Massaya Soundsystem: Destination Kingston

Nur wenige Veranstaltende halten so lange durch: Das Massaya Soundsystem feiert im November 20-jähriges Jubiläum. Die Crewmitglieder Semik, Trappa und Smart blicken auf ein verändertes Nachtleben, vergangene Highlights und die heutige Szene
Halten Reggae weiter hoch: Semik, Trappa und Smart (©Niculai Constantinescu)

SZENE HAMBURG: Semik, Smart und Trappa, warum habt ihr damals ein eigenes Soundsystem gegründet?

Semik: Wir kamen aus der HipHop-Szene zum Dancehall und es war vertraut und zugleich unglaublich neu und fesselnd. Die Reggae- und Dancehall-Partys waren anders, euphorischer. Trillerpfeifen und Spraydosen um zu „torchen“, also mit einem Feuerzeug eine große Flamme zu erzeugen, waren selbstverständlich. Wenn ein Song besonders begeistert aufgenommen wurde, schrien die Leute vor Begeisterung, es gab einen „Rewind“ und das Lied startete neu. Teilweise mehrere Male hintereinander. Wir wollten Teil davon sein, mitmachen und gleichzeitig die Songs hören, die wir selber gerade besonders toll fanden. Das war damals sehr viel schwieriger. Es gab kein Spotify, kein Youtube. Die ganze jamaikanische Musik erschien auf 7” Vinyl Singles. Wer den neuesten Output kennen wollte, musste BBC-Radio hören, auf Partys gehen und Stunden im Plattenladen – dem Selekta Shop, den es auch heute noch gibt – verbringen.

Was ist Massaya heute?

Smart: Massaya ist eine Crew aus fünf Leuten: Zwei MCs, Trappa & Dre, und drei „Selektas“, also DJs, das sind Roman, Semik und ich. Nach wie vor spielen wir einen Querschnitt aus allem, was die jamaikanische Musikgeschichte seit den 60ern zu bieten hat – immer mit einem gewissen Schwerpunkt auf das, was aktuell auf der Insel angesagt ist. Dazu immer auch einiges aus artverwandten Genres von Afrobeats bis HipHop. Das „Soundsystem“ im Namen ist übrigens etwas geschummelt. Im Gegensatz zu den jamaikanischen Soundsystems, in deren Tradition wir uns sehen, verfügen wir über keine eigenen Boxentürme. Das hat für uns in Anbetracht des Hamburger Wetters nie so richtig Sinn ergeben.

Wie habt ihr so lange durchgehalten?

Smart: Es ist insgesamt weniger geworden, wir haben Familien, Jobs und ganz allgemein Leben. Zwischendurch hatten wir zuletzt Zweifel, wie lange wir das noch machen können und wollen. Gerade zur Corona-Zeit war nicht klar, ob wir überhaupt noch mal neu starten wollen. Letztlich ist die Erfahrung, gemeinsam Musik zu machen, aber so stark und so positiv, dass wir das so oder in anderer Form wohl machen, bis wir einfach nicht mehr können.

Massaya Soundsystem: Gemeinsam Musik feiern

Was hat sich im Nachtleben am meisten verändert?

Semik: Es gibt viel weniger aktive Reggae und Dancehall Soundsystems und DJs. Damals gab es über 20 aktive Soundsystems in Hamburg. Wer wollte, konnte jeden Tag – von Montag bis Sonntag – auf eine dezidierte Reggae-Party gehen. Das hat massiv abgenommen. Es gibt nur noch eine Handvoll aktiver und es kommen nur wenige neue nach.

Und am Ausgehverhalten insgesamt?

Semik: Ich glaube der größte Unterschied ist, dass die Leute viel besser informiert sind. Das heißt, viele kommen schon mit einer sehr speziellen Erwartungshaltung, was sie hören wollen auf die Partys. Als wir anfingen, war das Überraschungsmoment ganz bedeutend. Es war wichtig, die allerneuesten Singles und Riddims zu haben und wir hatten den Anspruch, den Leuten auch bestimmte neue Sachen schmackhaft zu machen. Das passierte oft auf Partys. Diese Bedeutung hat deutlich abgenommen. Was aber die Stimmung nicht schmälert. Letztlich geht es noch immer darum, gemeinsam Musik zu feiern, zu tanzen und eine gute Zeit zu haben.

Wo waren eure ersten Veranstaltungen?

