Hamburgs Kultur lebt auf. Als erste der Kultur-Institutionen haben die Hamburger Museen seit dem 7. Mai ihre Türen für Besucher wieder geöffnet. Natürlich gilt es auch hier Regeln zu beachten wie unter anderem der Mindestabstand von 1,50 Meter, keine Gruppenbesuche außer Familien und häusliche Gemeinschaften sowie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Was die Museumswelt gerade bewegt, erzählen drei der Akteure
Interviews: Hedda Bültmann
3 Fragen an Professorin Tulga Beyerle, Direktorin vom Museum für Kunst und Gewerbe
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die jetzige Phase der Wiedereröffnung?
Es ist ein wunderbares Gefühl, wieder Men schen in unseren Räumen zu sehen. Man spürt, wie sehr unsere ersten Gäste den Museums besuch genießen. Kultur wird ja erst lebendig durch das gemeinsame Erlebnis und den Aus tausch darüber. Natürlich haben wir in der Zeit der Schließung weiter an unseren Projekten gearbeitet. Aber das Innehalten hat uns auch gezeigt, wie sehr unser Gegenüber, unser Publi kum fehlt. Nur gemeinsam entsteht Kultur und nur gemeinsam wird sie rezipiert. Sie gibt uns Orientierung und eröffnet neue Perspektiven, die helfen, in schwierigen Zeiten optimistisch zu bleiben. Museen können hier als kulturelles Gedächtnis wichtige Anregungen geben.
Hat sich während der Schließzeit etwas herauskristallisiert, das Sie zukünftig ändern werden?
Die siebenwöchige Schließung hat uns einmal mehr gezeigt, wie wichtig die Verbindung zu unserem Publikum über die digitalen Medien ist. Selbst wenn sich unser Alltag wieder normalisiert und die direkte Begegnung mit dem Objekt immer etwas Besonderes bleibt, wird es weiterhin Menschen geben, die mobil eingeschränkt sind oder weit entfernt wohnen. Sie zu erreichen war uns immer schon ein Anliegen. Die Schließzeit hat uns den nötigen Schub gegeben, sich noch konzentrierter und mit mehr Lust der Digitalisierung zu widmen. Wir werden diese Aktivitäten in Zukunft ausbauen, denn auch der digitale Besuch ist wertvoll. Die Gleichwertigkeit von analogem und digitalem Besuch wäre übrigens ein spannendes Thema für eine Diskussion mit unseren Förderern.
Welche Folgen tragen Sie aus der Zeit?
Ganz praktisch sind unsere Stationen zum Anfassen und Selbermachen aktuell nicht im Einsatz. Bis Ende Juni finden keine Veranstaltungen, keine Führungen und kein Programm für Kinder und Jugendliche statt. Auf der einen Seite müssen wir kreativ sein und unter den gegebenen Sicherheitsbedingungen Angebote entwickeln. Darüber hinaus lohnt es sich, langfristig in OnlineVermittlungsprogramme zu investieren, seien sie für Schulen oder auch als zusätzliches Lehrangebot. Die Corona-Pandemie ist auch eine gute Gelegenheit, über den Stellenwert und die Wirkung unserer kulturellen Arbeit jenseits der Zahlen nachzudenken.
Ausstellungen:
20.6.–1.11.2020 Peter Lindbergh: Untold Stories
Bis 20.9.2020 Das Plakat. 200 Jahre Kunst und Geschichte
www.mkg-hamburg.de
Einige der wichtigsten Museen der Stadt gehören zur Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH). Was Corona für sie bedeutet, was sich verändert hat und wie es weitergeht, erzählt Prof. Dr. Hans-Jörg Czech, Direktor und Vorstand
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die jetzige Phase der Wiedereröffnung?
Wir freuen uns in der SHMH riesig, dass wir mit unseren Dauer und Sonderausstellungen dem Publikum endlich wieder kulturelles Erleben vor Ort in denen Häusern ermöglichen können. Inzwischen sind die Maßnahmen zur Umsetzung der Kontaktbeschränkungen und der zusätzlichen Hygieneauflagen schon Teil einer neuen Betriebsroutine geworden. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir unseren Besucherinnen und Besuchern auch unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen einen angenehmen und sicheren Museumsbesuch bieten können.
Wie lange haben Sie für die Pläne zur Öffnung gebraucht?
Die ersten Überlegungen für ein abgestimmtes Vorgehen im Falle der Wiedereröffnung zunächst mit den anderen staatlich getragenen Museums und Ausstellungshäusern haben unmittelbar nach Ostern begonnen. Eine gemeinsame Linie für die erforderlichen Abstimmungen mit der Behörde für Kultur und Medien war dann schnell gefunden. Die folgenden Wochen bis zum 7. Mai waren dann für uns voll erforderlich, um die gemeinsamen Beschlüsse auf die Gegebenheiten an den einzelnen Standorten unserer Stiftung zuzupassen und die spezifischen Hygienekonzepte im Detail auszuarbeiten.
Wie lief dabei die Zusammenarbeit mit dem Senat?
Unsere Abstimmungen mit dem Kultursenator und der Behörde für Kultur und Medien verliefen zu jeder Zeit sehr konstruktiv und ermöglichten das gemeinsame, abgestimmte Vorgehen, an das sich dank der Vermittlung der Behörde dann erfreulicherweise auch viele Einrichtungen in nicht staatlicher Trägerschaft angeschlossen haben.
Waren strukturelle Veränderungen notwendig?
