Nach der Krise ist vor der Krise: Die explodierenden Energiepreise treffen jetzt auch Clubs, Museen und Theater. Die Branche ist alarmiert, nicht aber hoffnungslos
Text: Andreas Daebeler
Grelle Leuchtreklame überm Eingang. Drinnen zucken Blitze, Spots kreisen und Bässe lassen den Boden vibrieren. So geht Club, Musikkultur, wie viele von uns sie lieben. Doch das alles kostet Geld. Und zwar immer mehr davon. Ein Grund ist die Energiekrise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Hamburgs Kultur steht nach mehr als zwei Jahren Pandemie mit all ihren Herausforderungen vor der Krise 2.0. Eine weitere Kraftprobe. Die Branche ist alarmiert. Es gibt Existenzängste. Aber auch Hoffnung. Und positive Signale, weil Krise erfinderisch macht, das Bewusstsein im Umgang mit Ressourcen womöglich nachhaltig schärft. Eine Bestandsaufnahme.
Geht das denn schon wieder los? Diese Frage wird sich mancher im Kulturbetrieb grad stellen. Jetzt, da nach kurzem Durchatmen und Ausklingen des Corona-Blues erneut die Diskussion über Relevanz von Kultur aufflammt. Und die Frage gestellt wird, wo und wie der Staat eingreifen und finanziell unterstützen sollte. Carsten Brosda will keinen Zweifel aufkommen lassen. „Wenn Schieflagen entstehen, werden wir mit Liquiditätshilfen eingreifen. Kein Kulturbetrieb soll schließen müssen“, twittert Hamburgs Kultursenator. Worte, die Veranstalter, Künstler und Clubchefs auf die Goldwaage legen werden. Für sie geht’s um nicht weniger als die Existenz.
Um Preiserhöhungen kommt niemand mehr herum
Carolin Schwarz vom Clubkombinat Hamburg hat klare Vorstellungen: „In den letzten zwei Jahren haben die Clubs Kreativität und Flexibilität bewiesen und nicht nur Vorgaben umgesetzt, sondern auch Konzepte entwickelt, um den Laden am Laufen zu halten.“ Engagement, das angesichts steigender Energiepreise und Folgekosten wieder gefragt sei. „Gucken, was in den eigenen vier Clubwänden bautechnisch und finanziell möglich ist.“ Und auf Unterstützung setzen: „Ein möglicher Anreiz seitens der Politik wäre zum Beispiel ein Energiekosten-Deckel, der 90 Prozent der Mehrkosten übernimmt“, so Schwarz.
Dass es bei Energie nicht nur um Licht, Beschallung und angenehme Temperaturen geht, bekommen Fans des Kult-Clubs Logo grad zu spüren. Sie müssen um die 50 Cent mehr pro Getränk zahlen. Hintergrund: Preiserhöhungen der Produzenten und Lieferanten, mit denen „Um Preiserhöhungen kommt über kurz oder lang niemand mehr herum“ Andi Schmidt, Molotow 12 Stadtleben auf steigende Kraftstoffpreise reagiert wird. „So sehr wir uns bemüht haben diese Entwicklung auszusitzen, müssen wir jetzt leider mit einer maßvollen Preiserhöhung reagieren“, heißt es von der Grindelallee. Und weiter: „Wir kommen um diesen Schritt leider betriebswirtschaftlich nicht herum.“
Herausforderungen auch im Knust und Molotow
Karsten Schölermann, Geschäftsführer des Knust, will nicht gleich von Existenzangst sprechen. Er könne zur Not auch noch im Supermarkt arbeiten. Was ihn umtreibt, nennt er lieber Kulturangst. „Die Vielfalt des Hamburger Clubangebotes ist aktuell gefährdet. Wir haben die Bühnen durch die Pandemie bekommen. Nun scheitern wir an den explodierenden Betriebskosten.“ Im Knust rechne er mit monatlich 1.500 Euro zusätzlich für Strom, und etwa 1.000 Euro pro Monat für Heizung. „Dafür müssten wir erheblich an unseren Mietkonditionen schrauben, also die Location für Fremdveranstalter teurer machen. Oder einen Energie-Euro auf den Eintrittspreis draufschlagen.“
„Um Preiserhöhungen kommt über kurz oder lang niemand mehr herum“, mutmaßt auch Molotow-Betreiber Andi Schmidt, zumal für den Herbst erneut Corona-Maßnahmen drohten und derzeit eh kaum Konzerttickets verkauft würden. Allerdings gebe es auch Anlass zur Hoffnung, denn die Branche sei in den vergangenen Jahren sehr unterstützt worden. „Ohne die Hilfen hätten wir jetzt schon eine sehr kahle Club- und Kulturlandschaft“, sagt Schmidt.
Kulturbehörde sieht eine existenzielle Belastung
Geht’s ums Geld, hat der Bund schon mal vorgelegt. Und angekündigt, dass Restmittel aus dem Corona-Sonderfonds für Hilfen in der Energiekrise genutzt werden. Aktuell steht von den ursprünglich 2,5 Milliarden Euro noch rund eine Milliarde Euro zur Verfügung. Profitieren könnten auch Theater. Und große Häuser wie die von einer Betreibergesellschaft geführten Elbphilharmonie und Laeiszhalle. Bei denen wird befürchtet, dass sich das ohnehin schon bei 2,6 Millionen Euro liegende Defizit wegen steigender Preise verdoppeln könnte. Gespart wird bei der Elphi bereits, etwa bei der Beleuchtung in Foyers und Plaza. Auch Ticketpreise wurden erhöht. Aus der Kulturbehörde ist zu hören, dass die derzeitige Entwicklung dennoch zu „einer existenziellen Belastung“ werden könne.
Das Thema wird bleiben – Perspektiven in Sicht
Kultur ist jedoch nicht nur dort betroffen, wo Tickets verkauft, Bilder bestaunt und Konzerte bejubelt werden. Es gibt Nischen, die nicht jeder sofort auf dem Schirm hat. So hat etwa auch das Rockbüro Hamburg, das sich um Proberäume für Bands kümmert, zu kämpfen. „Wir sind vollumfänglich betroffen“, sagt Geschäftsführer Florian Dieckmann. Er denke aktuell über ein Genossenschaftsmodell nach, um krisenfester zu werden. Ein Ansatz, der in die Zukunft weist. Wie auch energetische Sanierungen am Schauspielhaus, Umrüstungen auf LED am Ohnsorg und ein Programm für Klimaneutralität auf Kampnagel. Nicht zu vergessen das bundesweit einzigartige Pilotprojekt „Elf zu null“, mit dem die Hamburger Museen und Ausstellungshäuser seit Kurzem ein Zeichen für Nachhaltigkeit und Betriebsökologie setzen. Und somit über die derzeitige Krise hinausdenken.
Denn fraglos wird die Endlichkeit von Ressourcen unabhängig vom Ukraine-Krieg Thema bleiben. Das weiß auch Carolin Schwarz vom Clubkombinat. Darum sei das Thema Nachhaltigkeit Kernpunkt des Projekts „Zukunft feiern“. „Es geht um den Austausch und die Entwicklung von Ideen, um die Energie- und Ressourcenverbräuche zu senken“, so Schwarz. „Wir arbeiten daran, eine kostenlose Energieberatung für die Clubs zur Verfügung stellen zu können.“ Dann wäre zumindest eines nicht mehr teuer – guter Rat. Ein Anfang.