Malte Zierden: „Ich fühle, dass ich meine Berufung gefunden habe“

Malte Zierden ist Tierschützer – und ein Star auf Social Media. Über eine Million Menschen folgen ihm auf TikTok, knapp 750.000 auf Instagram. Seine Reichweite nutzt Zierden, um den Tierschutz sichtbar zu machen. Im Interview spricht er über ein Tierheim, das er in der Ukraine baut und seinen Freund Oßkar – eine Taube, der möglicherweise eine Filmkarriere bei Disney bevorsteht
Malte Zierden
Hat eine enge Bindung zu Tieren: Malte Zierden (©privat)

SZENE HAMBURG: Malte, woher kommt deine Verbundenheit zu Tieren?

Malte Zierden: Die Liebe zu Tieren habe ich schon, seit ich klein bin. Ich bin auf einer Art Bauernhof groß geworden und hatte immer Tiere um mich herum. Ich bin mit Pferden, Hunden, Katzen, Schafen, Hühnern um mich herum groß geworden. Ehrlich gesagt habe ich mich schon immer besser mit Tieren als mit Menschen verstanden.

Wann und wie bist du zum Tierschutz gekommen?

Ich habe schon zu Beginn meiner Social-Media-Zeit über meine Rolle in den sozialen Medien nachgedacht. Meine Videos haben anfänglich hauptsächlich unterhalten. Doch hat mir am Ende eines Jahres dann doch immer der große nachhaltige Sinn darin gefehlt. Vor etwa drei Jahren habe ich dann den Tierschutz gefunden und damit meine wirkliche Aufgabe, meine Mission.

Welche Möglichkeiten gibt es, um sich beim Tierschutz zu engagieren?

Spenden verändern oftmals bestehende Probleme. Aber ich glaube, wir alle können auch ohne Spenden hilfsbereit sein. Man kann zum Beispiel tierschutzrelevante Beiträge teilen. Es gibt supertolle Tierschutzorganisationen und -vereine, die Aufklärung schaffen. Oftmals ist es auch einfach toll, sich beim Tierschutzverein zu melden und zu fragen, wie man helfen kann. Ob über Social Media oder physisch: auf Vereine zugehen und Hilfe anbieten. Damit entlastet man so sehr. Ohne die Ehrenamtlichen läuft im Tierschutz so gut wie gar nichts.

Vom Social-Media-Film zum Tierheim

Du arbeitest viel mit dem Tierschutzverein Notpfote zusammen. Wie kamt ihr in Kontakt?

Ich habe die Notpfote auf einem Event kennengelernt, bei dem Gelder für Orang-Utans gesammelt wurden. Dort sollte ich mit ihnen zusammen auf Tiere aus Sheltern aufmerksam machen. Vor dem Event habe ich darauf bestanden mit Babette Terveer, der Vorsitzenden von Notpfote, zu telefonieren und es hat irgendwie direkt gepasst. Auch wenn sie mich ehrlicherweise sehr in die Mangel genommen hat. Da sie mich sehr viel über den Tierschutz ausgefragt hat. Nach der gemeinsamen Sendung habe ich Blut geleckt und wollte noch mehr für den Tierschutz machen. Babette schlug ganz trocken vor, dass ich mit ihr in die Ukraine fahren kann.

Ich fühle einfach, dass ich meine Berufung gefunden habe

Malte Zierden

Wie hast du reagiert?

Ich habe natürlich direkt Nein gesagt! Meine Antwort war: „Brennst du?!“ Meine Freundin Phia hat sich Sorgen gemacht und ich war stark verunsichert bezüglich des Krieges in der Ukraine. Dann hat Babette mich anderthalb Monate bearbeitet und schließlich überzeugen können. Woraufhin wir rübergefahren sind.

Mit welchem Ziel?

Eigentlich wollte ich nur darauf aufmerksam machen, dass ein altes Tierheim, mit dem die Notpfote zusammenarbeitet, in der Ukraine abgerissen werden sollte. Also habe ich darüber einen kleinen vierminütigen Film gemacht und auf Social Media gepostet. Dadurch sind über Nacht 100.000 Euro Spenden zusammengekommen! Das war für uns im ersten Moment unfassbar. Wir haben angefangen zu träumen und uns für eine langfristige Problemlösung entschieden: „Wir bauen jetzt ein eigenes Tierheim.“ Das Ziel von der Notpfote und auch mir – ich bin ein Notpfötchen – ist es, Tiere aus dem Kriegsgebiet zu evakuieren, zu unserem eigenen Tierheim nahe der europäischen Grenze zu transportieren und von dort aus nach Deutschland zu bringen.

Ein Aha-Moment

Was ging dir vor der Abreise durch den Kopf?

