Wie schreibt man als kleiner Verlag schwarze Zahlen? Interview mit den Gründern Daniel Beskos und Peter Reichenbach
Mit cleveren Ideen bereichert der Indie-Verlag das Hamburger Literaturleben. Dafür wurde das Team jüngst mit dem Karl-Heinz-Zillmer-Preis ausgezeichnet. Zusammen mit Minimal Trash Art und Textem kann man sie bei Die lange Nacht der Independent Verlage im Nochtspeicher (29.8.) erleben.
SZENE HAMBURG: Seid ihr die ersten Hamburger, die diesen Preis bekommen?
Daniel Beskos: Ja. Die Stifter und die Jury kommen zwar aus Hamburg, aber es ist ein bundesweiter Preis. Umso cooler für uns.
Im Gegensatz zu anderen kleinen Verlagen schreibt ihr schwarze Zahlen. Wie habt ihr das geschafft?
Daniel: Wir sind langsam gewachsen. 2005 waren wir mit dem Studium fertig, haben Nebenjobs gemacht und viel Arbeit in den Verlag gesteckt. Das erste Geld haben wir wieder investiert. Wir bringen um die sechs Titel im Jahr heraus und machen nur Sachen, die wir selbst richtig gut finden und nach außen vertreten können wie die Bücher von Finn-Ole Heinrich oder zuletzt „Die Philosophie des Radfahrens“. Und wir sind Sparfüchse. Das Büro ist nicht teuer und wir haben keine teuren Wohnungen.
Sechs Bücher im Jahr ist nicht viel, oder?
Daniel: Nein. Aber wir kümmern uns sehr lange um unsere Autoren, organisieren Lesungen, bemühen uns um Stipendien für sie oder verkaufen Taschenbuchlizenzen. Wir wollen, dass sie von ihrem Beruf leben können, und versuchen ihnen das zu ermöglichen, indem wir möglichst viele Geldquellen für sie generieren.
Viele Verleger sprechen von Selbstausbeutung. Ist das für euch auch ein Thema?
Peter Reichenbach: Nein, so fühlt sich das nicht an. Die Arbeit macht uns ja Spaß.
Daniel: Wir haben eigentlich einen entspannten Arbeitstag. Es gibt natürlich anstrengende Phasen, wenn die Vorschau gemacht wird oder Titel in Druck gehen, aber wir machen, was wir wollen und wann wir wollen, und zahlen uns inzwischen ein ganz annehmbares Gehalt.
Wie seid ihr Verleger geworden?
Daniel: Wir haben in der Abi-Zeit angefangen, Lesungen zu organisieren. Eigentlich wollten wir zusammen Musik machen, aber haben schnell nur noch über die Songtexte geredet und fanden die viel interessanter. Dann haben wir in unserem Kulturzentrum eine Lesung veranstaltet, es kamen 70 Leute und das lief super. Das haben wir zwei Jahre lang jeden Monat gemacht. Später sind wir mit anderen Autoren durch ganz Deutschland gereist, haben in Kneipen Geschichten vorgelesen und abends gefeiert. Irgendwann hatten wir ganz viele Manuskripte und wollten sie auch veröffentlichen.
Was für Musik wolltet ihr denn machen?
Daniel: Das waren die Neunziger. Ich hatte natürlich eine Grunge-Band (beide lachen).
„Mairisch“ bedeutet Unkraut im Hessischen. Wie kam es zu diesem Namen?
Peter: In Rottgau sagt man „Mairisch“ zu der Vogelmiere und das Wort wird auch pauschal für Unkraut verwendet. Diese unscheinbare kleine Pflanze mit weißen Blüten wird immer übersehen, aber ist eigentlich total hübsch. Das passt zu uns.
Daniel: Eines Tages saßen wir im Garten und tackerten die Bücher zusammen. Dann kam die Oma von irgendwem heraus und sagte, wir sollen den ganzen Literatur-Quatsch lassen und stattdessen lieber Mairisch aus dem Garten schaffen. Da mussten wir gerade den Verlag für eine kleine Messe anmelden und haben gesagt: Mairisch Verlag wäre ja witzig und das ist hängengeblieben. Es ist ganz schön, dass es so eine Bedeutung für uns hat, die nicht für jeden offensichtlich erkennbar ist.
Ist Hamburg eine gute Stadt für kleine Verlage?
Peter: Wir sind nach dem Grundstudium nach Hamburg gezogen und im Nachhinein war das auch die richtige Wahl. Wir haben hier Lesereihen wie Transit organisiert, die sehr gut aufgenommen wurden.
Daniel: Neben unzähligen Poetry Slams gibt es auch ein großes Publikum, das sich für Prosa interessiert, und da machen wir genau das Richtige. Ich habe das Gefühl, in Hamburg gibt es die Geduld, sich eine Geschichte erzählen zu lassen.
Welche Schwierigkeiten haben unabhängige Verlage heute?
Daniel: Presse zu kriegen, wird immer schwieriger. Selbst Nischenmedien stürzen sich oft auf die gleichen Titel, die überall besprochen werden. Früher war es einfacher, mit einem Debütanten wahrgenommen zu werden. Außerdem kommt man schwer in die Buchhandlungen. Es ist natürlich nicht einfach für sie, aus dem Überangebot der Bücher etwas auszuwählen. Wenn man da nicht vertreten ist, dann hat man ganz automatisch weniger Leser.
Was macht ihr dagegen?
Peter: Eine Idee ist der Indiebookday, ein Tag, an dem Verleger, Buchhändler und Leser sich Bücher aus unabhängigen Verlagen empfehlen.
Wie funktioniert das?
Daniel: Es ist ein Event, zu dem sich Leute an einem bestimmten Datum zum Beispiel via Facebook einladen können. 2013 habe ich 200 Leute aufgerufen: Kauft ein Buch aus einem unabhängigen Verlag und postet das Cover oder ein Foto von euch mit dem Buch und dem Stichwort „Indiebookday“. 15.000 Leute haben etwas gepostet. Das haben die Buchhändler bemerkt und im nächsten Jahr Schaufenster, Büchertische oder Lesungen mit Indie-Verlagen vorbereitet. Ein paar Hundert Buchhändler haben mitgemacht, auch in Polen oder den Niederlanden. Wir haben ziemlich viel Presse bekommen. Nun hat sich das verselbstständigt. Wir stellen nur noch ein Plakat zur Verfügung und schauen, was passiert.
Peter: Verkaufsmäßig bringt das viel.
Daniel: Stimmt. In den letzten zwei Jahren haben mich Buchhändler angerufen und gesagt, dass es außerhalb der Weihnachtszeit ihr umsatzstärkster Tag wäre. Wir haben auch drei Preise dafür bekommen. Die Aufmerksamkeit ist da.
Interview: Natalia Sadovnik
Die lange Nacht der Independent Verlage
mit Mairisch, Textem und Minimal Trash Art
Nochtspeicher
Bernhard-Nocht-Str. 69a (St.Pauli)
29.8., 20 Uhr