Interview: Das schwimmende Hotel in Harburg

Marcel Klovert führt seit 2018 das Hotel „Kanal 77 – Schlafen im Hafen“ in Hamburg-Harburg. Während andere Hotels in großen Bauten an Hauptstraßen liegen, übernachtet man hier in einem charmanten, über 100 Jahre alten Binnenschiff. Wie man einen Anlegeplatz für ein Hausboot in Hamburg bekommt, ein Frachtschiff in ein gemütliches Hotel verwandelt und wieso ihm das alles nie Sorgen bereitet hat, verrät der Besitzer im Interview
Marcel Klovert auf seinem Hamburger Unikat: Dem Hausboothotel „Kanal 77 – Schlafen im Hafen“ (©Luca Heinze)

Leben auf Hamburgs Kanälen: Ein Traum mit vielen Hürden

SZENE HAMBURG: Marcel, dein Konzept des Hotels auf dem Wasser ist in Hamburg ein Unikat. Wie kamst du dazu, ein Binnenschiff zu kaufen und zu einem Hotel umzubauen?

Marcel Klovert: Um das verständlich zu beschreiben, muss ich ein wenig ausholen: Ich habe 14 Jahre als Programmierer in Hamburg gearbeitet und war sehr unglücklich in meinem Job. In mir gab es immer ein Verlangen, aus dem Trott auszubrechen. Als meine Frau schwanger wurde, habe ich mich schließlich dazu entschieden, meinen Job zu kündigen und die Elternzeit zu nutzen, um mit ihr und unserem Kind Südostasien zu bereisen. Wir waren zwei Jahre lang unterwegs und diese Zeit hat mein Leben verändert. Als wir zurückgekommen sind, war mir klar, dass ich nicht in meinen alten Job zurückkehren werde. Beim Überlegen, was ich stattdessen machen möchte, sind mir drei Sachen klar geworden: Ich möchte weiter viele Kulturen kennenlernen, ich möchte mein eigener Chef sein und ich möchte auf einem Hausboot wohnen. In meiner Kindheit in Rotterdam hatten wir einige Bekannte, die auf einem Hausboot lebten und das fand ich immer toll. So kam ich auf die Idee von „Schlafen im Hafen“, wo ich mit meiner Familie auf dem Wasser leben und verschiedene Kulturen direkt zu mir nach Hause holen kann. Dort bringe ich alles zusammen.

Da war mir klar, dass ich nicht in meinen alten Job zurückkehren werde

Marcel Klovert

Wie ist es weitergegangen? War es schwer, sich in Hamburg deinen Traum zu erfüllen?

Als wir zurückgekommen sind, habe ich angefangen, das Projekt anzugehen und da gibt’s 1000 Sachen, die zu beachten sind. Welcher Anleger eignet sich? Wie finanziere ich das? Wo in Hamburg lässt sich das machen? Besonders beim Standort wurde es sehr schwer. Um solche Anliegen kümmert sich die HPA (Hamburg Port Authority) und die möchten eigentlich nicht, dass Menschen auf dem Wasser wohnen. In einem Hafen dürfen zum Beispiel nur Schiffe liegen, die einen direkten Hamburg-Bezug haben, in anderen Häfen lebten bedrohte Froscharten und wieder in anderen. waren zu viel Schlick oder Industrie drum herum. Es war wirklich frustrierend. 2016 bekam ich mit, dass der Museumshafen in Harburg eröffnet wird und ich wusste direkt, dieser Standort ist ideal. Von Vorteil war außerdem, dass dieser Hafen nicht von der HPA, sondern vom Bezirk selbst verwaltet wird. Ich habe mich einfach mal bei denen gemeldet, meine Idee vorgestellt und mir eigentlich keine großen Chancen ausgerechnet. Überraschenderweise fanden sie meine Idee aber toll und waren gewillt, mich bei meinem Vorhaben zu unterstützen. Die Bank hatte für die Finanzierung noch ein paar Bedingungen gestellt, wie zum Beispiel, dass ich noch wenig Hotelerfahrung sammle. Deswegen habe ich ein einmonatiges Praktikum in einem Hotel eines Bekannten gemacht – da war ich 48. Viel Papierkram und einen Bankkredit später war es dann so weit und ich durfte endlich starten.

