Marlene: „Ich durfte nicht mit schwarzen Kindern spielen“

„Nun leben wir wieder gemeinsam in einer Stadt. Das erste Mal seit seiner Kindheit.“ (Bild: Max Nölke)

„Seit Neuestem habe ich einen Campingstuhl, setze mich hier an die Alster, lese viel und löse dann Kreuzworträtsel, um das Gelesene in meinem Kopf zu sortieren. Diese Freiheit hat mir sehr gefehlt während der Krise. Dennoch, ein Vergleich zu meiner Jugend war das nicht. Ich bin in einem sehr katholischen Umfeld aufgewachsen. Wir durften früher nicht mit evangelischen Kindern spielen, geschweige denn mit schwarzen. Später ging ich auf ein Internat mit Nonnen und mir wurde gelehrt, meine Gutgläubigkeit abzulegen. Dort wird das Gutsein zu den Mitmenschen gepredigt, aber nicht gelebt.

Ich habe so viel Ungerechtigkeit in dieser Zeit erlebt, dass ich mich radikal von diesem Denken verabschiedet habe. Erst mit 30 habe ich zurückgefunden zu einem gesunden Verständnis von Glauben. Ich denke, das ist auch der Grund, weshalb ich lange veraltete, zum Teil rassistische Denkmuster in mir hatte. Dahingehend habe ich so viel von meinem Sohn und der heutigen Generation gelernt. Dieses Akzeptieren des anderen ist heute viel stärker, meine Generation versteht das meist nicht mehr.

Es fängt im Kleinen an: Ich wohne am Holzdamm und gehe häufig am Steindamm einkaufen, zusammen mit, sagen wir, einigen fragwürdigen Leuten, die sich da tummeln. Mir war dort zu Beginn etwas mulmig. Aber an der Langen Reihe, wo eine andere, höhere gesellschaftliche Schicht einkaufen geht, werde ich im Supermarkt angerempelt, am Steindamm hingegen nie. Dort achtet jeder auf den anderen.

Es geht um Wohlwollen. Um Zuhören. Nicht nur sehen, sondern die Menschen auch hören und dadurch versuchen, ihre Welt nachzuvollziehen.Das ist, glaube ich, das Wichtigste, was ich meinem Sohn mitgeben konnte. Ich habe 40 Jahre im Breisgau gelebt und als Immobilienmaklerin gearbeitet, habe meinen Sohn daher 20 Jahre lang besuchen müssen. Vor drei Jahren bin ich nach Hamburg gekommen und nun leben wir wieder gemeinsam in einer Stadt. Das erste Mal seit seiner Kindheit.“

/ Max Nölke

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