Der Record Store Day feiert die Kultur der Plattenläden

Seit drei Jahren ist Carsten Wetzl Projektmanager des Record Store Day. Ein Gespräch über die Kultur der Plattenläden in Hamburg, die Bedeutung des Record Store Day und welche exklusive Platte sich besonders lohnt
Carsten Wetzl: „Vinyl hat wieder eine viel größere Rolle als in den letzten Jahrzehnten“ (©Yannick Wolff)

Carsten, du bist Projektmanager des Record Store Day. Unter anderem in Hamburg. Was ist der Record Store Day? 

Carsten Wetzl: Der Record Store Day (RSD) ist ein spezieller Tag, der weltweit im April stattfindet und den unabhängigen Schallplattenläden gewidmet ist. Jedes Jahr werden zum RSD exklusive Platten veröffentlicht. Diese sind explizit an diesem Tag und nur in den teilnehmenden Läden verfügbar und wurden auch extra dafür produziert.

Die Artists, die zum RSD releasen sind eher weniger Newcomer:innen oder kleinere Bands, sondern weltweit schon Kaliber wie Taylor Swift, U2 und The Rolling Stones. Aus Deutschland, Österreich und Schweiz waren in der Vergangenheit zum Beispiel Udo Lindenberg oder Falco mit dabei, 2024 haben wir unter anderem Drangsal, LEA und Milky Chance, die an diesem Tag einen RSD-Release bringen. Entstanden ist die Idee zum Record Store Day 2007 in den USA in einer Zeit, in der es Plattenläden nicht ganz so gut ging.

Ich bin da mit der Zeit auch in den letzten Jahren so ein bisschen reingewachsen.

Carsten Wetzl

Und so kam der RSD nach Deutschland

Welche Rolle hat Vinyl denn gerade?

Vinyl hat wieder eine viel größere Rolle als in den letzten Jahrzehnten. Das merkt man an vielen Ecken und Enden: Es gibt neue Plattenläden und viele jüngere Leute, die sich auch für Vinyl interessieren. Deswegen ist in den letzten Jahren ein kleines Revival entstanden. Da ist aber auch sicher das Limit noch nicht erreicht …  

… und bist du selbst Plattenliebhaber?  

Ich habe keine riesig große Plattensammlung zu Hause, aber besitze natürlich einen Plattenspieler. Ich bin da mit der Zeit auch in den letzten Jahren so ein bisschen reingewachsen, vor allem seit ich für den Record Store Day arbeite. Damit kam dann die Affinität.  

Wie kam es dazu, dass das ursprünglich aus den USA stammende Konzept des Record Store Day nach Deutschland geschwappt ist?

Das ist glaube ich durch Kontakte von unserem Chef zu einem Vertrieb entstanden. Der hatte dann einfach Lust das Projekt in Deutschland, Österreich und der Schweiz umzusetzen. 2011 hat der Record Store Day dann das erste Mal bei uns stattgefunden.

Eine Bereicherung für Hamburg

Michelle Records am Gertrudenkirchhof ist von Beginn an beim Record Store Day mit dabei (©Michelle Records)

Hamburg versteht sich als Musikstadt. Welche Bereicherung hatte der Record Store Day für Hamburg bisher?  

Der Tag ist für Hamburg auf jeden Fall eine Bereicherung. Man kann sich eine schöne Tour planen und dann einfach ein paar Plattenläden abklappern, stöbern und die Kultur entdecken. Vielleicht bietet der Tag auch die Möglichkeit, neue Plattenläden in Hamburg zu entdecken, in denen man vorher vielleicht noch nicht unterwegs war. Aber selbst ich war auch noch nicht in allen Plattenläden Hamburgs, muss ich gestehen. Zusätzlich ist das Konzert von Kadaver im Gruenspan definitiv auch ein Highlight in diesem Jahr, das als Bereicherung gilt.

Für wen ist der Record Store Day?

Im Endeffekt für alle, aber natürlich ist die Kern-Zielgruppe größtenteils noch eine etwas ältere und auch zu einem großen Teil eher männlich. Das sieht man auch oft an den Plattenladenbesitzern selbst. Aber es gibt auch genug Frauen als Plattenladenbesitzerinnen, die jetzt bei uns dabei sind. Mit den Releases von LEA, Drangsal oder Milky Chance sprechen wir aber in diesem Jahr auch eine deutlich jüngere Zielgruppe an. Und das müssen wir auch. Den Hype, der momentan zu verspüren ist, greifen wir auf, um langfristig die neuen Generationen als RSD-Besucherinnen und Besucher zu gewinnen.

