Wenn Würfel tanzen wollen

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Ausstellungsansicht Relief Serie C von Charlotte Posenenske (Foto: Ulrich Perrey)

Was Minimal Art ausmacht und wo ihre Grenzen liegen, ist noch bis Ende April 2022 in einer minimalistischen Schau im Bucerius Kunst Forum zu sehen

Text:Karin Schulze

Minimal ist an dieser Ausstellung viel. Ihr Gegenstand ist die ab den frühen 1960er-Jahren in den USA entstandene Kunstrichtung, die Minimal Art genannt wird. Minimal ist auch die Bestückung der Schau: Es werden gerade einmal 17 Arbeiten von neun Künstlern und einer Künstlerin gezeigt. Im Nu ist man durch die Schau hindurch und nicht wenige fragen dann: Wo geht es jetzt weiter?

Minimal war auch der Transportweg der Exponate. Die vielleicht schönsten beiden Arbeiten – Donald Judds Untitled (Stack) von 1968–1969 und Robert Morris’ Filzarbeit von 1974 – kommen aus der Münchner Pinakothek der Moderne. Drei Viertel der Exponate aber entstammen der Hamburger Kunstsammlung von Christoph Seibt. Dem Wirtschaftsanwalt gehören mehrere Hundert Werke des Minimalismus und der Konzeptkunst. Sie füllen seine Stadtvilla, ein Schaulager in Billbrook und zukünftig vielleicht auch sein eigenes Ausstellungshaus.

Minimal sind die Materialien, Formen und Ideen, auf die die Minimal Art setzt: Reduktion auf grundlegende, meist geometrische Formen und industrielle Materialien, klare Erkennbarkeit der Werkidee und radikale Kappung von gestischer Expressivität, künstlerischer Spontanität und subjektivem Ausdruck. Denn schließlich war es die um 1960 dominierende Malerei des Abstrakten Expressionismus, die Künstler wie Dan Flavin, Sol LeWitt oder Donald Judd dazu trieb, den Bildraum zu verlassen und die grundlegenden Formen optischen Ausdrucks mit klaren Kanten kühl in den realen Raum hinauszutreiben.

Es kann auch zuviel Minimalismus sein

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Dan Flavin: untitled (to Barnett Newman) four, 1971 (Foto: Estate of Dan Flavin / VG Bild Kunst, Bonn 2022 / Foto: David Zwirner Gallery, New York)
Dan Flavin: untitled (to Barnett Newman) four, 1971 (Estate of Dan Flavin / VG Bild Kunst, Bonn 2022 / Foto: David Zwirner Gallery, New York)

Die Ausstellung zeigt auch, wie schon in den Jahren 1966 bis 1968, als die Minimal Art auf dem Höhepunkt war, die fabelhafte Charlotte Posenenske mit ihren Reliefs und Vierkantrohren in die Männerdomäne einbrach, ohne allerdings damals groß wahrgenommen zu werden. Sie unterminierte die Minimal Art konzeptuell und politisch, indem sie den Warencharakter der Werke attackierte: Sie überließ das Arrangement ihrer seriellen Skulpturen dem Sammler oder Kurator, verzichtete auf Signaturen, limitierte die Auflagen nicht oder verkaufte zum Selbstkostenpreis.

Ein Zuviel aber gibt es in der Ausstellung auch. Denn die schlanke Reihe der hochkarätigen Minimalisten wird durch gleich fünf Arbeiten des Beuys-Schülers Imi Knoebel gesprengt, die mit ihren Verschiebungen von Quadraten und Vielecken auch noch gehörig auf der Stelle treten. Seibt soll Dutzende Werke des Künstlers haben. Schade, dass das Bucerius Kunst Forum der Vorliebe des einflussreichen Sammlers nicht Ausgewogenheit entgegengesetzt hat.

Tanzen

Sehr, sehr toll ist dagegen der Schlussakzent, den man, ohne es abwertend zu meinen, einen Schlussgag nennen könnte: Jeppe Hein antwortet auf den Cube-Cube (1965) von Sol LeWitt im ersten Teil der Schau. Der 1974 geborene Postminimalist Hein setzt dezidiert auf die Mitwirkung des Betrachtenden und zwar auf eine, die in die Erscheinung des Kunstwerks eingreift. Sein Würfel Changing Neon Sculpture besteht wesentlich aus blinkenden Neonröhren. Ihr Flackern beruhigt sich erst, wenn sich ihnen jemand nähert.

Hatte der US-Kunstkritiker Michael Fried 1967 in einem berühmten Essay der Minimal Art vorgeworfen, sie attackiere die Autonomie des Kunstwerks, weil ihre Werke theatralisch den Raum um sich herum zur Bühne machten, so zwinkert Heins Neonkubus einem jeden zu: Ich bin nicht nur ein Ding, das den Raum belebt. Ich kann auch tanzen und ich tanze mit dir!

Minimal Art. Körper im Raum, noch bis zum 24. April 2022 im Bucerius Kunst Forum


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