Verlorene Sterne: Keine Macht den Drogen
In den USA war das Buch einer der großen Hits des bisherigen Jahres, nun gibt es auch endlich die deutsche Übersetzung von Tommy Oranges „Wandering Stars“ namens „Verlorene Sterne“ (ein Nachfolger zu seinem Debüt „Dort Dort“) – laut „New York Times“ übrigens eines der besten Bücher der ersten Jahreshälfte 2024. Und hierum geht es: Orvil Red Feather ist ein typisches Opfer der Opioidkrise in den USA. Er kam verletzt ins Krankenhaus, wurde von seinem Leiden, wegen dem er ins Krankenhaus ging, zwar geheilt, aber kam als Abhängiger wieder heraus – die klassische Opioidtragödie. Doch der Hang zur Sucht zieht sich durch seine Familie: Auch sein Verwandter Jude Star, der als Kind gegen die brutale Austreibung seiner indigenen Sprache und Kultur ankämpfen musste, war ein Süchtiger – er fand eine Zeit lang Trost im Alkohol. Auf grandiose Art und Weise, in denen 150 Jahre Kolonialgeschichte liegen, verbindet Tommy Orange die Schicksale dieser beiden Männer miteinander. Sehr, sehr lesenswert.
Eine kurze Geschichte der AfD: gegen Rechts. Immer!
Wenn dieses Heft erschienen ist, sind die diesjährigen Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen bereits gelaufen. Und wenn man sich im Vorfeld die dortigen Umfragewerte der AfD angesehen hat und kein Wunder geschehen ist, dürften nun – knapp achtzig Jahre nach Überwindung der NS-Diktatur – erstmals wieder Nazis in Deutschland mitregieren. Denn nach wie vor gilt die Partei, insbesondere in den beiden genannten Bundesländern, als gesichert rechtsextrem. Wer also immer noch nicht verstanden hat, wie brandgefährlich diese Partei und ihre rechten Mitglieder für unser Land und die Demokratie sind, der sollte sich schnellstens mal schlau machen – zum Beispiel durch das Lesen von Eva Kienholz’ „Eine kurze Geschichte der AfD“, in der die Journalistin sich anschaulich und intensiv mit der zunehmenden Radikalisierung der AfD befasst und diesen Umstand verständlich aufbereitet hat. Daher: Wer Leute in Brandenburg kennt, die möglicherweise rechts wählen könnten, sollte denen vor der dortigen Landtagswahl am 22. September dringend mal dieses Buch zukommen lassen – ansonsten wird aus der kurzen Geschichte der AfD nämlich eine verdammt lange …
Brennende Felder: Schatten der Vergangenheit
Das Leben von Luisa Fischer gerät aus den Fugen. Nicht nur, dass sie feststellt, dass ihr Vater Bob gar nicht ihr leiblicher Vater ist, sie muss sich auch eingestehen, dass ihre Liebe zu ihm weit über die zu einem Vater hinausgeht. Sie beschließt daher, das in ihren Augen einzig Richtige zu tun: Sie verlässt ihr Zuhause und ihre Familie, lässt ihr altes Leben hinter sich. Nach vielen Jahren der Unstetigkeit und Unruhe wird sie irgendwann in Hamburg heimisch – als plötzlich Bob vor der Tür steht. Auch er hat die Familie verlassen und möchte nun mit ihr eine neue gründen. Sie ziehen gemeinsam in ihre Heimat zurück, doch: Der Vergangenheit können beide dort natürlich nur schwerlich entkommen. Mit „Brennende Felder“ hat der vielfach ausgezeichnete Autor Reinhard Kaiser-Mühlecker nach seinem letzten großen Wurf „Wilderer“ aus dem Jahr 2022 erneut einen herausragenden Roman vorgelegt, der sich im Kern mit der Frage auseinandersetzt, ob man seine Vergangenheit komplett hinter sich lassen und sich stattdessen ein neues Leben zulegen kann.
Diese Kritiken sind zuerst in SZENE HAMBURG 09/2024 erschienen.