Mobil im Job: Hamburger erzählen vom bewegten Alltag

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Immer unterwegs, immer mit einem Auftrag in der Tasche: Kurierfahrer Alex

Ein Kurierfahrer, ein Rettungssanitäter, ein Eiswagenfahrer und ein Schiffsführer: Vier Hamburger erzählen, wie es ist, jeden Tag für den Job durch die Straßen der Stadt zu düsen

Text & Protokolle: Erik Brandt-Höge

Alex (40), Kurierfahrer

Fahrradkurier
Alex hat mit Bringbock seinen eigenen Kurierdienst gegründet.

„Arschloch!“ Keine hundert Meter unterwegs, wird Alex schon beschimpft. Im Zickzacksprint hat er es durch eine Menschenmenge geschafft, und nicht alle in der viel belaufenen Fußgängerzone waren von seinen fahrerischen Fähigkeiten angetan. Egal, Alex muss weiter, ein Kunde wartet auf eine Lieferung, und Zeit ist in Alex’ Job buchstäblich Geld. Seit drei Jahren ist der gebürtige Stuttgarter in Hamburg, seit einem Jahr als Kurierfahrer unterwegs. Wichtigstes Arbeitsgerät: sein orangefarbenes Cargobike. Damit transportiert der 40-Jährige alle denkbaren Dinge von A nach B: Blutproben für Labore, vergessene Schlüssel, Ladekabel, Dokumente wie Gerichtsurteile, Kündigungen und Hafenfrachtscheine. Auch ein Blumenstrauß für Helene Fischer lag schon in der schwarzen Box, die vor Alex’ Lenker installiert ist.

Was im schuhkartongroßen Paket ist, das jetzt in der Box liegt, weiß Alex nicht, nur, dass es in wenigen Minuten beim Adressaten sein soll. Also düst er weiter durch die City, rasend schnell, aber den Rest des Stadtverkehrs immer im Blick. Umgekehrt ist das nicht immer so. „Einmal hat mich ein Auto voll erwischt“, sagt er, „vorne an der Box, und dann lag ich da. Ist eben so: Die ein oder andere Narbe haben alle Kurierfahrer.“ Was laut Alex auch alle Fahrer haben: zig Fahrstuhl-Selfies. „Alter Fahrertrick: Am Ziel angekommen, geht es im Fahrstuhl hoch zur angegebenen Etage, runter auf der Treppe – weil dort Funkempfang ist und schon der nächste Auftrag angenommen werden kann.“ Und genauso macht er es dann, als das Paket sicher beim Empfänger gelandet ist. Ein paar Knopfdrücke auf die umgeschnallten Geräte, und weiter geht’s, nun sollen Klamotten von einer Boutique in ein Hotel gebracht werden.

Dass Alex in der Kurierfahrerbranche arbeitet, ist übrigens nur konsequent. Im Saarland arbeitete er lange selbstständig im Bereich der E-Mobilität, half anderem dabei, Hoverboards in Europa zu etablieren, indem er sie gekonnt platzierte, etwa in Sendungen wie „Schlag den Raab“. Alex: „Durch die ständige Beschäftigung mit alternativer Mobilität habe ich mich auch privat verändert, mein Auto verkauft und mir ein Lastenfahrrad angeschafft. Und irgendwann dachte ich: Das wäre doch auch ein Job für mich, also das Übermitteln von Waren per Lastenfahrrad.“

Er fing bei der Kurier AG an, um ein Gespür für den Beruf zu entwickeln, und baute nebenher schrittweise seine eigene Firma Bringbock auf, über die er heute zusätzlich Aufträge zum Ausliefern von Paketen von einem Berliner Onlineshop annimmt, der auf der letzten Meile via Lastenfahrrad ausliefern lässt. Das Geschäft läuft gut und macht Alex weiterhin Spaß – mal abgesehen von seltenen Unfällen, starkem Materialverschleiß, Passantengemecker und dem nicht immer fahrerfreundlichen Wetter. Auch Hamburg habe er immer besser kennen- und lieben gelernt durch den Job: „Die Stadt ist überall anders, riecht sogar überall anders, hier nach vermodertem Wasser, dort nach süßem Sanddorn. Ich nehme alles war, verbinde jeden Ort mit einem Duft.“ Und womöglich mit dem nächsten Auftrag.

Finn (21), Rettungssanitäter

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Finn ist bereits seit fünf Jahren für das Deutsche Rote Kreuz tätig

Vor fünf Jahren habe ich angefangen, ehrenamtlich für das Deutsche Rote Kreuz zu arbeiten, zum Beispiel im Katastrophenschutz. Nach der Schule war ich ein Jahr mit dem DRK in Namibia, habe unter anderem Hygienekampagnen organisiert und gegen den Ausbruch von Hepatitis E gekämpft. Und seit sechs Monaten bin ich Rettungssanitäter und fahre einen Rettungswagen in Hamburg. Die Ausbildung hierfür dauerte drei Monate, außerdem brauchte ich einen Führerschein für kleine Lkw, weil der Wagen über dreieinhalb Tonnen wiegt.

