihre Krankheit thematisieren, gehen wir drauf ein. Wirklich geschult sind wir bei Demenz. Da wissen wir genau: Was geht noch, was darf man auf keinen Fall. Sonst brauchen wir die Krankheit gar nicht zu wissen. Es geht um den Menschen.

Humor kann man trainieren

Annika Corleis

Wie wird man Klinikclown?

In Hamburg gibt es zwei Schulen für Clown und speziell für Klinikclown. Das ist wichtig, denn es gibt Unterschiede. Auch in Hannover, Leipzig und Süddeutschland gibt’s Ausbildungen. Wenn man die Ausbildung hat, heißt das nicht automatisch, dass ein Verein einen nimmt. Manche arbeiten allein, vor allem im Seniorenbereich. Wer eine Clownsfigur entwickelt hat, kann sich bei uns melden. Die künstlerische Leitung schaut: Gibt es Bedarf? Wenn ja, laden wir ein.
Dann können während der Probezeit beide Seiten schauen: Passt das?

Welche Fächer gibt es in der Klinikclownschule?

Es gibt Zaubern. Da ist Nika durchgefallen (lacht). Viele denken, es ist laut und wild, aber genau das ist Klinikclown-Arbeit nicht. Wir machen nicht: Wie kriege ich Wasser aus der Blume raus. Das Kind steht im Mittelpunkt. Eine der schwersten Übungen ist, nichts tun. Einfach da sein, sich anschauen lassen. Das ist ein großes Thema, das wir immer trainieren. Oder Kopf frei kriegen, Assoziationen zulassen, Geschichten spielen. Klinikclowns sollten schnell Situationen erfassen und langsam in Geschichten reingehen. Meine Ausbildung ist 13 Jahre her, aber wir haben auch Situationen nachgespielt und geschaut: Wie ist die Humorentwicklung bei Kindern? Wie kommt man in Kontakt, in Interaktion? Wie arbeitet man mit Objekten? Ich hatte heute ein Rohr dabei, das kann man speziell zusammenstecken. Erst war’s ein Frisbee, dann eine Schlange (lacht). Nach dem Desinfizieren natürlich. Wir haben Hygieneschulungen. Stofftiere gehen nicht. Außer man kann sie waschen.

„Es geht um die Menschen“ – Annika Corleis, Hamburgerin des Monats 

Was sind die schönsten Momente in deinem Beruf?

Wenn ich merke, das Kind hat Lust, mit uns in Interaktion zu kommen, lacht und am Ende sagt: „Ohne mich hätten die Clowns das gar nicht hingekriegt!“ Bei den Eltern: Wenn sie durchatmen, weil ihr Kind einen schönen Moment hat. Bei Jugendlichen: Wenn sie den Zaubertrick lernen wollen. Und bei Senioren, wenn sie anfangs still aus dem Fenster schauen und am Ende lächeln. Wir waren mal bei einer Frau, die war ganz doll wütend. Ihr Bruder war nicht zu Besuch gekommen. Dann ist meine Clownskollegin auch in die Wut gegangen, beide haben rumgewütet! Ich habe gesagt: „Ujuijui … schlechte Laune! Bitte Abstand!“ Irgendwann war ihre Wut weg. Sie sagte zu meiner Kollegin: „Warum bist du wütend? Das ist mein Bruder. Komm, wir trinken einen Kaffee.“ Sie durfte ihre Wut ausleben und hat sich danach entschieden, mit uns positiv Zeit zu verbringen. Das ist der Motor meiner Arbeit. Es geht nicht um mich oder meine Kolleg:innen, sondern um die Menschen, die wir besuchen.

Was sind die eher unschönen Momente?

Wenn der Ausgang ungerecht und traurig ist. Wenn Kinder oder Erwachsene den Kampf verloren haben. Oder wenn Erwachsene beziehungsweise Senioren merken: Sie mussten ihr ganzes Zuhause aufgeben. Jetzt dürfen sie nur noch einen Teil ihres Lebens mit ins Zimmer nehmen. Wenn ihnen das so bewusst ist – das berührt mich.

Was bringt dich selbst zum Lachen?

Manchmal meine Clownskollegin mit dem, was sie da auf einmal macht. Kinder, die uns überraschen. Oder Senioren, wenn sie plötzlich aus sich rauskommen.
Dann habe ich das große Glück, dass mein Sohn, mein Partner, meine Freunde mich zum Lachen bringen. Und ich probiere, mich selbst zum Lachen zu bringen. Wenn mir ein Missgeschick passiert, versuche ich, mich darüber zu amüsieren.
Neulich hab ich in der Bahn ein lustiges Hörbuch gehört und laut gekichert. Eine Frau guckte mich an und musste mitlachen. Wir beide haben uns so gefreut!

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