Lessingtage 2017: Karin Becker im Interview

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Karin Becker, Kunstermöglicherin am Thalia Theater in Hamburg, spricht im Interview über die Lessingtage und ihre Vorliebe für klare Statements

Interview: Hedda Bültmann / Foto: Philipp Schmidt

SZENE HAMBURG: Was ist der Sinn eines Festivals und im speziellen der Lessingtage?

Karin Becker: Während eines Festivals setzt man sich in einer kurzen Zeitspanne komprimiert mit einem Thema auseinander. Gerade in unserer heutigen Zeit ist es wichtig, dass wir wachsam zuhören und kommunizieren. Und das Theater ist eine der spannendsten Formen, Menschen Denkanstöße mitzugeben. Die Lessingtage haben in diesem Jahr den Schwerpunkt Reformation/Religion, denn das, was gerade auf der Welt passiert, die Attentate, Krieg und auch der Rechtspopulismus, ist oftmals mit fanatischen Formen der Religion verbunden. Jetzt ist genau die richtige Zeit, sich zu fragen: Wie leben wir trotz verschiedener Glaubensrichtungen zusammen?

Was erwartet den Besucher?

Wir haben Produktionen eingeladen, die insgesamt eine breite Meinungsvielfalt abbilden. Spannend wird unter anderem unsere Inszenierung „Mutter Courage“, und auch „Die Zehn Gebote“ vom Deutschen Theater Berlin, bei der elf Künstler sich mit jeweils einem Gebot auseinandergesetzt haben, inszeniert von Jette Steckel – um nur zwei Beispiele zu nennen. Dazu gibt es weitere herausragende Produktionen in der Gaußstraße und im Großen Haus, ein Rahmenprogramm, eine Eröffnungsparty, Zuschauergespräche, die „Lange Nacht der Weltreligionen“ und die Eröffnungsrede von unserem Bundestagspräsident Norbert Lammert.

Was ist Ihr persönliches Highlight?

„Die Glaubenskämpfer“ aus Köln. Der Autor und Regisseur Nuran David Calis hat Glaubende getroffen, Christen, Muslime, Juden. Hier stehen nicht nur Schauspieler auf der Bühne, die eine Rolle verkörpern, sondern auch Menschen aus dem wahren Leben. Eine Nonne, ein jüdischer Großvater und ein junger Muslim erzählen exemplarische Geschichten, die auf persönlichen Erfahrungen basieren, was ich sehr mutig finde. Und wenn es dann noch in einer solch großartigen Umsetzung auf der Bühne stattfindet, die Laien einbindet, ohne pädagogisches Theater zu sein, gerade deshalb kann man sich damit identifizieren – bei der Nonne fühle ich mich zum Beispiel an meine eigene katholische Erziehung erinnert. Das Stück repräsentiert für mich die Form der Auseinandersetzung, für die die Lessingtage stehen.

Was sind Ihre Aufgaben als Künstlerische Betriebsdirektorin und als Produktionsleiterin bei den Lessingtagen?

Mein Part fängt an, sobald unser Intendant Joachim Lux das Motto und die Gastspiele festgelegt hat und es in die konkrete Umsetzung geht. Einzelne Produktionen, wie z.B. „Glaubenskämpfer“ habe ich auch vorab angesehen und ihm vorgeschlagen. Geht es an die Umsetzung spreche ich mit den Theatern, prüfe die technischen Gegebenheiten und die Machbarkeit mit den technischen Gewerken, immer auch unter Berücksichtigung der finanziellen Aspekte. Wenn das Bühnenbild zu aufwendig ist oder das Ensemble zu groß, dann versuche ich gemeinsam mit den technischen Abteilungen und den Regisseuren der einzelnen Theater eine Lösung zu finden. Das kann manchmal Wochen dauern. Das „Propagandastück“ vom Berliner HAU hat zum Beispiel für die Aufführung hier am Haus die Anzahl der Chormitglieder von 40 auf 20 abgespeckt, die „Lange Nacht der Weltreligionen“ wird in diesem Jahr künstlerisch und logistisch herausfordernd, da mehrere Orte im Theater gleichzeitig bespielt werden. Dann disponiere ich das Programm so, dass möglichst wenige Schließtage für den Auf- und Abbau nötig sind und die Besucher alle Stücke sehen könnten.

Was war in diesem Jahr besonders schwierig?

Die Nonne aus „Glaubenskämpfer“ hatte bei der Terminabsprache vergessen, dass sie zu dem angesetzten Zeitpunkt in dem Kloster, in dem sie lebt, eine Fortbildung macht. Dann muss man entweder die gesamte Disposition von vorne aufrollen oder die Kölner Kollegen anflehen: Holt die Nonne aus dem Kloster! (lacht)

Worauf sind Sie besonders stolz?

Dass wir uns, als Theater, mit diesem Thema und den ausgewählten Produktionen deutlich positionieren. Wir haben natürlich diskutiert, ob es der richtige Ansatzpunkt ist, auch weil dieses Jahr Luther deutschlandweit auf dem Spielplan steht. Aber, wir müssen uns den aktuellen gesellschaftsrelevanten Themen stellen und ein Zeichen setzen denn die Zeiten des nur Zuhörens und Zuschauens sind vorbei. Wir müssen den Mund aufmachen und sagen, was wir denken – laut und deutlich.

„Um alles in der Welt – Lessingtage“, 27. Januar bis 5. Februar, www.Thalia-Theater.de


Hedda Bueltmann szene hamburg Theater

Weiß, wie man Theater macht: Unsere Frau für Hamburgs Bühnen Hedda Bültmann

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