Künstlerischer Leiter Joachim Lux über das Harbour Front Literaturfestival 2025 

Vom 20. September bis zum 19. Oktober findet mit dem Harbour Front Literaturfestival wieder eines der größten Literaturfestivals des Landes in Hamburg statt – und zwar mit einem fantastischen Programm. Joachim Lux, der neue künstlerische Leiter des Festivals, hat uns ein bisschen was dazu verraten
Seit diesem Jahr ist Joachim Lux künstlerischer Leiter des Harbour Front Literaturfestivals
Seit diesem Jahr ist Joachim Lux künstlerischer Leiter des Harbour Front Literaturfestivals (©Silje Paul)

SZENE HAMBURG: Das Harbour Front Literaturfestival wurde 2009 ins Leben gerufen und hat sich seither ziemlich gemausert. Kannst du mal kurz umreißen, wie das Festival angefangen hat und was die Intention dahinter war?

Joachim Lux: Spätestens seit den Neunzigerjahren gab es weltweit eine dynamische Stadtentwicklungspolitik, wo die Städte ihr Gesicht vom traditionellen downtown zu der edge of the city drehten. In Hamburg entwickelte man die HafenCity und wollte eine große Elbphilharmonie bauen. Im Schlepptau dieser Entwicklung entstanden in Hamburg gleich drei Festivals mit Hafennähe: das Reeperbahn Festival (2006), das Harbour Front Literaturfestival (2009) und das Elbjazz Festival (2010). Die Elbphilharmonie, eigentlich für 2010 geplant, konnte erst 2017 eröffnet werden und wurde also von den schnellen, privat organisierten Beibooten überholt.

Eigentlich ganz schön, oder?

Kultur geht, weil sie neugierig ist, immer dorthin, wo Neues passiert; und bringt Leben dorthin, wo noch keins ist. Und es ist natürlich grundsätzlich immer interessant, Kultur mit einem spektakulären Ambiente zu verknüpfen.

Zufälligerweise bist du im selben Jahr nach Hamburg gekommen wie das Festival. Weil du nun schon seit über 15 Jahren in der Stadt lebst: Welchen Stellenwert hat Literatur in und für Hamburg – auch im Vergleich zu den anderen Städten, in denen du so gelebt hast wie Köln, Wien, Berlin …?

Das ist eine komplizierte Frage. Gemessen an der puren Anzahl relevanter Verlagshäuser haben ganz eindeutig Berlin und München die Nase vorn, gemessen an wichtigen Literaturfestivals sind es Köln, Hamburg und Berlin. Fragt man sich aber, in welcher Stadt die Bevölkerung am intensivsten vom Rang ihrer Literatur durchdrungen ist, kommt man an Wien nicht vorbei. Bemerkenswert an Hamburg ist, dass hier tatsächlich sehr viele Autorinnen und Autoren leben – ja: Es ist eine Literaturstadt, und nicht nur eine Theater- und Musikstadt. Neben aller Internationalität des Harbour Front Literaturfestivals habe ich mir vorgenommen, Hamburg als Literaturstadt mithilfe des Festivals mehr Sichtbarkeit zu verschaffen. Das geht aber nicht von jetzt auf gleich und ist eine mittelfristige Aufgabe.

Wie Joachim Lux künstlerischer Leiter des Harbour Front Literaturfestivals wurde

Das ist nun dein erstes Harbour Front Literaturfestival als künstlerischer Leiter. Vorher warst du vorwiegend im Theaterbereich tätig, die Nähe zur Literatur war also immer schon da. Dennoch: Wie bist du zum Festival gestoßen?

Die bisherigen Betreiber des Festivals – wir kannten uns von einigen Projekten – haben mich vor einem Jahr angeschrieben, wir müssten uns bitte sofort treffen, es sei eilig. Sie sagten, sie könnten nicht mehr weitermachen und fragten, ob ich bereit wäre, das Festival gemeinsam mit der Berliner Veranstaltungsagentur MSK Wort zu retten.

Viele Events des Festivals finden auf Theaterbühnen statt, vom Schauspielhaus übers St. Pauli Theater bis hin zu deinem ehemaligen „Wohnzimmer“, dem Thalia Theater. Wird es durch dich als neuen künstlerischen Leiter nun eine noch engere Verknüpfung von Literatur und Theater geben?

Ausgangspunkt ist das Genre Literatur, nicht das Theater. Aber die Literatur entwickelt sich ja immer weiter, sie ist längst nicht mehr auf das klassische Buch begrenzt. Dieser Entwicklung muss auch das Festival Rechnung tragen und Crossover und Grenzgänge zu anderen Kunstgattungen, sei es Musik, bildende Kunst oder eben auch Theater, nicht nur zulassen, sondern auch fördern.

