Der 8. März ist „Weltfrauentag“. Wie in jedem Jahr wird demonstriert, doch ein Tag voller Symbolik reicht längst nicht mehr – ein Kommentar
Kommentar: Felix Willeke
Heute schon „Solidarisch aktiv für Frauen*rechte!“ am Clara Zetkin Denkmal in Berlin-Hellersdorf gewesen? Oder den freien Tag bei einem Kaffee an der Spree genossen? Berlin ist schließlich das einzige Bundesland, an dem der 8. März ein Feiertag ist. Genauso wie am Tag der Arbeit wird heute am „Weltfrauentag“ in der Hauptstadt und anderen Städten demonstriert – in Hamburg gibt es ab 16:30 Uhr unter dem Motto „Überlastet, ungesehen, un(ter)bezahlt“ einen Sternmarsch zur Abschlusskundgebung am Jungfernstieg (18:30 Uhr).
21 Prozent Unterschied
Doch wofür demonstrieren? Wer sich das ernsthaft im Jahr 2022 noch fragt, wofür demonstriert wird, lebt wahrscheinlich hinterm Mond (der, maskulin). Man stelle sich vor, der Vorgesetzte biete einem morgen 21 Prozent mehr Gehalt an. Das wären bei 2.500 Euro auf einen Schlag über 500 Euro mehr. Ein wahnsinniger Sprung und echt viel Geld. Stellen wir uns vor, alle Führungskräfte gehen heute auf ihre weiblichen Angestellten zu und geben ihnen 21 Prozent mehr Gehalt als den männlichen Kollegen. Ab sofort. Der Aufschrei wäre riesig, es würde protestiert und „Männerfeindlichkeit“ geschrien. Doch, liebe Männer und liebe Führungsetagen, umgekehrt ist das Ganze schon lange Realität. Vor Corona verdienten in Hamburg Frauen im Durchschnitt 21 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Damit arbeiteten sie von Jahresbeginn bis zum 7. März 2022, dem Equal Pay Day, quasi umsonst.
Keine Blumen und Rabattcodes
Einer der Gründe für diesen krassen Unterschied steckt schon im Motto der Demonstrationen in Hamburg: „Überlastet, ungesehen, un(ter)bezahlt“. Neben den fehlenden Frauen in Führungspositionen arbeiten viel mehr Frauen als Männer in Teilzeit oder schlecht bezahlten Jobs. In Pflege- und Sorgeberufen sind es zum Teil über 90 Prozent Frauen. Deswegen streiken auch bewusst am 8. März 2022 viele Angestellte in den Hamburger Kitas. Ein gutes Zeichen, aber nicht genug. Berlin zeigt, wie die Aufmerksamkeit für den 8. März größer werden kann. Mit Symbolik allein ist es nicht getan – es braucht keine Blumen und Rabattcodes. Es braucht Geschlechtergerechtigkeit, das Ende der Rollenklischees, keinen Gender Pay Gap und die gendergerechte Sprache. Vielleicht wäre, wie es die Autorin Emilia Roig vorschlägt, ein neuer Name der erste Schritt: Aus dem „Weltfrauentag“ wird so der Anti-Patriarchatstag – und das jeden Tag.