Topalian & Milani, der „Verlag für schöne Bücher“, legt mit den eher weniger bekannten Zweig-Novellen „Buchmendel“ und „Die unsichtbare Sammlung“ zwei brillante Neuerscheinungen vor.
Stefan Zweig gehört ohne Zweifel zu den größten Schriftstellern, die Europa hervorgebracht hat. Seine psychologisch präzisen Romane gehören noch heute zu den weltweit meistgelesenen Werken eines deutschsprachigen Autoren. Doch auch Zweigs kleinere Werke sind mehr als lesenswert.
Der erst 2015 gegründete Verlag Topalian & Milani,der sich völlig zurecht „Verlag für schöne Bücher“ nennt, setzt dem großen Europäer mit der liebevollen Neuauflage zweier seiner eher weniger bekannten Novellen nun eine gebührende Hommage: „Buchmendel“ und „Die unsichtbare Sammlung“.
„Buchmendel“ aus dem Jahre 1929 erzählt die tragische Geschichte des Jakob Mendel, einen akribischen Leser, der „in der Gnade der Versenkung“ liest, „wie andere beten“ und ein schier antiquarisches Gedächtnis besitzt, doch wegen eines Missverständnisses aus seiner Bücherwelt gerissen und in ein Konzentrationslager verschleppt wird.
„Die unsichtbare Sammlung“ aus dem Jahr 1927 schildert auf berührende Weise die Begegnung eines Kunstantiquars mit einem alten Sammler, dessen Kunstsammlung ihm seine Existenz bedeutet. Aufgrund seiner Blindheit weiß er jedoch nicht, dass seine Familie in ihrer Not während der Wirtschaftskirse etliche Stücke unter Wert an niederträchtige Sammler verkauft und gegen billige Ersatzstücke ausgetauscht hat – und so lässt sich der Antiquar auf eine schonende Lüge ein.
Beide Geschichten eint, was sich in der berückend schönen Materialität dieser Ausgabe ausdrückt: die bestehende Dringlichkeit, zu bewahren. Dem leidenschaftlichen Sammler Zweig hätte die aufwendig gestaltete Ausgabe wohl sehr gefallen: das edle Papier, der Farbschnitt, die Fadenheftung, die Vorsatzpapiere und dazu die beeindruckenden Illustrationen von Joachim Brandenberg und Florian L. Arnold.
So gestaltet sich das Buch als gut durchdachtes, kompositorisches Ganzes, bei dem Inhalt und Medium Hand in Hand gehen. Es ist eine Hommage an Stefan Zweig, der Europa so liebte und dem das Exil und der Verfall seiner Heimat im Dritten Reich so schmerzten.
Und es ist auch eine Hommage an das gedruckte Buch in Zeiten der Digitalisierung, an das sinnliche Leseereignis und die geistigen Räume, die sich dabei offenbaren. Niemand wusste besser als Zweig, welche Gefahren der Verfall der Geisteskultur in geistlosen Zeiten hervorbringt. Wer sich mit dem Werk des Weltschriftstellers auseinandersetzen möchte, dem sei diese Neuauflage als Einstieg empfohlen, und dem sei an dieser Stelle auch Maria Schraders großartiges Biopic „Vor der Morgenröte“ empfohlen. Bilder: Topalian & Milani Verlag
Stefan Zweig: „Buchmendel / Die unsichtbare Sammlung. Zwei Novellen“, Topalian & Milani Verlag, 152 Seiten, 23 Euro
Eine Literatur-Empfehlung unseres SZENE HAMBURG-Autors Ulrich Thiele.
Maria Schraders Biopic „Vor der Morgenröte“. Eine Empfehlung unseres Autors Ulrich Thiele
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