Das Hotel liegt in perfekter Lage zum Runterkommen: im Harburger Hafen (©Marcel Klovert)

Die Lydios: 110 Jahre alter Frachter wird zum neuen Zuhause

Wie bist du zu deinem Schiff gekommen?

Ich habe mir viele Schiffe angeguckt, aber keins hat so richtig gepasst. Über mehrere Ecken lernte ich dann einen niederländischen Kapitän kennen, der grad in Rente ging und sein Schiff verkaufen wollte. Es war perfekt geeignet: bauchiger Rumpf, die richtige Größe und genau der Charme, den ich gesucht habe. Ich wusste, dass es ein kleines Binnenschiff sein soll, da es viel Innenraum bietet und vergleichsweise günstig ist. Der Kapitän und ich haben uns schnell geeinigt. Er war so nett und hat uns angeboten das Schiff nach Hamburg zu fahren, da ich keinen Schiffsführerschein habe. Wir waren dann sieben Tage mit ihm bis nach Hamburg unterwegs.

Wie genau lief der Umbau des Schiffes? 

Es gab eine Menge zu tun. Zuerst haben wir das Dach komplett erneuern müssen, da es ein verschiebbares Aluminiumdach und somit kaum isoliert war. Auf einem Hausboot braucht man immer einen Tank für Abwasser. Dafür nahm ich mir den ehemaligen Ballasttank des Schiffes vor. Der war komplett verrostet und verschmutzt, da der über Jahrzehnte nicht gereinigt worden war. Durch das Reinigen war ich so mit Dreck überzogen, dass sich beim Duschen das Wasser schwarz verfärbte. Für alle weiteren Arbeiten habe ich mir Hilfe geholt. Zu der Zeit gab es in Harburg Begegnungsstätten für Geflüchtete. Dort habe ich ein paar sehr nette Afghanen kennengelernt, die ich dann fragte, ob sie sich vorstellen könnten mir zu helfen. Sie waren begeistert und wollten sofort loslegen. Binnen kürzester Zeit haben sie die alten Bodenplanken herausgesägt und die neuen Wände gezogen. Sie waren unglaublich effizient und sorgfältig. „Unglaublich, wie schnell das geht“, dachte ich, als das Ganze nach und nach Form annahm. Mir haben alle möglichen Gewerke geholfen und durch sehr viel harte Arbeit war das Schiff nach zwei Jahren dann fertig.

Der Boden und die Wände mussten komplett erneuert werden (©Marcel Klovert)
So sieht der gleiche Raum jetzt aus. Ohne die Bullaugen, wäre es ein ganz normales Foyer eines Hotels (©Marcel Klovert)
Im Hotel müssen die Gäste keinesfalls auf Komfort verzichten: Die Zimmer haben noble Badezimmer und einen gemütlichen Schlafbereich (©Luca Heinze)

Wahlheimat und furchtlose Traumerfüllung

Wenn es hier so schwer war, warum wolltet ihr trotzdem in Hamburg bleiben? 

