Je Danse Donc Je Suis: Ich tanze, also bin ich

Mit der Party Je Danse Donc Je Suis präsentiert Florian Pfefferkorn alias Luc Le Truc seit 20 Jahren französische Lieblingshits. Ein Gespräch über frankophone Ausgehkultur, die Anfänge in der Weltbühne und eine große Jubiläumsparty Ende November im Nachtasyl
Je Danse
Französische Hits gefällig? Bitte schön: Je Danse Donc Je Suis (©ohne Credit)

SZENE HAMBURG: Florian, warum hat Hamburg vor 20 Jahren eine frankophile Partyreihe gebraucht?

Florian Pfefferkorn: Haha, gute Frage – es war ja sogar vor den großen Hypes um Stromae oder ZAZ, welche 2010 sicher noch mal alles beflügelten. Die „Mopo“ schrieb mal zu meiner frankophonen Band etwas, was vielleicht auch hier passt: „Ende der Neunziger Jahre besetzten ,Les Frères Checkolade‘ mit ihrem 80er Synthpop, gepaart mit klassischen Chansonelementen, eine Lücke im Hamburger Pop-Kosmos, von der man bis dato gar nicht wusste, dass es sie gibt.“

Seit wann bist du im hanseatischen Nachtleben aktiv?

In Hamburg fing alles mit dem Kir an, das war 1992. Kurz danach wurde die Rave- und Clubkultur ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Die ersten Partys veranstaltete ich Mitte der 90er-Jahre als Teil eines Kollektivs in der Roten Flora und unter der Kennedybrücke.

Wie kam es zur Je Danse-Gründung?

Als ein in Deutschland aufgewachsener, musikbegeisterter Halbfranzose wurde für mich die Musik das primäre Bindeglied zur französischen Kultur. Ich arbeitete die Sommer über bei meinem Onkel in Südfrankreich auf dem Weingut, kaufte dort auf den Flohmärkten kistenweise frankophone Schallplatten und fing an, diese in Kiezbars und bei Partys aufzulegen. In dieser Zeit freundete ich mich mit Alvaro Piña an und als er kurz darauf mit Tino Hanekamp die Weltbühne eröffnete, schlug er vor, das dort als Clubreihe zu starten. Ein Club am Ende der Reeperbahn, in Rot gehalten, mit kleinen Séparées im Stile eines etwas verruchten 20er-Jahre-Salons, wo sich ungewöhnliche Formate austoben konnten. Es gab Themenabende über den Müßiggang, Quiz- und Zaubershows, Punkkonzerte, Lesungen, Technopartys und Swingtanzkurse. Also der perfekte Ort, um eine französische Party mit offenen und unterschiedlichsten Gästen auszuprobieren, bei der ich musikalisch Grenzen ausloten und Klischees sprengen kann und vom Club große Freiheiten genieße – zum Beispiel die Party in magischen Nächten auch mal bis um 10 Uhr laufen zu lassen.

Völlig egal, wer, was, oder wie alt man ist

Florian Pfefferkorn

Der Bal Populaire als Vorbild

Wie schafft man es 20 Jahre durchzuhalten?

Haha, „durchhalten“ ist etwas hart formuliert. Ganz wichtig: eine Pause einlegen, wenn man anfängt, den Spaß daran und die Neugierde für neue Musik zu verlieren. Das Konzept macht es mir aber auch leicht, mit Liebe und Energie dabeizubleiben. Durch die verschiedensten Stilrichtungen hat jede Party ihren eigenen Charakter. Zudem entdecke ich auch dank meiner Radiosendung „Multiplication de l’Amusement“ auf FSK 93,0, in der ich seit 1999 monatlich vor allem aktuelle Musik vorstelle, ständig neue spannende Subgenres, Mikroszenen oder unbekannte Perlen. Aber natürlich spiele ich auch die großen Hits.

Nach der Weltbühne ging es ins Nachtasyl. Gab es weitere Stationen?

In HH gab es unter anderem Zwischenstopps im Gängeviertel und der MS Stubnitz. Je Danse fand aber immer auch deutschlandweit statt – an den unterschiedlichsten Orten, in den unterschiedlichsten Kontexten. Von privaten Promifeiern mit einem ehemaligen Bundespräsidenten als Gast bis zum Berliner Technoclub Sisyphos. Die entferntesten Stationen waren Toronto und Los Angeles.

Was erinnerst du von der ersten Party?

