Tagein, tagaus wirbeln knapp zwei Millionen Menschen durch Hamburg. Wir fischen sie für einen Moment aus ihrem Alltag und lauschen ihren Geschichten. Diese Woche sind wir Johanna begegnet.
Protokoll: Max Nölke
„Kinder haben keine Maske auf, sie sind offen und ehrlich, du bekommst direkte Rückmeldungen. Und oft passieren Dinge, die dein Herz so sehr erwärmen. Neulich hat ein kleines Mädchen ein Bild gemalt, auf dem nur ein Himmel und eine Wiese zu sehen waren, dazwischen war nichts. Ich habe sie gefragt, ob sie etwas zu dem Bild erzählen möchte und dann meinte sie: ,Ja, ich habe ein Menschenleben gemalt.‘ Das fand ich so krass, so wunderschön.
Ich bin Erzieherin, weil ich manches anders machen will, als ich es erlebt habe. Auch wenn ich den Begriff schwierig finde. Wer bin ich, dass ich jemanden erziehen, einem Kind zeigen kann, wo es langgeht. Es geht vielmehr darum, die Welt gemeinsam zu entdecken. Ich glaube, Erwachsene haben bloß einen Erfahrungsvorsprung und begleiten Kinder bei ihrer Entwicklung. Dabei sind Kinder ihre eigenen Konstrukteure.
Unter Druck
Als ich Kind war, habe ich immer wieder autoritäre Systeme erlebt, vor allem in den Bildungseinrichtungen, was auch dazu beigetragen hat, dass ich mich viel unter Druck gesetzt habe. Daher will ich den Kindern beim Großwerden helfen, wie ich es auch lieber erfahren hätte. Indem ich eher auf ihre Individualität acht gebe. Heißt, sie sollen wirklich das machen, was sie interessiert.
Um das für mich herauszufinden, was ich eigentlich möchte, bin ich viele Wege gegangen. Ich bin häufig umgezogen und immer, wenn ich woanders hingezogen bin, dachte ich: Dort wartet das Glück auf mich. Heute bin ich reflektierter und glaube, das Glück immer mal wieder gefunden zu haben. Du musst ihm eben auch einen Stuhl hinstellen. Und irgendwann passt man seine Erwartungen auch an. Dann weiß man, dass bestimmte Dinge so nicht mehr passieren werden. Es gab Zeiten, da habe ich mich sehr einsam gefühlt. Momentan ist das anders und vieles fühlt sich sehr gut an.
Zuletzt habe ich in einer stationären Jugendhilfe gearbeitet und da wird man sehr demütig und dankbar, was das eigene Leben anbelangt. Man erfährt, dass es Kindern wirklich schlecht gehen kann. Was ich denen immer gesagt habe, ist, dass kein Gefühl für immer bleibt. Teilweise ist das eine traurige Erkenntnis, manchmal ist es aber auch sehr erleichternd, das zu wissen.“