Die Hamburger Kinos brauchen dringend Unterstützung. Mit Kino on Demand und Grandfilm gibt es gleich zwei Online-Plattformen, die ihre Gewinne mit den lokalen Kinos teilen – eine gute Alternative zu den großen Streaming-Anbietern. Hier sind einige Empfehlungen
Text: Marco Arellano Gomes
Apocalypse Now – Final Cut
Coppolas Meisterwerk in neuer Fassung
Regielegende Francis Ford Coppola hat an seinem legendären Kriegsfilm von 1979 ein letztes Mal die Schere angelegt – zumindest, wenn man dem Zusatz „Final Cut“ Glauben schenken mag. „Apocalypse Now“ ist ein Highlight der Filmgeschichte. Mindestens so legendär wie der Film ist auch seine Entstehung, die von einem überzogenem Budget, Chaos am Drehort und Schauspielern im Drogen- rausch handelt. Die finale Fassung dieses Monumentalfilms – 2001 gab es bereits die 49 Minuten längere Redux-Version – kam vergangenes Jahr, pünktlich zum 40-jährigen Jubiläum in ausgewählte Kinos. Wer das verpasst hat, kann es nun nachholen.
Der Film, der lose auf der Romanvorlage von Joseph Conrad („Herz der Finsternis“) basiert, zeigt den für Spezialeinsätze zuständigen Captain Willard (Martin Sheen), der im Auftrag der US-Army mit einem von vier Männern besetzten Patrouillenboot einen Fluss in Vietnam bis tief in den Urwald hinauffährt, um den exzentrischen, offenbar verrückt gewordenen Colonel Walter Kurtz (Marlon Brando) zu liquidieren. Was folgt, ist ein Trip mitten in das Herz der Finsternis. Warum sich das lohnt? Weil der Film auch in dieser Version in der ersten Liga spielt, weil Bild und Ton klarer und wuchtiger denn je daherkommen, und weil die Reise mit Captain Willard durch die Wirren des Krieges eine Erfahrung mit visueller und erzählerischer Wucht ist, die bis heute ihresgleichen sucht.
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LaLaLand
Ein Film zum Träumen, Singen und Verlieben
Mia (Emma Stone) und Sebastian (Ryan Gosling) sind Träumer. Mia möchte Filmschauspielerin werden, Sebastian eine klassische Jazz-Bar eröffnen. Bis es so weit ist, schlägt sie sich in einem Coffeeshop durch, während er sein Geld mit kleinen Musikdarbietungen in Restaurants, Bars und Gartenpartys verdient. Auf einer solchen Party laufen sich die beiden dann über den Weg – zum dritten Mal, wohl bemerkt! Das kann in einer Millionenmetropole wie Los Angeles kein Zufall sein, mutmaßt Sebastian. Und so kommen sich die beiden Tanzschritt für Tanzschritt näher. Das erinnert nicht zufällig an Musicalfilme wie „The Band Wagon“ (1953). Hier wie dort folgt auf einen Spaziergang eine plötzliche Tanz- und Gesangseinlage. Hier wie dort dient die Großstadt als Kulisse. Beim Klassiker sind es Fred Astaire und Cyd Charisse in New York. In diesem Fall sind es Gosling und Stone in Los Angeles.
Die Stadt der Träume – was könnte passender sein? Regisseur Damien Chazelle lässt seine Protagonisten gemeinsam tanzen, singen und träumen – und der Zuschauer lässt sich von der einprägsamen Musik, den eleganten Tanzeinlagen und den verspielten Kulissen ebenso verzaubern wie vom harmonischen Schauspiel. Selten wurde das Gefühl, sich zu verlieben, so überzeugend dargestellt, – und so ertappt man sich in einer fantasievollen Szene dabei, wie man gemeinsam mit den Darstellern Richtung Sternenhimmel abhebt. Wie im echten Leben auch, ist aber kein Höhenflug von Dauer.
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Woody Allen – A Documentary
Wie aus dem Komiker der Kultregisseur Woody Allen wurde
Schreiben fällt Allen Stewart Konigsberg – alias Woody Allen – schon immer leicht. Bereits als Schüler verfasst er unterhaltsame Texte, die an die lokalen Zeitungen verkauft werden. Später schreibt der schmächtige jüdische Junge aus Brooklyn Gags für Comedians – und zwar so gut, dass er mehr als seine Eltern verdient. Das Showbusiness zieht ihn sofort in den Bann. Es dauert nicht lang, bis er selbst eine Karriere als Komiker und Entertainer startet. Er versteht es, die Menschen zum Lachen zu bringen. Es folgt sein Einstieg in das Filmgeschäft. Während seine ersten Filme vor allem durch Komik und Slapstick gekennzeichnet sind („Was gibt’s Neues, Pussy?“, „Bananas“), bildet sich in der mittleren Schaffensperiode ein tragisch-komödiantischer Fokus heraus, der zu ersten Meisterwerken („Der Stadtneurotiker“, „Manhattan“) führt.