Ich hatte ziemlich Schiss: Erstens, weil dort Krieg herrscht und zweitens, weil ich es dokumentieren wollte. Ich dachte erst von meiner Community richtig auf den Sack zu bekommen, weil ich in einem Kriegsland war. Dann habe ich den kleinen Film gepostet und die 100.000 Euro sind zusammengekommen. Das war das erste Mal, dass ich mir dachte: „What the fuck, warum habe ich das nicht früher gemacht?!“ Ich hatte so einen Aha-Moment. Seitdem wache ich jeden Morgen auf und führe Telefonate mit Tierschutzvereinen, -organisationen und NGOs. Ich bin gefühlt von einem Tag auf den nächsten richtig intensiv in den Tierschutz geraten. Das mache ich wirklich gerne und von Herzen. Ich fühle einfach, dass ich meine Berufung gefunden habe.

Welches Gefühl hattest du, als du das erste Mal in die Ukraine gefahren bist?

Panik, Angst, Respekt. Du fährst über die Grenzkontrolle und da stehen Menschen mit Maschinengewehren in der Hand. Das war ein weirdes und bedrohliches Gefühl. Bis mir dann bewusst wurde, dass Berehowe, der Ort in dem wir sind, fast ungefährlich ist. Da gibt es zwar Bombenalarm, aber das ist kein strategisch wertvolles Ziel – da geht es nicht so ab wie anderen Orten.

Wie häufig warst du seither in der Ukraine?

Rund 20 Mal. Ich bin seit anderthalb Jahren jeden Monat mindestens einmal dort. Die letzten Monate häufiger. 2023 war ich insgesamt knapp zwei Monate in der Ukraine.

Es geht um das Individuum

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Wahlhamburger und Tierschützer Malte Zierden baut ein Tierheim in der Ukraine (©Johanna Zobel)

Was machst du dort vor Ort?

Wir leiten gerade eine Baustelle – in einem Land, in dem Krieg herrscht und Männer eingezogen werden. Gleichzeitig haben wir noch das alte Tierheim, in dem sich noch Tiere befinden. Die müssen rüber zum neuen Tierheim. Es ist viel Koordination. Dazu dokumentieren wir, was passiert. Wir packen auf der Baustelle selbst mit an und versuchen die Tiere zu vermitteln. Dazu fahren wir ins direkte Kriegsgebiet nahe der Front und evakuieren Tiere.

Auf dem Rückweg, und das ist das Wichtigste, nehmen wir die Tiere mit rüber nach Deutschland. Man muss sich das wie einen Fluss vorstellen: Die Tiere werden von den Soldaten an den Fronten gesammelt, dort holen wir sie ab. Anschließend bringen wir sie zu unserem Tierheim in Berehowe. Dort sind sie mindestens drei Monate unter Quarantäne – das ist wichtig und wird vom Tierschutzgesetz vorgeschrieben. Wenn wir nach Deutschland fahren, nehmen wir rund 30 Tiere mit, um wieder Plätze für die Tiere aus der umkämpften Front frei zu machen.

Wie viele Tiere passen in das Tierheim?

Knapp 300 Tiere, davon sind 250 Hunde und rund 50 Katzen.

Wie kann man ein Tier von euch adoptieren?

Wir arbeiten nur mit Pflegestellen. Man kann bei uns keine Direktadoptionen machen. Das bedeutet, wenn man ein Tier aufnimmt, ist man immer zuerst die Pflegestelle. Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter im Raum Niedersachsen und Hamburg kommen zu den Personen nach Hause, schauen sich dort alles an und sprechen mit den Menschen. Dieser Weg ist vielleicht der aufwendigere, aber dafür auch der nachhaltigere. Uns geht es ums Individuum, nicht um Masse. Wir machen lieber weniger Adoptionen am Ende des Jahres, aber dafür sichere – sonst könnten die Tiere wieder im Tierheim landen. Und die platzen in Deutschland aus allen Nähten. Beim Auslandtierschutz ist es unfassbar wichtig, dass er qualitativ gemacht wird. Deswegen machen wir keine direkten Adoptionen.

Man denkt, Auslandshunde sind alle gefährlich, bissig, haben Angst – das ist nicht wahr

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Tiere sind Lebewesen, Freunde und Familienmitglieder

Es ist wahrscheinlich nicht einfach, ein Tier aus dem Kriegsgebiet aufzunehmen?

Für viele Menschen sind Tiere leider Dinge, die man kauft. Für uns sind es Lebewesen, Freunde und Familienmitglieder. Und für Lebewesen die man liebt, muss man eben auch was tun. Ein Tier aufzunehmen ist also zum Teil bürokratisch und aufwendiger als ein Tier aus der Zucht zu kaufen. Darauf sollte man sich einstellen. Aber dafür unterstützt man etwas Gutes. Man schützt Tiere und gibt ihnen eine zweite Chance.

