Herumstehende Kartons, einsame Baugerüste, raschelnde Planen und meterweise Kabel: Wer im Frühjahr 2024 das Kunsthaus betreten hatte, stand in einem Raum, der offenließ, ob hier gerade auf-, um- oder schon wieder abgebaut wird. Exakt diesen Schwebezustand aber hatten die beiden Hamburger Künstler Jakob Spengemann und Akinori Tao in ihrer Schau „While We’re Gone“ bewusst inszeniert und so ein reizvolles Wahrnehmungsspiel zwischen Alltag und Kunst initiiert, das die Belastungsfähigkeit fixer Zuschreibungen ebenso prüft wie die Sehgewohnheiten der Besucher.
Jakob Spengemann und Akinori Tao ergänzen sich
„Wir kennen uns schon seit dem Studium an der HFBK“, erzählt Jakob Spengemann bei einem Gespräch in seinem Studio auf der Fleetinsel. „Dort hatten wir uns ein Atelier geteilt und festgestellt, dass sich unsere künstlerischen Ansätze gut ergänzen. Wir interessieren uns beide für das Fixieren flüchtiger Momente und die Auseinandersetzung mit Alltagsobjekten: Unsere Kunst soll nahbar sein.“ Doch auch bei gemeinsamen Projekten arbeiten beide eigenständig und nähern sich den Dingen aus unterschiedlichen Richtungen.
Spengemann, der ursprünglich Bühnenraum studiert hatte, arrangiert meist das räumliche und akustische Setting, in dem Taos bildhauerische Objekte zur Geltung kommen können. Dass man diese klare Produktionsaufteilung den fertigen Inszenierungen aber nicht ansieht, ist umso bemerkenswerter und macht die synergetische Kraft ihrer Kunst förmlich greifbar – vor allem auch bei Arbeiten, die leicht zu übersehen sind: im Kunsthaus etwa bei der kleinen Fliege auf der Fensterbank. Erst wenn man wiederholt an ihr vorbeiging, fiel auf, dass es sich um die Nachbildung einer Fliege handelte, die gerade in ihrer Bewegungslosigkeit eine überraschende Wirkung entfaltete. Schon 2021 hatten Tao und Spengemann die Fliege in ihre erste gemeinsame Schau „We’ll be right back“ im mom art space im Gängeviertel integriert und gezeigt, dass sie gewöhnlichen Objekten zu einer ungewöhnlichen Präsenz verhelfen können – und damit auch das Potenzial zeitgenössischer Kunst, alles sein zu dürfen, zur Diskussion stellen.
Nachhaltige Entwicklung statt Zwischennutzung
Zugleich thematisieren sie über die Auseinandersetzung mit Raum aber auch ganz konkrete Schwierigkeiten im Alltag vieler Kunstschaffender, etwa den behördlichen Umgang mit kulturellen Nutzungsflächen in Hamburg. „Gemeinsames Interesse von Städten und ihren Kunst- und Kulturszenen“, so Spengemann, „sollte es sein, nicht nach kurzfristigen Lösungen etwa in Form von Zwischennutzungen zu suchen, sondern nach fairen und nachhaltigen Entwicklungsmöglichkeiten für alle.“ Bestenfalls bieten sich auch bald wieder Räume an, in denen Spengemann und Tao ein nächstes gemeinsames Projekt realisieren können – und vielleicht wird sich auch dort wieder die kleine Fliege einschleichen, um still und heimlich die Fensterbank zur erweiterten Ausstellungsfläche zu machen.
Aktuell ist Akinori Tao Teil der Schau „IN WITH THE NEW“, 16. November 2024 bis 12. Januar 2025, Sammlung Falckenberg. Jakob Spengemann zeigt seine Soloausstellung „Wrrrooooom Wroam!“, 8. bis 17. November 2024, Galerie Oel-Früh
Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 11/2024 erschienen.