Ich erinnere, dass wir überhaupt keine Vorstellung davon hatten, was uns erwartet. Eine „frenchy“ Party ist ja erst mal ein sehr weites Feld mit unterschiedlichsten Projektionsmöglichkeiten. Was uns dann beeindruckte, war die Diversität des Publikums. So wie ich es vom französischen Bal Populaire kannte, wo einfach das gesamte Viertel oder Dorf miteinander tanzt, völlig egal, wer, was, oder wie alt man ist. Das Schönste für mich war, als am frühen Morgen ein paar philippinische Matrosen auf Landgang reinkamen und sich wie Kinder gefreut haben.

Tanzen ist mehr

Lebt in Südfrankreich: Florian Pfefferkorn (©ohne Credit)

Was genau steckt hinter dem Namen Je Danse Donc Je Suis?

… das perfekte Party-Motto! Die Lust am Tanzen, sich frei, leicht und somit am Leben fühlen. Na ja, und so heißt ein Song von Brigitte Bardot.

Wenn du zwei Lieblingsanekdoten aus dieser Zeit erzählst, welche sind das?

In einer Phase in der ich ausgelaugt war und überlegte aufzuhören, tauchte plötzlich eine junge, wilde Clique auf, die das richtig zelebrierte und auch mal in Frack und Abendgarderobe kam. Sie blieben bei jeder Party geschlossen bis zum Ende und verzauberten die Tanzfläche, wie mich, mit so viel Enthusiasmus und Leichtigkeit, dass ich wieder völlig angeknipst war – bis heute! Als ich das erste Mal auf der Fusion spielte, legte ich in einem Hangar vier Stunden Liebeslieder auf. Ein Freund erzählte anschließend, auf der Tanzfläche hätte die Luft krass geknistert, was bei ihm dazu führte, dass er dort erst heftig mit einem Typen flirtete und sie dann nebenan in einen Verschlag verschwanden, wo ich den perfekten Soundtrack zu ihren, äh, Intimitäten geliefert hätte.

Zurzeit lebst du in Südfrankreich, kennst auch das Nachtleben von Paris. Wie unterscheidet sich die Ausgehszene an der Seine zu der an der Elbe?

Spontan fallen mir zwei Dinge ein. Zunächst, was ich schon vorhin mit dem Bal Populaire ansprach: Tanzen ist viel mehr als bei uns etwas, das man auch generations- und klassenübergreifend gemeinsam macht. Es gibt einfach Klassiker, die wirklich alle kennen und mitsingen können. Ich hatte viele Jahre Familie in Paris. Ich bin dort aber immer seltener in Clubs gegangen, weil es mich nervte, wie das Tanzengehen für die meisten ausschließlich dem „draguer“, anbaggern, diente. Inzwischen hat sich das gebessert. Viele haben in Berlin die Erfahrung gemacht, dass Clubbing auch anders geht und das nach Paris oder Marseille mitgenommen.

Ein toller Abend für alle

Was genau ist für die große Jubiläumsparty Ende November geplant?

Nachdem zum 10. Geburtstag Stereo Total gespielt und das Nachtasyl zum Explodieren gebracht haben, wollten wir nicht versuchen, das konzertmäßig zu toppen. Diesmal fokussieren wir uns auf die Party – nach meinem Set wird das Franko-Berliner DJ-Team Minijob übernehmen und mit sonnendurchflutetem Disco, House und Electro auf jeden Fall für glückliche Gesichter und wackelnde Popos bis in den Morgen sorgen. Um für eine lange Tanznacht gewappnet zu sein, gibt es zudem ein Mitternachtsbuffet mit Leckereien aus Frankreich. Die Reise in den frankophilen Musikkosmos beginnt aber mit einem von unseren Freunden und Lieblings-Cuisiniers von „Foutah Djallon“ kreierten Willkommensdrink.

Welche Gäste wünscht du dir?

Neugierige, offene, respektvolle, wilde, melancholische, exzentrische, schüchterne, risikofreudige, … das häufig benutzte Wort „divers“ soll hier keine Floskel sein. Ich denke, je weniger man den Codes einer homogenen Peer-Group entsprechen muss, desto eher geht es um den kleinsten gemeinsamen Nenner: Miteinander einen tollen Abend zu verbringen.

Und was für die nächsten zwanzig Je Danse-Jahre?

Wir werden weiterhin alles dafür tun, dass niemand vergisst: L’ouverture d’esprit peut faire passer les choses à un niveau supérieur!

Den nächsten Club Je Danse gibt es am 29. November 2024 ab 22 Uhr im Nachtasyl

Diese Interview ist zuerst in SZENE HAMBURG 11/2024 erschienen. 

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