Mein Arbeitsalltag sieht ungefähr so aus: Wenn ich die Frühschicht habe, die von 7 bis 19 Uhr geht, komme ich morgens zur DRK-Rettungswache und treffe die Kollegen aus der Nachtschicht, die mir und einem Kollegen das Auto übergeben. Das prüfe ich dann genau, zum Beispiel, ob genug Sprit vorhanden ist und alle medizinischen Geräte da sind. Sobald der Pieper, den wir immer an der Hose tragen, piept, geht es in den Einsatz – und manchmal auch um Leben und Tod. Wir fahren zu den Patienten, helfen ihnen und bringen sie gegebenenfalls ins Krankenhaus. Was wir versuchen, ist den Zustand des Patienten stabil zu halten und ihn dann einer Fachkraft zuzuführen.

Im Verkehr müssen wir natürlich extrem wachsam sein und aufpassen, was wir tun, besonders wenn wir mit Blaulicht unterwegs sind. Wir können ja nicht einfach in hohem Tempo über Kreuzungen und rote Ampeln fahren, wir dürfen trotz der gebotenen Eile schließlich keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährden. Wir müssen immer für andere mitdenken und auch damit rechnen, dass sich nicht alle vorschriftsmäßig verhalten. Das kann natürlich stressig sein. Bei den Autofahrern erleben wir zwei Extreme: eine Schockstarre, in die manche aufgrund der Ausnahmesituation verfallen, und ein Platzmachen der meisten, die alles versuchen, um uns nicht zu behindern. Zwischen den Einsätzen haben wir relativ entspannte Phasen unter Kollegen, was auch sehr viel wert ist. Wir ticken alle ähnlich, wollen alle das Gleiche: Menschen helfen.

Long (43), Eiswagenfahrer

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Eiswagenfahrer im Sommer, Taxifahrer im Winter

Seit über 20 Jahren bin ich schon Eisverkäufer in Hamburg und mit meinem Wagen unterwegs. Mein Arbeitsgebiet ist Altona, dort fahre ich so ziemlich überall hin, auch auf Bestellung zum Beispiel zu Betriebshöfen. Mein Auto ist alt, aber es läuft und läuft und läuft (lacht). Und wenn mal Kleinigkeiten anfallen, kann ich mittlerweile schon selbst die Reparaturen vornehmen. Hier mal ein bisschen flicken, da mal ein bisschen Silikon nachziehen – das ist alles kein Problem.

Wie ich zum mobilen Eisverkauf kam? Es war 1991, ich war erst 15 Jahre alt, fast noch Kind, als ich von Vietnam nach Deutschland kam. Damals habe ich angefangen, in einer Eisfirma zu arbeiten. Irgendwann habe ich gesehen, dass es Bedarf an Eiswagenfahrern gibt, da habe ich mich selbstständig gemacht und bin es bis heute.

Ich könnte das Eis auch selbst machen, aber dafür habe ich kaum Zeit, wenn ich den ganzen Tag herumfahre. Deshalb beziehe ich es von einer Firma. Ich habe übrigens noch einen zweiten mobilen Job, den allerdings in meiner Heimat. Von März bis Oktober fahre ich mit meinem Eiswagen durch Altona, im Winter fliege ich nach Vietnam – und arbeite dort als Taxifahrer.

Alexander (32), Schiffsführer

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„Wollte schon immer Kapitän sein“: Alexander

Ich bin gelernter Tischler, habe jahrelang in der Holzbranche gearbeitet – aber eigentlich wollte ich schon immer Kapitän sein. Es war vor gut vier Jahren, als meine Frau schließlich zu mir sagte: „Versuch’s doch einfach mal!“ Also habe mich umgehört, was machbar ist. Mit drei Kindern wollte ich ungern als Kapitän zur See fahren, aber die Fähren im Hafen haben mich sehr gereizt.

Ich habe dann eine Ausbildung zum Hafenschiffer und ein Hafenpatent gemacht, also alles gelernt, was zum nautischen Betrieb dazugehört: allgemeine Schifffahrtsgesetze und die besonderen Gesetze, die hier im Hafen gelten, Maschinenkunde und Englisch. Seitdem bin ich auf der Elbe unterwegs, fahre Linien wie die 62 (zwischen Landungsbrücken und Finkenwerder), 72 (zwischen Landungsbrücken und Elbphilharmonie) und 73 (zwischen Landungsbrücken und Ernst August Schleuse). Die frühste Schicht beginnt für mich um 4.15 Uhr und geht bis circa 13 Uhr, die späteste fängt um 15 Uhr an dauert bis 23 Uhr.

Stress kenne ich in diesem Job nicht. Das liegt sicher auch daran, dass es keine wechselnden Herausforderungen gibt, wie sie zum Beispiel ein Projektmanager zu bewältigen hat, der jeden Tag vor neuen Aufgaben steht. Ich mache einfach zu Arbeitsbeginn das Schiff klar, und dann fahre ich meine Touren. Klar, das ist manchmal ein wenig monoton, aber mir macht es trotzdem großen Spaß. Auch, weil ich eben im schönen Hamburger Hafen arbeite, in dem ich immer wieder neue Ansichten und tolle Sonnenauf- und -untergänge mitbekomme. Und ich meine: Ich fahre ein Schiff! Allein das ist schon toll. Maximal befördere ich 250 Personen. Das Schiff würde zwar 500 bis 600 Leute aushalten, aber solange nur ein Schiffsführer an Bord ist, sind laut Hafenfahrzeugattest maximal 250 Personen erlaubt. Mehr könnte ich im Notfall gar nicht evakuieren.


Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG, September 2019. Titelthema: Mobilität – Das bewegt die Stadt. Das Magazin ist seit dem 29. August 2019 im Handel und zeitlos im Online Shop oder als ePaper erhältlich!


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