In den Pressemitteilungen hieß es, das Festival würde durch dich nun mit frischen Impulsen in eine neue Ära starten. Welche frischen Impulse sind konkret gemeint?

Wir werden verstärkt Festival-Eigenkreationen ermöglichen und Künstler in ungewöhnlichen Konstellationen dazu anregen, zusammen etwas völlig Neues zu entwickeln. Überhaupt sind öffentliche Künstlerbegegnungen etwas, das mir wichtig ist – und auch, das Hafengelände mit seinen „site specific“-Qualitäten wieder sichtbarer zu machen. Es gibt gleich vier „Festival im Festival“-Tage – alle „site specific“ im Hafengelände, und auch Literatouren. Mit NEXT.GEN: erfinden wir eine neue Programmlinie, die sich der jungen Literatur widmet. Angesichts unserer gesellschafts- und demokratiepolitisch verdüsterten Lage ist die neue Reihe DISKURS mit klugen Köpfen wie Eva Illouz, dem jungen intellektuellen Shooting-Star Lea Ypi, mit Michel Friedman oder Carolin Emcke von großer Bedeutung. Schließlich wird das Festival erstmals von gleich zwei wichtigen Literaturpreisen gerahmt: dem völlig neu aufgestellten Debütpreis, wo neuerdings das Publikum mitbestimmt, und dem Felix-Jud-Literaturpreis.

Verknüpfung zwischen Literatur und Musik auf dem Festival 

Das Harbour Front Literaturfestival stand in der Vergangenheit unter anderem für eine enge Verknüpfung von Literatur und Musik, und das wird auch in diesem Jahr so sein. Was sind dahingehend die diesjährigen Highlights?

Helene Hegemann und Bonaparte denken sich gemeinsam etwas aus. Der Titel ist „Carte Blanche“, weil keiner weiß, was da kommt. Benjamin von Stuckradt-Barre und Jan Delay beschäftigen sich in „Vorglühen“ mit Udo Lindenberg und seinem bevorstehenden 80. Geburtstag. Und: Corinna Harfouch widmet sich, gemeinsam mit der Musikerin Etta Scollo, der unvergessenen jüdischen Autorin Mascha Kaleko. Aber auch Konstantin Wecker kommt mit einem textmusikalischen neuen Programm. 

Das Festival hat die beiden Programmsektionen NOW und FUTURE. Wofür stehen diese beiden Sektionen?

NOW meint, dass das Festival sich um unsere Jetztzeit kümmert, um die Gegenwartsliteratur und ihre Neuerscheinungen. Im Grunde ist das ganze Festival: NOW! (das wäre eine gute Plakataktion). Manchmal interessieren wir uns aber auch um literarische Ewigkeitswerte (FOREVER) wie Mascha Kaleko oder andere. Hier wird die Vergangenheit zum Spiegel für das Heute. Die Programmlinie FUTURE aber ist vielleicht die überhaupt wichtigste, denn sie betrifft die Verantwortung für die nachfolgenden Generationen, die wir sehr offensichtlich nicht hinreichend wahrnehmen.

Größen der Literaturszene auf dem Harbour Front 

Das diesjährige Festival, das muss man neidlos anerkennen, kann mit einem sehr starken Programm hinsichtlich großer nationaler und internationaler Namen aufwarten: T. C. Boyle, Dan Brown, Donna Leon, Samantha Harvey, Martin Suter, Katja Riemann, Eckart von Hirschhausen, Caroline Wahl und viele mehr. War es schwierig, diese Literaturgrößen zum Festival zu bekommen?

Die Autoren und Autorinnen freuen sich alle sehr auf das Festival und das Hamburger Publikum. Die kommen alle sehr sehr gern nach Hamburg. Trotzdem klappt natürlich höchstens die Hälfte von dem, was wir uns wünschen, oft genug passen die Termine nicht et cetera.

Auf welche Veranstaltungen freust du dich persönlich am meisten?

Ich mache hier jetzt keine Hitliste. Aber wenn ich nur zu einer einzigen Veranstaltung gehen dürfte? Völlig klar: Dann würde ich zur Eröffnung mit Chimamanda Ngozi Adichie und Auma Obama gehen – zwei Frauen und Weltstars, die sich Tag und Nacht für eine bessere und andere Welt verbrennen und gleichzeitig eine unglaubliche Lebensfreude versprühen – Hoffnungsträger auch für das eigene Leben.

Dieses Interview ist zuerst in der SZENE HAMBURG 09/25 erschienen.

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