Als junges Mädchen, ohne elterliche Fürsorge, rutscht sie in die Prostitution, lernt nie etwas anderes kennen und landet schließlich in der Herbertstraße. Dort wird nach einiger Zeit in einem der Häuser der Platz einer Domina frei. Manuela ergreift die Chance und wächst in die neue Rolle der Domina hinein. 2021 bringt sie ihre Biografie „Herbertstraße. Kein Roman“ heraus. Ab dem 3. November 2025 läuft die dreiteilige Dokuserie „Herbertstraße – Geschichte einer Domina“ in der ZDF Mediathek. Ein Teil der Serie besteht aus Spielszenen, hinzu kommen Archivmaterialen und Interviewsequenzen von ihr selbst sowie verschiedener Weggefährtinnen und Gefährten und Expertinnen und Experten. Die Premiere fand am 30. September im CinemaxX Hamburg Dammtor statt.
SZENE HAMBURG: Manuela, wie war die Premiere der Dokumentation auf dem Filmfest Hamburg für Sie und wie waren die Reaktionen?
Manuela Freitag: Die Premiere war super. Eine ganz neue Erfahrung für mich. Es war schön zu erleben, wie groß das Interesse der Menschen an meiner Geschichte ist. Einige kamen nach der Vorstellung auf mich zu, um sich mit mir über das Gesehene auszutauschen. Wir hatten für die After-Show-Party eine Bar gemietet, was für eine angenehme und lockere Atmosphäre sorgte.
In der Reportage werden Sie von drei verschiedenen Schauspielerinnen gespielt. Im Kindesalter, als Jugendliche und Erwachsene. Haben Sie die Besetzung mit ausgesucht? Wenn ja, worauf haben Sie geachtet?
Nein, ich habe die Wahl vollständig in die Hände der Produktion gegeben, da ich ja gar keine Ahnung habe, worauf man achten muss. Ich bin aber sehr zufrieden mit den Darstellerinnen. Grade meine Kindheit wurde sehr treffend widergespiegelt, aber auch die anderen beiden haben das wirklich gut gemacht.
Ist das Schreiben Ihrer Biografie ein emotionaler, verarbeitender Prozess oder eher ein distanzierter, berichtender gewesen?
Das Schreiben hat in mir wieder einiges hochgeholt, was ich verdrängt und gut verschlossen hatte. Auch beim Anschauen der drei Teile der Serie gab es Momente, da musste ich ganz schön schlucken, zum Beispiel bei der Szene, in der ich von meiner Familie weggeholt und ins Heim gebracht wurde. Das war sehr ergreifend für mich.
Wie haben Sie mit dem Team Grenzen für intime oder traumatische Szenen definiert – gab es „No-go“-Themen oder Situationen, die bewusst nicht verfilmt werden durften?
Es gab keine No-go-Themen und auch keine peinlichen Gespräche. Alles sollte gezeigt werden dürfen. Zum Beispiel die Szene, in der mich einer meiner Betreuer missbraucht. Ich habe das als Kind ja gar nicht so empfunden, dass das nicht richtig ist, was mit mir geschieht. Die Serie ist absolut so geworden, wie ich sie selbst auch gedreht hätte.
Gab es Herausforderungen, in der Herbertstraße zu drehen? Wie sind die Reaktionen der dort arbeitenden Sexarbeiterinnen und Dominas zu Ihrer Reportage?
In der Herbertstraße gibt es aktuell nur noch ganz wenige Dominas und von denen kamen keine Reaktionen. Wir haben mit dem Filmteam natürlich darauf geachtet, die Frauen nicht zu belästigen und an der Arbeit zu hindern. So haben wir nur zum Eingangstor der Herbertstraße hin gedreht und zu Tageszeiten, zu denen wenig bis gar keine Frauen „sitzen“. Zudem kennen mich die anderen Frauen dort ja auch.
Prostitution ist für mich ein Beruf wie jeder andere. Ich arbeite freiwillig. Ich hätte ja aufhören können damit. Es ist ja nicht so, dass einer gesagt hat «Du darfst damit nicht aufhören»
Manuela Freitag, aus der Dokumentation „Herbertstraße – Geschichte einer Domina“
Sie arbeiten weiterhin als Domina in der Herbertstraße. Haben Sie den Beruf der Domina auch lieben gelernt?
Lieben würde ich nicht sagen – der Beruf ist für mich nichts Besonderes, er ist für mich etwas völlig Normales. Es gab für mich ja nie eine Alternative. Ich bin mein Leben lang Sexarbeiterin, und die längste Zeit davon Domina.
Sie sagen, es war eine spontane Chance, den einen Platz der Domina in dem Haus, in der Herbertstraße, in dem sie arbeiteten, zu besetzen. Was war anders als an Ihrem vorherigen Beruf der Prostituierten vorher? Was war positiver, was negativer?
Positiv ist, dass man als Domina seinen Körper nicht hergeben muss, also sich nicht direkt am Körper von den Gästen berühren lassen muss. Negativ ist, dass wenn an einem Tag keine Gäste mit gewissen Vorlieben, die nur eine Domina befriedigen kann, in der Herbertstraße waren, dann hat man auch nichts verdient. Als ich anfing, hatte man als Domina auch weniger Konkurrenz. Denn pro Haus gab es nur eine Domina. Heutzutage kann eigentlich jede Frau dominant arbeiten, und dann gibt es auch noch deutlich mehr Konkurrenz durch das Internet.
Sie haben den Versuch unternommen, nicht mehr im Milieu zu arbeiten und einen Job als Reinigungskraft angenommen. Warum sind Sie wieder in die Herbertstraße zurückgekehrt?
Ja, das ist richtig. Ich habe einmal den Versuch unternommen, als Reinigungskraft zu arbeiten, um aus dem Milieu auszusteigen, aber die (finanzielle) Unabhängigkeit, die ich in meinem Job habe, hat mich schnell wieder zurückgezogen.

