FAQ. Anastasia Umrik nimmt selten ein Blatt vor den Mund. Als Bloggerin schreibt sie über das Leben und kennt die Unsicherheiten, die manche Menschen haben, wenn sie die 30-Jährige das erste Mal sehen. „Dass ich im Rollstuhl schreibe, ist nur relevant, wenn man sich mit mir auf einen Kaffee treffen will“, sagt sie. Warum Political Correctness nervt und ob sie auch mit einem Bier intus noch Rollstuhl fahren darf, erzählt sie selbst.
Können Menschen mit Behinderung Sex haben?
Das ist wahrscheinlich die am häufigsten gestellte Frage. Und die Antwort ist recht simpel, aber ehrlich: JA! Je nach Behinderungsart besteht (vielleicht!) eine körperliche Einschränkung, die euch beide zum Umdenken bewegen wird, aber im Grunde genommen ist es wie bei jedem anderen Menschen auch: Wenn die Chemie stimmt, wenn die Anziehung vorhanden ist, dann steht einer körperlichen Annäherung nichts mehr im Wege. Einfach mutig sein und baggern, was das Zeug hält! Was hat man schon zu verlieren?
Wie sage ich einem Menschen mit sichtbarer Behinderung „Hallo“?
Vielleicht denkst du, dass es eine ziemlich „dumme“ Frage ist und schämst dich sogar dafür. Ich kann dich beruhigen: Sogar ich stelle sie mir manchmal, insbesondere wenn mir Menschen mit einer mir noch recht unbekannten Behinderung gegenüberstehen – zum Beispiel Blinde oder Menschen mit einer starken Sprachbehinderung. Nun, da muss man einfach durch. Handle so wie immer und strecke selbstbewusst deine Hand hin. Es ist in der Verantwortung des Menschen mit Behinderung, dir zu sagen, wenn du etwas anders machen sollst. Du kannst schließlich nicht alles wissen.
Dürfen Rollstuhlfahrer Alkohol trinken und dann auch noch fahren?
Na klar ..! Es gibt kein Gesetz, das offiziell das Trinken am „Rollstuhl-Steuer“ verbietet. Was du dabei beachten solltest? Pass auf deine Füße auf. Es kann nämlich sein, dass der/die RollstuhlfahrerIn dir aus Versehen im Suff drüberfährt. Aber wenn ihr gemeinsam einen Schnaps trinkt, dann lässt sich der Schmerz schnell vergessen. Prost!
Muss ich immer helfen / nett sein?
Möchtest du nett sein und helfen? Wenn deine Antwort „Ja.“ lautet, dann folge bitte auch weiterhin deinen Ansprüchen und Werten – die gute Erziehung deiner Eltern soll nicht umsonst gewesen sein. Lass dich nicht verunsichern, wenn irgendjemand deine Hilfe unhöflich abwehrt. Es ist nicht dein Problem, du bist lediglich deinem Instinkt gefolgt. Das Gleiche gilt, wenn deine Antwort „Nein.“ lautet. Wenn du siehst, dass der/die RollstuhlfahrerIn offensichtlich Hilfe braucht – bleib sitzen, tu so, als hättest du es nicht gesehen. Weil du es bei allen anderen Menschen auch so gemacht hättest. Wenn Inklusion, dann richtig! Oder?
Warum kenne ich keine Menschen mit Behinderung?
Tja … gute Frage! Es muss nicht zwingend deine alleinige Schuld sein. Vielleicht wohnst du in einer sehr stufenreichen Gegend oder die Orte, die du besuchst, sind im Keller? Vielleicht hattest du bisher aber auch einfach nicht die Gelegenheit, mit einem Menschen mit Behinderung zu sprechen oder hast sogar doofe Erfahrungen gemacht, als du in Kontakt treten wolltest? Es ist nicht wichtig, was bisher der Grund dafür war. Wichtig ist, dass es sich ab sofort ändert – wenn du es möchtest.
Was hab’ ich von der Inklusion?
Die Krux liegt darin, dass es gerade in Mode ist zu denken, die Inklusion sei etwas, das nur Menschen mit Behinderung betrifft. Stimmt aber gar nicht!
Inklusion betrifft alle – wirklich A L L E! Alte, Junge, Männer, Frauen, Dicke und Dünne, Schlaue und nicht so Schlaue, Weiße, Schwarze, Kleine und Große … und, na ja, eben auch die Menschen mit einer Behinderung. Findest du dich in einem der oben erwähnten Worte wieder?
Das hast du von der Inklusion!
Wie leben Menschen mit Behinderung? Wie kann ich mir das vorstellen?
In erster Linie sind Menschen mit Behinderung einfach nur „Menschen“, und Menschen sind sehr vielfältig. Sie hören unterschiedliche Musik, mögen unterschiedliches Essen, und sie leben sehr verschieden. Deren Jobs sind unterschiedlich, manche arbeiten gar nicht. Viele wohnen sehr selbstständig und selbstbewusst, einige trauen sich nicht in das echte Leben hinein. Einige sind eher impulsiv und laut, manche schüchtern und introvertiert. Nichts von deren Eigenschaften hat mit der Behinderung zu tun. Menschen halt – und Menschen sind manchmal auch seltsam.
Auf diese Frage gibt es leider nicht DIE Antwort. Weil es nicht DEN Menschen mit Behinderung gibt. Sorry.
Bin ich vielleicht auch behindert?
Ja, vielleicht.
Was mache ich, wenn ich mich in eine/n behinderte/n Mann / Frau verliebe?
Was gibt es Schöneres, als die Schmetterlinge im Bauch zu spüren, der erste Kuss, das Warten auf ein Wiedersehen ..? Hey, go for it! Und scheiß’ drauf, was andere sagen oder denken könnten!
Immer diese Political Correctness … nervt! Was darf man sagen, was nicht?
Ja, das kann ich verstehen. Mich nervt es auch ständig, aufpassen zu müssen, was und wie man denn nun sagen darf. Es gibt ein paar Regeln, die stehen auch im Knigge, wie man mit Menschen umgehen sollte; bleib einfach höflich, nett, und entspannt. Denk nicht zuuu viel nach beim Reden, es bremst nämlich den Redefluss. Sei du, sei durchschnittlich nett, und dann passt es schon!
/ Text: Anastasia Umrik
/ Foto: Philipp Jung
Mehr Geschichten rund um das Thema Inklusion gibt es in unserem Special „Vielfalt leben“, das zusammen mit der Dezember-Ausgabe der SZENE HAMBURG erschienen ist. Hier geht’s zur ersten Ausgabe aus Juni 2017.