Das Kunsthaus muss umziehen und schaut nach vorn

Das Kunsthaus muss umziehen, beleuchtet das in zwei spannenden Ausstellungen und macht sich gleichzeitig für die regionale Szene stark. Wir sprachen mit Anna Nowak, die das Kunsthaus seit letztem Sommer leitet, über Planungssicherheiten und Zukunftsaussichten, die Öffnung des Hauses – und über bronzene Fliegen
Installationsansicht „Sam Vernon – Alter-Reservoir“, Kunsthaus Hamburg 2024 (©Antje Sauer)

SZENE HAMBURG: Anna Nowak, das Kunsthaus muss umziehen und befindet sich, wie Sie sagen, in einem Schwebezustand.

Anna Nowak: Wir stehen ja bereits seit 2018 in Verhandlung mit unserem Vermieter, der Sprinkenhof. Im Moment ist die Rede davon, dass der Umzug in circa zwei Jahren erfolgt. Aber konkrete Daten gibt es noch nicht und es könnte sich auch noch weiter verzögern. Fest steht aber, dass die Markthalle als Veranstaltungsort ihren Platz verdoppelt, denn bisher gibt es keinen Musikvenue für 2000 Menschen in der Stadt. Wir sollen dementsprechend ausweichen, ich hoffe aber, dass wir für alle Mieter in dem Komplex eine gute Lösung finden.

Gibt es da schon Zusagen?

Zwischenzeitlich gab es die Idee, dass wir ins Kellergeschoss ziehen. Doch das ist für uns völlig ungeeignet. Und verkleinern wollen wir uns natürlich auch nicht. Ganz im Gegenteil. Wir haben mit dem Kunsthaus viel vor, brauchen unter anderem mehr Lagerraum, Büroflächen und eine wirklich gut funktionierende Ausstellungsfläche. Wenn diese dann sogar noch größer ist, umso besser. Aber natürlich würden wir uns auch über mehr Planungssicherheit freuen.

Das Kunsthaus: Zwischen Hoch- und Subkultur

Installationsansicht Jakob Spengemann, Akinori Tao – „While We’re Gone“, Kunsthaus Hamburg 2024 (©Antje Sauer)

Wichtig ist Ihnen auch, nicht nur auf das Kunsthaus, sondern auf den anhaltenden Verlust an Nutzungsflächen vieler Kultur- und Kunstschaffender in der Stadt aufmerksam zu machen.

Weil der ein prinzipielles Problem in der Kunst und Kultur ist. Wenn man sich alleine anschaut, wie das Schulterblatt sich in den letzten zehn Jahren verändert hat. Und auch, was jetzt mit der Clubszene an der Sternbrücke passiert. Dass die Stadt sich erneuert ist ja prinzipiell auch gut. Gleichzeitig muss man aber auch berücksichtigen, was Hamburg attraktiv macht. Und die alternative Szene hier ist ein sehr wichtiger Teil davon. Deswegen muss man die kulturintegrativen Veränderungen in der Stadt im Blick haben und vor allem auch darauf achten, dass perspektivisch attraktive Möglichkeiten für Kulturschaffende gefunden werden.

Und Sie sehen das Kunsthaus als Teil dieser Szene?

Das Kunsthaus ist gerade in den Museumsverbund Kunstmeile Hamburg aufgenommen worden, auf der wir mit der Kunsthalle, dem Kunstverein, den Deichtorhallen und dem Museum für Kunst und Gewerbe ja liegen. Und auch das Bucerius Kunst Forum gehört dazu. Mit dem Kunsthaus sehe ich uns zwischen der Hoch- und der Subkultur. Unsere Ausstellungen, die ausgewählten Künstler und Künstlerinnen und die Themen, mit denen sie sich beschäftigen, sollen das spiegeln. Auch der Berufsverband Bildender Künstler:innen ist ja bei uns im Haus. Auf seine Initiative hin hat sich das Kunsthaus gegründet. Ich finde die regionale Szene sehr wichtig und mich interessiert, an welchen Stellen sie zu kämpfen hat und wie wir das unterstützen können.

