Autoren der Gegenwart antworten auf den berühmten Fragebogen von Max Frisch. Dieses Mal antwortet die Autorin Ina Schmidt. Ihr aktuelles Buch heißt „Über die Vergänglichkeit“. Am 13.10. spricht die Philosophin im Literaturhaus zum Thema „Wie wir sterben lernen“, 19.30 Uhr.
Haben Sie Angst vor dem Tod und seit welchem Lebensjahr?
Ja, das habe ich. Seitdem ich denken kann. Aber ich halte diese Angst für einen Teil des Lebens, die uns zeigt, was wesentlich ist und wie wenig wir festhalten und besitzen können. Ich habe mich schon als Kind darüber gewundert, wenn Menschen sagen konnten, dass sie keine Angst vor dem Tod haben. Ich bewundere das, aber ich kann es mir selbst nicht vorstellen.
Was tun Sie dagegen?
Nicht viel. Ich möchte viel lieber lernen, mit dieser Angst gut zu leben. Sie darf nicht das Ruder übernehmen, und meine Entscheidungen zu sehr beeinflussen. Also versuche ich, das Gefühl besser kennen zu lernen, auch indem ich mir den Tod nicht nur als Bedrohung vorstelle. Der Begründer der Logotherapie Viktor Frankl hat einmal gesagt, man dürfe sich von der eigenen Angst nicht alles gefallen lassen – und das versuche ich, indem ich sie nicht bekämpfe und gleichzeitig daran arbeite, ihr nicht zu viel Raum zu geben.
Hoffen Sie auf ein Jenseits?
Nein, es gibt nicht wirklich etwas, auf das ich hoffe, aber ich wünsche mir, dieses Leben irgendwann loslassen zu können – in dem Gefühl, dass es ein gutes Leben war. Völlig unabhängig von dem, was dann kommt.
Können Sie sich ein leichtes Sterben denken?
Ich glaube, dass es Menschen gelingen kann, leicht zu sterben. Wenn sie lebenssatt sind und den Tod vielleicht sogar als Möglichkeit ansehen. Mir traue ich das aber nicht zu. Ich war noch nie gut darin, Abschied zu nehmen. Insofern glaube ich, dass ich die Schwere nicht werde vermeiden können, egal wie und wann mir der Tod begegnet.
Möchten Sie lieber mit Bewusstsein sterben oder überrascht werden von einem fallenden Ziegel, von einem Herzschlag, von einer Explosion usw.?
Ich würde gern mit Bewusstsein sterben, bei einem plötzlichen Tod hätte ich das Gefühl, mir würde ein wichtiges Ereignis vorenthalten werden. Mir gefällt der Gedanke, dass ich mich vom Leben und den Menschen darin verabschieden kann – auch wenn es schwerfällt.
Wenn der Atem aussetzt und der Arzt es bestätigt: sind Sie sicher, dass man in diesem Augenblick keine Träume mehr hat?
Nein, das bin ich nicht. Für diesen Augenblick gibt es, denke ich, nichts mit Sicherheit zu sagen – und ich glaube, das ist gut so.
Max Frisch: „Fragebogen“, Suhrkamp, 96 Seiten
Ina Schmidt: „Über die Vergänglichkeit“, Edition Körber, 280 Seiten
SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Oktober 2020. Das Magazin ist seit dem 27. September 2020 im Handel und auch im Online Shop oder als ePaper erhältlich!