In Hamburg sind 2024 zehn Plattenläden mit dabei. Über welche Teilnahme freust du dich am meisten?   

Seit ein paar Jahren verhältnismäßig neu mit dabei ist Cruise Records in der Seilerstraße. Den Laden gibt es auch noch nicht so lange. Da freue ich mich besonders, weil es einfach ein cooler Laden ist mit einem großartigen Repertoire. Neben Cruise muss man aber natürlich auch Michelle Records oder Zardoz Records nennen, die seit Beginn an mit dabei sind.

Ich würde mir auf jeden Fall die Frank Turner 7“-Platte kaufen.

Carsten Wetzl

Viel mehr als nur Plattenverkäufe

Auf eurer Website bekommt man einen kleinen Vorgeschmack auf Musik, die es ausschließlich am Record Store Day geben wird. Welche exklusive Platte würdest du/wirst du dir kaufen?

Ich würde mir auf jeden Fall die Frank Turner 7“-Platte kaufen, der ist ja dieses Jahr auch RSD-Botschafter. Und von ihm gibt es eben einen großartiger Song, der perfekt zu diesem Tag passt. „Girl from the Record Shop“ ist der Titel. Milky Chance steht auch weit oben auf meiner Wunschliste und die Scheibe von Olivia Rodrigo mit Noah Kahan. Aber ich schaue mal, welche Platte ich dann wirklich bekomme. Ich werde jetzt nicht in den Laden rennen, sondern eher einfach mal schauen, ob ich Glück habe.

Die Kultur der Plattenläden ist in Hamburg eine ganz besondere!

Carsten Wetzl

Neben Plattenverkäufen finden am Record Store Day auch Konzerte, Partys und abendliche Club-Events statt. Worauf können sich Teilnehmende freuen?

Neben dem Konzert von Kadaver im Gruenspan und weiteren „Record Store Day in concert“-Konzerten in Städten wie Nürnberg oder Köln, gibt es auch zahlreiche In-Store-Gigs, etwa mit LEA oder Drangsal in Berlin. Darüber hinaus gibt es in ausgewählten Plattenläden auch Goodiebags mit unter anderem Kopfhörern von Marshall zu gewinnen. Und es wird auch ein Social-Media-Gewinnspiel geben, für die, die noch nicht genug der Marshall-Produkte haben (lacht) und alle anderen, die auch noch etwas gewinnen wollen.

Das Konzept des Record Store Day wurde von der „LA Times“ als „More important than Christmas“ beschrieben. Das ist ein starkes Statement. Welches Feedback würdest du dir nach dem Record Store Day 2024 wünschen?   

Das Zitat ist mittlerweile schon ein paar Jahre alt. Das war sicher eine etwas andere Zeit, deswegen würde die „LA Times“ mittlerweile vielleicht nicht mehr unbedingt das gleiche Zitat bringen. Auch weil sich die Bedeutung des RSD sicher irgendwo gewandelt hat. Aber ja, letztendlich wünschen wir uns eine positive Resonanz und die ist jetzt schon zu spüren. Es wird nie so sein, dass wir durchgehend positives Feedback bekommen, einfach weil Plattenläden komplett unterschiedlich und individuell sind. Aber so lang so viel Positives zurückkommt und es wenig Kritikpunkte und Negatives gibt, würde ich sagen, dass der RSD ein schönes Ding ist. Am Ende kann ich nur an alle appellieren: Kommt in die Plattenläden und kauft euch tolle Platten. Denn die Kultur der Plattenläden ist in Hamburg eine ganz besondere!

Am 20. April 2024 findet der Record Store Day in ausgewählten Plattenläden statt.

Lust auf noch mehr gute Musik?

Die Plattenläden in Hamburg sind eine Welt für sich. Noch ist die Szene relativ überschaubar, aber es kommen immer neue dazu und schon heute bieten sie eine Auswahl von Punk, über Jazz und HipHop bis zu Rock und echten Oldie-Schätzen.

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