SZENE HAMBURG: Marco, du bist auf TikTok gestartet, indem du Videos von Influencern ironisch kommentierst. Es gibt einen sehr bekannten Comedian, der viel Kritik für ein zu deiner Arbeit ähnliches Format „die Bildschirmkontrolle“ bekommen hat. Was sagst du zu seiner Umsetzung? Wo siehst du die Abgrenzung zu dem, was du machst?
Marco Gianni: Ich habe eher uns als Gesellschaft auf den Arm genommen. Über meinen Videos stand immer: „Wie Influencer denken, dass wir ihre Videos gucken“. Ich habe Storys von Influencern genommen, die absolut belanglos waren, weil sie zum Beispiel zeigen, dass es zum Frühstück Cornflakes gibt. Sie waren aber austauschbar und daher nicht gegen konkrete Personen gerichtet, sondern an die Tätigkeit eines Influencers im Allgemeinen und wie wir als Gesellschaft diesen langweiligen 0815-Content konsumieren. Ich habe meinen Content immer eher als Spiegel verstanden, den ich uns allen vorhalte, auch mir selbst. Comedy ist ja auch dazu da, den Vibe der Gesellschaft widerzuspiegeln. Und so kam es bei der Zuschauerschaft auch an. Ich habe noch nie Hate von den betroffenen Influencern bekommen, die können das ganz gut einordnen.
Seit 2021 stehst du auch als Stand-up-Comedian auf der Bühne. Wie musstest du deine Kurzvideo-Inhalte verändern, damit sie auf der Bühne funktionieren?
Egal ob auf Social Media oder auf der Bühne, mein Ziel war immer, das zu machen, womit ich auch meine Freunde privat zum Lachen bringe – ich denke, das sollte von jedem, der Videos macht, das Ziel sein. Und als ich dann auf die Bühne gegangen bin, wusste ich, da muss ich es auch schaffen, meinen Humor in diesen Kontext zu packen. Also so viel hat sich da gar nicht verändert, nur die Verpackung ist eine andere. Es ist egal ob Social Media, Bühne, Drehbuch oder ein lustiger Song – die Herangehensweise ist immer dieselbe.
Ich freu mich auf Hamburg. Das ist immer die Stadt, die am schnellsten ausverkauft ist bei meinen Shows. Und das Publikum in Hamburg ist supergeil!
Marco Gianni
Neben TikTok und Stand-up-Comedy bist du auch das neue Gesicht des beliebten TV-Formats COMEDYSTREET sowie zahlreicher Kampagnen. Jetzt hast du gerade schon ein Drehbuch oder einen Song angesprochen. Hast du beruflich in den nächsten Jahren noch weitere Ziele?
Mein Ziel war von Anfang eigentlich eher Richtung Film und Serien zu gehen. Ich habe auch lange Zeit nur Musik gemacht. Social Media war für mich eher ein Tool, um mich zu präsentieren, ein Sprungbrett. Aber auch mit der Comedy auf der Bühne zu stehen war eigentlich nie mein Plan. Das ist eher aus Versehen und ziemlich plötzlich passiert. Deshalb mal sehen, was noch kommt. Das ist alles eine Reise und ich würde nicht sagen, dass ich schon angekommen bin.
Glaubst du, dass es für dich leichter war, in die Stand-up-Szene einzusteigen, da du den Backround von TikTok hattest, als für diejenigen, die klassisch Klinken putzen? Würdest du es Kollegen, die am Anfang stehen, empfehlen, über TikTok zu starten?
Social Media ist, egal, was man heutzutage erreichen will, obligatorisch. Der Kunstbereich bildet dazu am aller wenigsten eine Ausnahme. Das ist das größte Medium, um die Gesellschaft zu erreichen, quasi das moderne Plakat. Von daher ja – ich würde es jedem ans Herz legen, begleitet durch Social Media zu starten.
Hast du ein Vorbild? Wenn ja, wer ist es?
Ich habe viele Vorbilder, aber mein größtes Vorbild ist mein Vater. Ich bin aufgewachsen im italienischen Restaurant meines Vaters. Der Laden war eigentlich eine einzige Comedyshow. Alle erdenklichen Nationalitäten waren vertreten, es war bunt, es war laut, es war genauso, wie man sich ein italienisches Restaurant vorstellt: Chaos pur. Mein Vater ist auch ein absoluter Entertainer. Er hat freitags immer den Pizzabäcker aus der Küche rausgezogen, ihm eine Gitarre in die Hand gedrückt, selbst italienische Lieder gesungen und dann haben sie zusammen Stimmung gemacht. Die Begeisterung und der Applaus der Gäste haben mich schon früh geprägt. Aber auch Charlie Chaplin ist eines meiner großen Vorbilder. Als Kind hatte ich seine Filme wie „Goldrausch“ und „Moderne Zeiten“ und so was auf DVD und habe die immer wieder geguckt. Der erste Stand-up-Comedian in Deutschland, den ich wahrgenommen habe und der mich inspiriert hat war Rüdiger Hoffmann. Als ich zehn Jahre alt war, lief eine Show im Fernsehen und meine Mutter hat so über ihn gelacht. Ich hab’ mich sofort an den Schreibtisch gesetzt und hab meine eigene erste Stand-up-Nummer geschrieben, meiner Familie aber erst ein Jahr später vorgetragen. Und die kam schon echt gut an (lacht).
Ich habe viele Vorbilder, aber mein größtes Vorbild ist mein Vater
Marco Gianni
Wie kommst du zu deinen Programminhalten? Was inspiriert dich? Wie ist der Schreibprozess?
Ich habe diesen klassischen Schreibprozess nicht. Anders als mit zehn Jahren setze mich nicht an den Schreibtisch und skizziere Ideen, sondern mache mir, wie so viele, Notizen in mein Handy, wenn ich eine interessante Situation im Alltag erlebe oder sehe oder wenn mir eine Idee kommt. So circa einen Monat vor dem Tourstart setze ich mich dann daran und sortiere alles. Ich habe aber auch keinen roten Faden in meinen Programmen. Das sind mehrere einzelne Nummern beziehungsweise Stories nacheinander … über Eltern, das Nachtleben, über Steuern zahlen, Urlaub – es gibt keinen thematischen Schwerpunkt, sondern es ist eher locker. Ich mache die Show so, wie ich sie gerne bei anderen sehen würde und finde, das ist auch einfacher verdaulich als so ein sich über den ganzen Abend ziehendes Thema.
Baust du in Hamburg ortsspezifische Beobachtungen mit in dein Programm ein? Was ist dir auf vorherigen Touren Hamburg-typisches aufgefallen?
Jeder sagt immer, das müsse man machen, aber tatsächlich habe ich das noch nie gemacht (lacht). Ich weiß nicht genau, was mich daran stört, aber es fühlt sich für mich so konstruiert an. Mir würde zu keiner Stadt ein Witz einfallen. Aber ich freue mich sehr auf Hamburg. Das ist immer die Stadt, die am schnellsten ausverkauft ist bei meinen Shows. Und das Publikum ist immer geil!

