Haare und Gesichtskonturen in nur wenigen Strichen, die Augen wiederum detailliert und ausdrucksstark: Die Person auf einer Porträtzeichnung von Hilka Nordhausen wirkt müde, zerknittert, konsterniert. Eine Ahnung über die Hintergründe des Zustands liefert allein der Satz, den Nordhausen handschriftlich daruntersetzte: „Montags Realität herstellen“ steht da – wie eine Signatur all jener Menschen, die regelmäßig zum Wochenstart vom echten Leben eingeholt werden, ob nun, weil das Wochenende in andere, stille, von Normen befreite, euphorische oder gar exzessive Sphären geführt hat, oder weil man selbst einen Alltag fern konformer Nine-to-five-Jobs besitzt.
In ihrer künstlerischen Praxis ließ sich Nordhausen jedenfalls nicht einschränken, sie malte, schrieb, kuratierte, publizierte, performte. 1976 gründete sie die BUCH HANDLUNG WELT im Karolinenviertel: ein von Kreativität angefüllter Ort und sozialer Treffpunkt der damaligen Hamburger Kulturszene, der bis 1983 Kunstdrucke, -hefte und -broschüren ebenso wie eigens verlegte Bücher, Kataloge und Zines angeboten hatte. Nach einer bedeutenden Schenkung der Familie der Künstlerin ehrt die Hamburger Kunsthalle nun die früh verstorbene Künstlerin mit der Ausstellung „Das Gespenst in der Kurve“, die in Kooperation mit dem Archiv Hilka Nordhausen entwickelt wurde – und bietet besondere Einblicke in die lokale Kunstszene der 1970er- bis frühen 1990er-Jahre.
Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 11/25 erschienen.