Wegen meiner Tochter. Sie ist hier weiter zur Schule gegangen und ich wollte bei ihr sein. Daher war klar, dass wir in Hamburg bleiben würden. Wir haben unser Zuhause in dem Schiff gefunden. Meine Frau fährt von hier zur Arbeit, mein Sohn zur Schule und ich leite das Hotel. Ich mache hier jeden morgen Frühstück für die Gäste und kümmere mich um alles. Davon abgesehen liebe ich Hamburg. Ich bin vor 30 Jahren nach Hamburg gekommen und habe mich in die Stadt verliebt. Bei der Planung meiner Idee ist mir aufgefallen, dass es so was hier noch nicht gibt. Das hat mich echt gewundert. Ich meine, wenn man Hamburg hört, denkt man doch an den Hafen. Und was gibt es Besseres als auf dem Wasser schlafen zu können und nicht nur am Wasser? Meine Gäste kommen aus den Niederlanden, aus Belgien, Dänemark, aber am meisten aus Deutschland. Es gibt viele, die genau diesen Aspekt so toll finden und hier mit ihren Familien Urlaub machen. Ab und zu habe ich sogar Gäste aus Hamburg, die es mal ausprobieren wollen in ihrer eigenen Stadt auf dem Wasser zu übernachten. Dass ich hier so viele verschiedene Menschen kennenlernen darf, finde ich klasse.

Wieso sollte ich Zeit in einem Job verschwenden, der mich unglücklich macht?

Marcel Klovert

Rückblickend hat das ganze Projekt bestimmt viel Mut gekostet, oder?

Diese Frage bekomme ich echt oft und ich verstehe sie nicht so richtig. Ich meine, was ist das Schlimmste das passieren kann? Dass man viel investiert und dann pleite geht, Privatinsolvenz. Und dann? Wenn mal was passiert, bekomme ich doch Unterstützung vom Staat. Und meine Frau ist ja auch noch berufstätig. Ich lande also nicht auf der Straße und werde auch nicht verhungern. Wenn man länger im Ausland gelebt hat, verliert man ein wenig das Sicherheitsdenken und die Perspektive ändert sich. Ich war 14 Jahre in meinem alten Job, davon elf unglücklich. Da habe ich mich nie getraut zu kündigen, bis ich die Reise begann. Ich habe nicht viel Geld und verdiene auch nicht besonders an dem Hotel, aber ich bin glücklich. Wir haben doch nur ein Leben, unsere Zeit ist begrenzt. Wieso sollte ich also Zeit in einem Job verschwenden, der mich unglücklich macht?

Das nächste Projekt ruft

Wie geht’s weiter? Ist das Schiff jetzt fertig?

Na ja, es gibt immer was zu tun. Die meisten Arbeiten am Schiff erledige ich selbst. Ich bringe mir die Sachen dann bei und habe da echt Spaß dran. Tatsächlich gibt es seit einigen Jahren noch ein neues großes Projekt, mit dem ich alle Hände voll zu tun habe. Direkt neben unserem Schiff lag jetzt lange ein wunderschönes, majestätisches Segelschiff. Immer, wenn es den Hafen verließ und die Segel setzte, kam ich aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Irgendwann wollte der Nachbar das Schiff verkaufen und ich habe mir nur gedacht: „Ich muss das haben.“ Direkt im Anschluss fragte ich mich allerdings wofür. Ich besitze ein riesiges Schiff, wo genügend Platz ist und ein kleines Beiboot, mit dem ich auch unterwegs sein kann.

Meine Frau sagte dann: „Wenn wir es nicht kaufen, tut es jemand anderes. Das wär echt schade.“ Die Idee war, das Schiff als Ferienwohnung anzubieten und so kam es auch letztlich. Ich habe tatsächlich dann das Boot gekauft und nach und nach daran herumgewerkelt. Dieses Mal wollte ich mir mehr Zeit lassen und es als eine Art Hobby auf Vordermann bringen. Nach vier Jahren ist es nun fertig und ich will es bald auf den üblichen Websites zur Vermietung anbieten. Es ist klein und vielleicht nicht für jeden was, aber viele finden das glaube ich toll, auf einem traditionellen Segelschiff schlafen zu können. Wer mehr Luxus will, kann dann ins Hotel kommen (lacht)

Die Zimmer sind gemütlich eingerichtet und erhalten durch die Bullaugen das maritime Flair (©Luca Heinze)

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