Jugendliche, die eine übernatürliche Macht herausfordern, grotesk geschminkte Fratzen, Gestalten, die sich urplötzlich aus einer dunklen Ecke winden, blutige Eskalationen – der australische Horrorthriller „Talk to Me“ hätte einer dieser Reißer werden können, die von einem billigen Schockmoment zum nächsten jagen, ohne eine wirklich furchteinflößende Stimmung zu erzeugen. Den Zwillingsbrüdern und Youtube-Stars Danny und Michael Philippou gelingt in ihrem Spielfilmdebüt allerdings Bemerkenswertes. Denn aus vertrauten Elementen bauen sie ein modernes Schauerstück zusammen, dessen unheimliche Wirkung stetig zunimmt.
Wie das funktioniert? Ganz einfach, indem man die Figuren ernst nimmt, nichts überhastet und klassische Geisterbahneffekte wohl dosiert auf die Gesamtlaufzeit verteilt. Nach einem starken Prolog, der den Zuschauer über einen pulsierenden Beat und eine lange, ungeschnittene Einstellung direkt in das Geschehen hineinzieht, tritt die eigentliche Protagonistin in Erscheinung. Der Tod ihrer Mutter und dessen etwas nebulöse Umstände machen der Teenagerin Mia (Sophie Wilde) auch zwei Jahre später noch zu schaffen. Als sie und ein paar Freude bei einem neuen Partyspiel mit einer einbalsamierten Hand das Tor zum Jenseits öffnen, will sie Kontakt mit der Verstorbenen aufnehmen.
Die kleineren Drehbuchschwächen sind zu verzeihen
„Talk to Me“ erfindet das Rad nicht neu, sieht in seinem Thema – Trauerbewältigung und Verlust – aber mehr als einen austauschbaren Aufhänger. Mias Schmerz ist greifbar, liegt wie ein Schatten über der Geschichte – und wird zur Triebfeder der immer tiefer unter die Haut gehenden Verwicklungen. Anders als in vielen Horrorwerken sind die mit dem Feuer spielenden Jugendlichen authentisch gezeichnet, haben Ecken und Kanten und werden nicht als Kanonenfutter verheizt. Auch dank einer erstaunlich souveränen Inszenierung und ungezwungener Kritik am heutigen Ich-film-alles-mit-dem-Handy-Voyeurismus steht am Ende ein spannender Genrebeitrag, dem man kleinere Drehbuchschwächen gerne verzeiht.
„Talk to me“, Regie: Danny Philippou & Michael Philippou. Mit Sophie Wilde, Alexandra Jensen, Joe Bird. 94 Min. Ab dem 27. Juli 2023 im Kino
Hier gibt’s den Trailer zum Film:
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren
Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 07/2023 erschienen.