Jenseits von Eden

Das Epos in 100 Minuten überraschte, auch weil die Theateradaption die berühmten Buch- und Filmvorlagen fast vergessen machte

Der gleichnamige Film machte James Dean zum ewigen Rebellen und unvergessen. Doch die Bühnenversion von Ulrike Syha bezieht sich auf das epische Werk von John Steinbeck. Da stellte sich im Vorfeld die Frage, wie die weit angelegte Familiensage in einen rund 100-minütigen Theaterabend reinpassen kann? Die Inszenierung am Altonaer Theater unter der Regie von Harald Weiler schafft in dieser Zeitspanne einiges. Allerdings nicht ohne Abstriche in der Tiefe der Charaktere und Handlung hinzunehmen. Der eigentlich sehr zentrale Bruder- und Vater-Sohn-Konflikt taucht fast nur am Rande auf, dafür beherrscht Cathy Ames, vor allem nach der Pause, das Geschehen.

Die egozentrische Frau von Adam Trask wird von Nadine Nollau eindringlich verkörpert, vor allem die Eiseskälte, mit der sie die Farm ihrer Eltern und diese gleich mit abfackelt, ihren Mann betrügt und ihre gerade geborenen Zwillinge Aron und Caleb verlässt. Adam Trask (Markus Frank) ist geprägt von seiner Liebe zu Cathy und ihrem Verrat, als sie ihn sitzenlässt, um in einem Bordell zu arbeiten. Sein Kampf danach zurück ins Leben dauert mehr als zehn Jahre lang: Adam verfällt in Lethargie, lässt sein Farmland verkommen und seine Söhne müssen alleine groß werden: Aron verschreibt sich als junger Mann dem Glauben und Caleb (leidenschaftlich gespielt von Timon Ballenberger) rebelliert gegen die Konventionen.

Im Vergleich zu seinem moralisch integeren Bruder, fühlt sich Caleb unzulänglich und vom Vater vernachlässigt. Doch dem Bruderkonflikt fehlt hier die Wucht des Gleichnisses von Kain und Abel, das Steinbeck Pate für diese Beziehung stand. Und das im Stück mit dem berühmten Tizian-Gemälde vom Brudermord, das die gesamte Bühnenrückwand füllt, wirkungsvoll angekündigt wird.

Die Geschichte, über zwei Generationen vor dem Hintergrund amerikanischer Historie, wird von den beiden Erzählern (Sascha Rotermund und Jonas Anders) zusammengehalten, Zeitsprünge verständlich weitergeführt. Zwischendurch greifen die zwei zur Gitarre oder Mundharmonika und sorgen, neben Songs von Nancy Sinatra oder John Grant, immer wieder für stimmungsvolle Momente.

Insgesamt ist die Inszenierung absolut sehenswert: Eine in sich runde Erzählung mit dramatischen Höhepunkten, in denen sich die schmerzhafte Entwicklung der einzelnen Figuren entlädt. Dabei werden Fragen aufgeworfen, die heute noch genauso aktuell sind wie 1952, als der Roman erschienen ist: „Was trägt der Mensch an guten und bösen Anteilen in sich und was wird von der Sozialisation geformt?“ In dem Stück heißt es: „Du kannst über dein Schicksal herrschen.“ Doch die Handlungen der einzelnen Figuren bedingen sich immer wieder gegenseitig, ihre Entscheidungen sind beeinflusst von Angst, Hass und Liebe, sodass die Frage bleibt: Wie frei ist der Mensch tatsächlich?

/ Kritik von Hedda Bültmann erschienen 02/2016 in SZENE HAMBURG

Altonaer Theater, Premiere: 17.1.2016

Fotos: G2 Baraniak

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