SZENE HAMBURG: Leonie, in „Heldin“ spielst du eine Pflegefachkraft in einem Krankenhaus, die man im Film eine Schicht lang begleitet. Hast du dich auf die Rolle in besonderer Weise vorbereitet?
Leonie Benesch: Ich durfte im Dezember 2023 eine Woche lang im Kantonsspital Baselland Mäuschen spielen. Ich bin also mitgelaufen, während Pflegende ihre Arbeit gemacht haben und durfte Fragen stellen, zusehen, beobachten. Das war sehr hilfreich! Außerdem hatten wir eine großartige medizinische Beraterin an unserer Seite – in der Vorbereitung und während des gesamten Drehs: Nadja Habicht. Die hat selbst lange lange Zeit in der Notaufnahme gearbeitet und konnte mir alles erklären und zeigen und beibringen. So musste ich natürlich lernen, welche Vorgänge stattfinden, wenn man einen Zugang legt. Wie man die Medikamente korrekt mischt, wie man sie abmisst und abfüllt, aufzieht und verabreicht. Wie der Pflegewagen gehandhabt wird, wann man sich die Hände desinfiziert, wie und wann man sich im Giftschrankbuch einträgt. All diese Vorgänge galt es, perfekt einstudiert aussehen zu lassen.
Klingt nach einer äußerst intensiven Vorbereitung.
Ich hatte auf jeden Fall eine eigene Batterie an Spritzen und Schläuchen und Nadeln bei mir in der Wohnung in Zürich und habe geübt. Es sah ein wenig so aus, als würde da jemand wohnen, der viele Drogen konsumiert. (grinst)
Heldin: über Kliniken und Krankenhäuser
Der Film skizziert ja unter anderem den stressigen Alltag von Krankenhauspersonal in einer zunehmend von Personalmangel betroffenen Branche – vielleicht eine Parallele zu „Das Lehrerzimmer“. Inwiefern verändert so etwas deine Sicht auf das entsprechende Berufsfeld?
Jeder Job, den ich mache, der mit einer Sache zu tun hat, die ich nicht kann, verändert meine Sicht auf das jeweilige Thema. Weil ich ja im Idealfall etwas darüber lerne. In diesem Fall war es natürlich faszinierend und schockierend für mich, mehr über die Zustände in Krankenhäusern zu erfahren und darüber, was es bedeutet, diesen Beruf zu ergreifen – und wie absolut desaströs es ist, dass Kliniken von Leuten geleitet werden, die in Harvard Business studiert haben, aber absolut nichts über Medizin und Pflege wissen.
Welches sind für dich die ausschlaggebenden Kriterien, um sich für oder gegen ein Filmprojekt zu entscheiden?
Das Drehbuch, die Regie und mit wem die Regie eng zusammenarbeitet, das Thema und die Figur.
Was hat dich konkret an deiner Figur der Floria in „Heldin“ interessiert?
Ich mochte die Herausforderung, alles so aussehen zu lassen, als hätte ich mein Leben lang diesen Beruf ausgeübt.
Du stehst schon seit Mitte der Nullerjahre vor der Kamera und hast im Laufe deiner Karriere auch schon einige Preise gewonnen. Durch deine Rolle in „Das Lehrerzimmer“, der eine Oscar-Nominierung erhalten hat und für den du den Deutschen Filmpreis erhalten hast, lag – aus meiner Sicht – deutlich mehr Aufmerksamkeit auf dir als vorher. Hat sich die Art und Weise, wie du als Schauspielerin wahrgenommen wirst, seither verändert? Und wenn ja: Inwiefern?
Sag du’s mir.
Häufige Umbrüche in der Kindheit helfen der Schauspielerin

Ich habe zumindest den Eindruck, dass die Leute dich jetzt mehr auf dem Schirm haben und im Zuge dessen auch mehr „im Auge behalten“. Laura Tonke hat mir vor Kurzem erzählt, dass sie seinerzeit Probleme mit der Aufmerksamkeit hatte, die nach dem Gewinn des Filmpreises auf sie einbrach. Und als du mit „Das weiße Band“ bei den Oscars warst, hast du auch mal erzählt, dass du damals komplett überfordert warst.
Es ist ein unnatürlicher Zustand, von vielen Menschen gesehen und bewertet zu werden. Das hat auf jeden eine Auswirkung, dem oder der das passiert. Es geht aber auch wieder vorbei und man kann einen guten Umgang damit finden.
Du bist in deiner Kindheit häufig umgezogen, weil dein Vater immer nur befristet irgendwo angestellt war. Als Kind stelle ich mir das sehr schwierig vor, aber dadurch warst du natürlich gezwungen, dich stets in neue Umfelder einzufügen und eine jeweils „neue Rolle“ für dich zu finden. Hast du das Gefühl, dass dir das in deinem Job als Schauspielerin nun hilft?
Mit Sicherheit haben mir die vielen Umzüge etwas mitgegeben. Ich komme schnell an, ich sortiere mich schnell und kann mich relativ gut von Orten trennen. Das ist nichts Schönes als Kind. Aber jetzt ist es natürlich geschickt, dass ich das so früh lernen musste. Auch ständig neuen Menschen zu begegnen und sich in neuen Kontexten zu behaupten und zu finden ist nicht schön, aber hilfreich. Mittlerweile kann ich es ab und zu auch genießen.
Du bist sowohl in deutschen als auch in internationalen Produktionen zu sehen. Gibt es ein Land, in dem du dich in Sachen Film am wohlsten fühlst?
Ich suche Projekte nicht nach dem Land aus, in dem es gedreht wird. Das Drehbuch und die anderen Zutaten sind entscheidend. Und jede Arbeit unterscheidet sich von jeder anderen. Es gibt immer Vor- und Nachteile.
Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 03/2025 erschienen.