In seiner späteren Schaffensphase überzeugt Allen mit Filmen, die zur Abwechslung nicht in New York, sondern in den Metropolen Europas spielen („Match Point“, „Midnight in Paris“). Robert B. Weides Filmbiografie „Woody Allen: A Documentary“ zeichnet eine Karriere von mehr als fünfzig Jahren durch Filmausschnitte und Erzählungen wichtiger Weggefährten und -gefährtinnen nach. Auch Woody Allen kommt zu Wort – und führt den Zuschauer durch die Straßen seiner Kindheit. Fast zwei Jahre hat Weide den scheuen Regisseur begleitet – dennoch ist der Mensch Woody Allen nicht so recht zu greifen.
Künstler (Regisseur, Drehbuchautor, Schauspieler) und Kunstfigur Woody Allen verschwimmen zu einer Person. Zwar gibt es spannende Einblicke in seine privaten Räumlichkeiten. Highlight: Woody Allen am Schreibtisch mit seiner Olympia, die er sich als 16-Jähriger kaufte. Auf dieser deutschen Schreibmaschine, die so zuverlässig funktioniere „wie ein Panzer“ hat Allen bis zum heutigen Tag jedes Drehbuch geschrieben. Und das fällt ihm, wenn man sich den Output an Filmen vor Augen führt (51 Filme in 55 Jahren), wohl noch immer leicht.
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Fridas Sommer
Sensibler Film über die Einsamkeit eines Kindes
Es ist Sommer 1993 in Barcelona, doch der sechsjährigen Frida (Laia Artigas) ist nicht zum Spielen und Herumtollen zumute. Ihre Mutter ist kürzlich verstorben. Ihr Vater lebt schon länger nicht mehr – und so schaut sie schweigend zu, wie die letzten Gegenstände aus der Wohnung in das Auto gebracht werden, das sie zu Onkel und Tante aufs Land bringen soll. Zum Abschied laufen einige ihrer Freunde noch dem Auto hinterher, winkend, einige Worte des Abschieds hinterherrufend. Frida hingegen schaut regungslos durch die Heckscheibe und wendet sich, keine Miene verziehend, nach vorn.
Auch ihrer „neuen“ Familie gegenüber, die sie liebe- und verständnisvoll empfängt, verhält sie sich zu Beginn wortkarg und zurückhaltend. Nur zögerlich lässt sie sich auf die neue Umgebung ein, hüpft mit ihrer jüngeren Cousine Anna (Paula Robles) durch den Garten und die Dachkammer und erkundet einen nahe gelegenen Wald.
Immer wieder bricht die Traurigkeit in Frida aus, wie eine nicht zu bändigende Naturgewalt. Sie verhält sich unvorhersehbar, launisch und trotzig. Die lebendige, atmende Kameraarbeit von Santiago Racaj verstärkt diesen Effekt und bringt einem die Perspektive von Frida nahe. Ihre Tante Marga (Bruna Cusí) und ihr Onkel Esteve (David Verdaguer) stehen vor einer unvorhergesehenen Herausforderung. Wird Frida sich an ihr neues Zuhause gewöhnen und den inneren Frieden finden?
Die sensibel erzählte Geschichte der Regisseurin Carla Simón betont die treibende Kraft der Neugierde, und Naivität im Umgang mit tragischen Ereignissen. 2018 wurde der Film mit diversen Filmpreisen ausgezeichnet (u. a. mit dem spanischen Filmpreis Goya). Zu Recht: „Fridas Sommer“ ist ein einfühlsames Plädoyer für die Kraft des Zuhörens, Verstehens und Zulassens von Gefühlen.
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Mein liebster Stoff
Junge Frau zwischen Hoffnung und Freiheit
Damaskus, Frühjahr 2011. Der Bürgerkrieg hat begonnen. Aus dem hoffnungsfrohen Protest im Rahmen des Arabischen Frühlings wird ein bedrohlicher Konflikt, dessen Verlauf und Dauer noch niemandem bewusst ist, aber bereits in den Köpfen spukt. Es wird unübersichtlich und ungemütlich in Syrien. Doch noch scheint Damaskus weit davon entfernt zu sein.
Nahla (Manal Issa), eine 25 Jahre junge, launische Frau hat die Chance mit ihrer Familie dank einer arrangierten Ehe mit Samir (Saad Lostan), einem syrischen Exilanten in Amerika, das Land zu verlassen. Sie fühlt sich hin- und hergerissen, zwischen der Hoffnung, dem drohenden Konflikt zu entkommen und dem Wunsch nach Selbstbestimmtheit.
Als Samir schließlich ihre jüngere Schwester Myriam (Mariah Tannoury) wählt, entscheidet sich Nahla, die Nähe ihrer neuen Nachbarin, der mysteriösen Madame Jiji (Ula Tabari), zu suchen. Das ist der Stoff, der gesellschaftliche Sprengkraft besitzt. Die in Paris lebende und arbeitende syrische Filmemacherin Gaya Jiji feierte mit ihrem 94-minütigen Langfilmdebüt 2018 in Cannes Premiere. Ihr Film ist subtil und doch aufwühlend.
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