Semik: Nach privaten Partys am Elbstrand und in WGs haben wir die ersten Monate vor allem in der Roten Laterne mit unserem guten Freund FlowSun, mit dem wir bereits zusammen HipHop gemacht hatten, aufgelegt. Unsere erste selbst organisierte Party war dann in der Roten Flora. 600 Leute waren dort. Es war der Wahnsinn, wir hatten nicht mit so vielen gerechnet. Nach einigen Zwischenstopps haben wir unsere eigene Partyreihe „Destination: Kingston“ organisiert. Begonnen haben wir damit im Fundbureau, ein paar Jahre später ging es dann im Waagenbau weiter. Seit zehn Jahren gibt es die Reihe jetzt im Hafenklang.

Hausverbot auf der eigenen Party

Könnt ihr ein paar Anekdoten preisgeben?

Smart: Für mich waren die Kooperationen mit Künstlern, die unsere Veranstaltung mit Live-Performances bereichern, immer besondere Highlights. Hier sei zum Beispiel Gappy Ranks aus London, der uns bei unserem 10. und 15. Jubiläum beehrte, erwähnt. Leider kann er seit mehreren Schlaganfällen nicht mehr auftreten, sonst hätten wir ihn sicher auch zum 20. wieder eingeladen. 2009 sind wir in London, was aufgrund der dort lebenden jamaikanischen Diaspora eine ganz andere Reggae-Soundsystem-Tradition hat, bei einem Soundclash gegen zwei Londoner Soundsystems angetreten. Allein dort gebucht zu sein, war schon ein wahr gewordener Traum. Dass wir dann auch noch gewonnen haben und mit dem Pokal nach Hause fliegen durften, hat dem ganzen die Krone aufgesetzt. Ansonsten sind meine Kollegen auch einfach tolle Freunde, mit denen die Reisen zu Auswärtsgigs immer viel Spaß gemacht haben. Aber die Anekdoten, die mir dazu gerade einfallen, sind alle nur lustig, wenn man dabei gewesen ist.

Trappa: Es gibt so viele irre Geschichten, von den die meisten aber lieber kein Mensch lesen sollte. Ich schließe mich Smart an, die zwei Clashes in London inklusive Radio-Interviews waren schon echt beeindruckend. Ich denke immer noch gerne an unser Booking in einem Club mit weißen Ledersofas und Bottleservice. Der endete in einer körperlichen Auseinandersetzung mit den Türstehern und wir bekamen dann Hausverbot auf unserer eigenen Party. Ja, irgendwie denke ich daran gerne zurück. Das war einer der lustigsten Abende in meinem Leben.  

Wie feiert ihr Jubiläum?

Semik: Im Hafenklang, dem für uns besten Club in Hamburg. Direkt am Hafen, ein super Sound und die besten Leute. Wir feiern 110 Prozent Massaya, also alles, was wir musikalisch lieben und spannend finden.

Auflegen, solange das Leben es erlaubt.

Wo hört man Reggae und Dancehall noch in Hamburg?

Smart: Mich selbst findet man sonst vor allem bei Veranstaltungen, die sich auf jamaikanische Oldies der 60er und frühen 70er spezialisiert haben, wie zum Beispiel „Treasure Sounds“ im Hafenklang oder „Rockin’ Steady“ im Komet – aber wer auf Dancehall steht, wird da nicht glücklich. Aber auch für modernere Spielarten gibt es in Hamburg eigentlich jedes Wochenende mehrere Veranstaltungen. Mir fällt es schwer, daraus einzelne hervorzuheben – wer einen umfassenden Überblick haben will, dem empfehle ich, neben der SZENE natürlich, den digitalen Monatsprogramm-Flyer von „Jamburg“ – jamburghh bei Facebook oder Insta.

Und wie geht es bei euch weiter?

Trappa: Gute Frage! Etwas kurzfristiger gedacht, schauen wir erst einmal, was der Hafenklang-Kalender im Jahr 2024 für uns zu bieten hat. Wie Semik schon sagte: Wir werden vermutlich weiter auflegen, solange das Leben es uns erlaubt. Vielleicht werden wir irgendwann, wenn unsere diversen Kinder aus dem Gröbsten raus sind, auch noch wieder aktiver werden als zurzeit. Spannend bleibt auch, wie sich die Musik auf Jamaika entwickelt und ob wir mit fortschreitendem Alter mit den dortigen Entwicklungen weiterhin etwas anfangen können – oder ob wir uns doch irgendwann ausschließlich auf die, zum Glück reichhaltige, Vergangenheit fokussieren.

Das Massaya Soundsystem feiert am 3. November 2023 ab 23 Uhr sein 20. Jubiläum im Hafenklang

Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 11/2023 erschienen.

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