Auf den bevorstehenden Umzug gehen Sie auch in den Ausstellungen „While We’re Gone“ und „Alter-Reservoir“ ein, die gerade im Kunsthaus zu sehen sind.

Genau. Es sind zwei Ausstellungen, die in diesem Fall mit einer Wand voneinander getrennt sind. Im vorderen Bereich sind Arbeiten von Akinori Tao und Jakob Spengemann zu sehen. Ich habe ihre Installationen im MOM art space erlebt und war sofort von der Atmosphäre, die sie erzeugen, fasziniert. Ihre Ausstellung bei uns ist eine Art work in progress. Die Trennwand ist nicht zu Ende gebaut, der Wandtext nicht fertig geplottet. Das Gerüst, das man für den Aufbau verwendet, sowie der Putzeimer stehen noch da. Man kann viel entdecken, vor allem, wenn man genau hinsieht. Dann erweisen sich kleine Insekten wie Fliegen beim näheren Hinschauen als Bronzeskulpturen. Die beiden arbeiten mit Leerstellen, die einen rätseln lassen und das fand ich einen guten Ausgangspunkt, um sich mit der Thematik eines Umzugs auseinanderzusetzen.

Wir haben mit dem Kunsthaus viel vor

Anna Nowak

Kunsthaus: Auch andere Zielgruppen erreichen

Jakob Spengemann, „Chorus_#5“, 2024, Feuerlöscher, Pappmaché, 80cm x 30cm x 30cm (©Antje Sauer)

Und dann ist auch noch eine Wandarbeit der New Yorker Künstlerin Sam Vernon zu sehen. Sie sagt von sich, dass sie mehr als 30 Mal umgezogen ist.

Sam Vernon macht ganz wunderbare, große und ortsspezifische Wandcollagen. Bei uns ist sie dafür erstmal in den Keller gegangen und hat unser Archiv nach Plakaten durchforstet. Und da gibt es einige, denn schließlich existiert das Kunsthaus ja schon seit 60 Jahren. Ihre Arbeit beleuchtet das, beschäftigt sich mit Veränderungen und damit, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Genau das, was auch ein Umzug bedeutet. Was ist einem wichtig? Was mistet man aus? Gleichzeitig geht sie auf die Geschichte des Gebäudes selbst ein, das ja ursprünglich auch eine Blumenmarkthalle war und arbeitet mit floralen Motiven.

Und es gab auch eine Einladung mitzumachen, oder?

Ja, jeder konnte vorbeikommen und mit an der Collage arbeiten. Sie hat das Haus geöffnet.

Das ist etwas, was Sie sowieso sehr stark interessiert, oder?

Ich finde es sehr relevant auch andere Zielgruppen zu erreichen. Und sich als Haus öffnen, ganz so wie Sam Vernon es gemacht hat. Wir versuchen immer wieder, den Bogen zu den anderen Kulturorten der Stadt zu spannen. Als wir im letzten Oktober 60 Jahre Kunsthaus gefeiert haben und es unter anderem ein Symposium zur Kunst und Kulturpolitik gab, haben wir Kulturakteure von Initiativen wie den Hallo Festspielen, Imagine the City oder dem Gängeviertel eingeladen, um über die Situation der Stadt zu sprechen. Und das nächste Symposium ist schon geplant. Es ist uns wichtig, vor allem die Künstlerinnen und Künstler der Stadt, aber auch die alternative Szene und die Off-Spaces zu unterstützen und auch Anliegen wie Finanzierung, Planungssicherheit und Zukunftsaussichten zu diskutieren. Das Kunsthaus ist dabei nur ein Stellvertreter für andere Orte, die vielleicht nicht die Möglichkeit haben, das so öffentlich zu thematisieren.

Jakob Spengemann, Akinori Tao: While We’re Gone / Sam Vernon: Alter-Reservoir, noch bis zum 12. Mai 2024 im Kunsthaus

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 04/2024 erschienen.

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