Braucht es besondere Erfahrungen, um ein Tier aus dem Ausland aufzunehmen?

Man denkt, Auslandshunde sind alle gefährlich, bissig, haben Angst – das ist nicht wahr. Der Großteil kommt supereasy klar und ist ganz anders auf Menschen sensibilisiert. Wenn man als Pflegestelle einen Hund aufnimmt, ist man zudem stetig im Austausch mit der Notpfote. Ich kann versprechen, wenn man sich auf die Bedürfnisse von Tieren einlässt, dann kann man sehr an und mit ihnen wachsen.

„Ma“ und „Oßkar“

Du hast gemeinsam mit deiner Freundin eine Hündin aus der Ukraine gepflegt und schließlich adoptiert. Wie hat sie sich in den letzten Monaten eingelebt?

Bei „Ma“ war es genau andersrum. In der Ukraine war sie ein bisschen auffällig. Sie kam aus dem umkämpften Kriegsgebiet und war traumatisiert. Außerdem sind ihre Welpen alle an einem Virus gestorben. Sie war verschreckt und sehr zurückhaltend. Aber wir haben uns sofort in sie verliebt. Als sie in Deutschland ankam, hat sie sich zum Gegenteil entwickelt: Sie blüht komplett auf, sie kann sehr gut mit anderen Hunden, liebt Menschen, ist smart und kommt draußen gut klar und hat keine Angst. Nur an Silvester war es die Hölle. Sie ist im Krieg großgeworden – sie kommt aus Charkiw. Deswegen war das ganz schlimm für sie.

Du bist nicht nur ein Hundefreund, sondern auch ein Taubenfreund und hast auch eine spezielle Taube zum Freund. Was steckt hinter der ungewöhnlichen Freundschaft?

Ich war 2021 frisch nach Hamburg gezogen. Und immer wenn ich im Badezimmer meiner Wohnung war, kamen Tauben ans Fenster. Also fing ich an, sie zu beobachten. Dann hab ich mir zur Aufgabe gemacht, eine Taube zu meinem Kumpel zu machen. Eine tauchte immer wieder auf. Ich gab ihr den Namen Oßkar. Jeden Morgen habe ich eine halbe Stunde die selbe Melodie gepfiffen und dabei die Hand mit Futter ausgesteckt um ihn anzulocken. Dabei habe ich mich null bewegt, wie eine Statue. Ich habe teilweise Krämpfe bekommen! Aber es hat sich gelohnt. Denn im Grunde genommen konnte ich ihn konditionieren. Dann habe ich angefangen, ihm ein Wohnzimmer in meinem Fenster zu bauen. Jetzt bin ich sogar kurz davor, dass Oßkar auch auf meiner Hand sitzt. Das ist aber auch gefährlich, weil er lernen könnte, das bei allen Menschen zu machen. Und viele sind nicht lieb zu Tauben.

Eine Taube für Disney?

Deine Taubenfreundschaft zeigst du regelmäßig in Videos auf Social Media. Was folgte daraus?

Ich hab total schöne Nachrichten bekommen, auch von Menschen außerhalb meiner Bubble. Das Oßkar-Thema ist unglaublich viral gegangen. Die Oßkar-Videos haben bereits mehr als 100 Millionen Aufrufe gesammelt. Ganz viele Menschen haben mir geschrieben, dass sie vorher ein anderes Bild von Tauben hatten und sie scheiße fanden. Seit Oßkar da ist, finden sie Tauben cool. Ich hab das Gefühl, Oßkar ist eine Art Botschafter. Ich versuche die Vorurteile gegenüber Tauben aufzuholen. Dafür ist mein Kumpel Oßkar perfekt und ich finde, dass er das toll macht. Für mich sind Tauben zutiefst missverstandene Lebewesen und sie werden unfair behandelt. Ich hoffe, dass Oßkar einen eigenen Disney-Film bekommt.

Einen Disney-Film?! Erzähl …

Ich habe ein ironisches Video an Walt Disney geschickt, in dem ich in etwa sage: „Hey lieber Walt, ich bin die perfekte Disney-Prinzessin. Ich brauch nur pfeifen und Oßkar kommt zu mir. Ich würde mich freuen, wenn du Oßkar einen eigenen Film geben würdest, um Menschen über Tauben aufzuklären.“

Hat das gefruchtet?

Meine komplette Community hat den Disney-Kanal geflutet. Disney hat sich daraufhin bei mir gemeldet. Ich sag mal so: Sie sind von der Idee nicht abgeneigt. Wenn die einen Kurzfilm über Tauben machen würden, das würde mir die Welt bedeuten. Vielleicht würden zukünftige Generationen Sympathie für diese Tiere gewinnen. Es bleibt also spannend.

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 02/2024 erschienen.

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