Museum der Arbeit: Ich bestelle, also bin ich?

Die Ausstellung „Dein Paket ist da“ im Museum der Arbeit führt in die historischen Tiefen des Versandhandels – und landet dabei immer wieder in der Gegenwart, etwa bei Fragen nach fairen Arbeitsbedingungen
Die Ausstellung „Dein Paket ist da“ im Museum der Arbeit zeigt auch, wie die Zustellung in den 1970er-Jahren aussah (©Hermes)

Sich mal wieder was gönnen – und das von zu Hause aus! Die Befriedigung spontaner Shoppinglust ist ohne den Versandhandel heute undenkbar. Technisch immer auf dem neuesten Stand lässt sich fast alles in Windeseile in die eigenen vier Wände bestellen – inklusive digitaler Sendungsverfolgung, teils sogar im Liveticker. Diese schier unerschöpflichen Möglichkeiten im Zeichen globaler Player wie Amazon, OTTO, DHL, Hermes und Co. erscheinen uns völlig gewöhnlich. Doch wie sah der Versandhandel noch vor ein paar Jahren aus? Oder – kaum vorstellbar – vor Jahrzehnten, als es noch kein Internet gab? Welche Einblicke bieten die historischen Entwicklungen im Kontext gegenwärtiger Gesellschaften, die zugleich Massenkonsum zelebrieren, aber auch nachhaltigen und fairen Handel stärken möchten?

„Dein Paket ist da“ im Museum der Arbeit

In der OTTO-Broschüre 1970/71 herrscht heile Konsuwelt (©OTTO (GmbH & Co. KG))

Damit beschäftigt sich derzeit die Ausstellung „Dein Paket ist da! Shoppen auf Bestellung“ im Museum der Arbeit – gefördert von OTTO im Rahmen des 75-jährigen Firmenjubiläums. Zwar reichen die Anfänge des Versandhandels bis ins späte 19. Jahrhundert zurück, doch begannen vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg ungeahnte Produktwelten zu florieren, aus deren Böden erste internationale Großkonzerne schossen. Diese lange Tradition des Shoppens auf Bestellung wird in der Schau nun zur aufregenden Fahrt durch die Medien- und Bildgeschichte.

Auf dem Werbefoto einer OTTO-Broschüre von 1970/71 blättert etwa ein rausgeputztes Paar entspannt bei einem Gläschen Cognac und einer Zigarette durch einen der prächtigen Bestellkataloge, die – bevor sich der Onlinehandel Bahn brach – in Millionenauflage gedruckt wurden, und wie vorgeschriebene Wunschzettel in Hochglanzoptik in die Häuser geflattert kamen. Wer hier bestellte, so die Suggestion, führte ein Leben auf der Höhe der Zeit. Viele Aufnahmen in der Ausstellung dokumentieren aber auch die Arbeit in Logistikzentren sowie den Alltag der Lieferanten – und zeigen die soziale Dimension, die den Versandhandel bis heute kennzeichnet: Immer noch kommen die Fahrer bis an die Türschwellen unserer Privaträume und übergeben uns Kartons, in denen wir uns gewissermaßen selbst wiederfinden. Denn egal, wie distanziert das Bestellen online sein mag: Jeder Kauf verrät etwas über die eigenen Vorlieben und Gepflogenheiten. So entsteht, Klick für Klick, ein detailliertes Porträt unserer Persönlichkeit – ich bestelle, also bin ich.

Aktuelle Herausforderungen im Versandhandel

Allein in Deutschland sind jährlich über vier Milliarden Pakete unterwegs – mit steigender Tendenz und immer größeren Folgen für Mensch und Umwelt. Wie lassen sich Löhne unter wachsendem Leistungsdruck fairer und der Versandhandel insgesamt noch nachhaltiger gestalten? Welche Rolle spielt dabei unser eigenes Konsumverhalten? All diese Fragen begleiten die Besucher durch die Ausstellung – und beschäftigen sie bestenfalls auch noch zu Hause: über die nächste Bestellung hinaus.

Dein Paket ist da! Shoppen auf Bestellung“, 4. September 2024 bis 28. April 2025, Museum der Arbeit

Das Online-Weihnachtsgeschäft brummt im Lager von Amazon in Bad Hersfeld (©picture alliance, dpa, Uwe Zucchi)

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 10/2024 erschienen. 

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