Es ist nach wie vor erforderlich, die Wegeführungen für das Publikum in unseren Ausstellungsbereichen stärker als früher zu steuern und Engstellen, an den denen die notwendigen Ab stände schwierig einzuhalten sind, zu vermeiden. Das geschieht in manchen Einrichtungen der SHMH zum Beispiel durch die Abgrenzung von separaten Ein und Ausgangstüren.
Haben Sie aus der Lockdown-Zeit etwas mitgenommen, das Sie zukünftig ändern werden?
In meiner Wahrnehmung haben die digitalen Portale und Inhalte der SHMH nochmals mehr an Bedeutung für unsere Vermittlungsarbeit gewonnen. Ich glaube, das geht vielen Kulturein richtungen ähnlich, die während der pandemie bedingten Schließungen auch nur die digitalen Wege zur Verfügung hatten oder noch haben, um ihr Publikum zu erreichen. Wir werden in Zukunft darauf hinwirken, die Erstellung von digitalen Angeboten noch flexibler und schnel ler bewerkstelligen zu können.
Wie ist es Ihnen während der Schließung ergangen?
Die Zeit war für mich selbst, wie für unsere Museumsteams in jedem Falle sehr intensiv und arbeitsreich. Ich schulde allen Kolleginnen und Kollegen in unseren Häusern großen Dank und Respekt für das engagierte und ideenreiche Wirken während der Schließungsphase, ohne das weder die speziellen digitalen Angebote zusammengekommen wären, noch die komplikationsfreie Wiedereröffnung. Und obendrein haben wir alle Erfahrungen in neuen Formen der Zusammenarbeit gesammelt – angefangen beim Zusammenwirken aus dem Homeoffice bis zur extensiven Nutzung von Telefon und Videokonferenztools.
Ihr Projekt „CoronaCollectionHH“ dokumentiert die Zeit während der Pandemie. Was wird unsere Nachwelt daraus ableiten können?
Für uns als historische Museen ist es eine der wichtigsten Aufgaben, nicht nur Prozesse und Abläufe der Vergangenheit zu erschließen, sondern auch die Ereignisse der Gegenwart systematisch zu dokumentieren. Was wir im Heute nicht aktiv sammeln und festhalten, steht uns und unseren Nachfolgern und Nachfolgerinnen im Amt morgen nicht für ihre Arbeit zur Verfügung. Es wird spannend sein, zu sehen, welche Schlüsse aus der Perspektive eines gewissen zeitlichen Abstands in der Zukunft daraus gezogen werden können.
Ausstellungen:
Bis 23.11.2020 im Altonaer Museum: Fisch. Gemüse. Wertpapiere. Fide Struck fotografiert
Bis 17.8.2020 im Museum für Hamburgische Geschichte: Reflect – historische Textilien im Prozess
Zu der SHMH gehören das Altonaer Museum, Museum für Hamburgische Geschichte, Museum der Arbeit, Hafenmuseum, Jenisch Haus und das Speicherstadtmuseum
shmh.de
3 Fragen an Barbara Plankensteiner, Direktorin MARKK
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die jetzige Phase der Wiedereröffnung?
Wir sind sehr froh, den Menschen in Zeiten wie diesen wieder Begegnung mit Kultur und auch einen gewissen sozialen Austausch ermöglichen zu können. Wir haben großes Glück, als Museum die räumlichen Gegeben heiten für eine Wiedereröffnung bieten zu können und konnten sogar unsere große Sonderausstellung „Im Schatten von Venus. Lisa Reihana & Kunst aus dem Pazifik“ bis Oktober verlängern. Sie wurde – kaum eröffnet – direkt wieder geschlossen. Nun können die Besucher und Besucherinnen das beeindruckende Videopanorama der neuseeländischen Künstlerin Lisa Reihana doch noch erleben.
Hat sich während der Schließzeit etwas herauskristallisiert, das Sie zukünftig ändern werden?
Einige digitale Formate, die sozusagen aus der Improvisation entstanden sind, möchten wir gerne weiterführen. So zum Beispiel unseren MARKK in Motion Podcast. Die Idee war, in Zeiten des Stillstands in Bewegung zu bleiben und die Veranstaltungen, die aufgrund der Schließung ausfallen mussten, digital als Videopodcast zu veröffentlichen. Durch die Interviews, die unser Kurator Gabriel Schimmeroth mit den PartnerInnen und Mit arbeiterInnen führt, erhalten die ZuschauerInnen einen spannenden Ein blick in die Entwicklungsprozesse, die während der Neupositionierung bei uns stattfinden. Solche Blicke hinter die Kulissen schaffen unabhängig von Ort und Zeit Zugang zu unseren Themen.
Welche Folgen tragen Sie aus der Zeit?
Die Ausstellungsplanung wurde durch Verschiebungen, die eine Kettenreaktion auslösen, längerfristig beeinflusst und natürlich haben wir finanzielle Einbußen zu verkraften, die uns einschränken und belasten. Wir hoffen vor allem, dass die Möglichkeit international zu reisen bald wieder gegeben ist, da ein Haus wie unseres vom Austausch und der Zusammenarbeit mit unseren PartnerInnen weltweit lebt. Wir haben zwar in dieser Zeit auch erprobt in OnlineMeetings den Austausch weiterzupflegen, doch haben wir dabei festgestellt, dass diese Form der Kommunikation eine direkte, persönliche Interaktion nicht ersetzen kann.
Ausstellungen:
Seit Mai Ausgezeichnet: Künstlerinnen des Inventars
Bis Oktober 2020 Im Schatten von Venus
markk-hamburg.de
Es geht nur gemeinsam
Für die Mitarbeiter der Hamburger Museen hat die Hamburgische Staatsoper in circa 70 Stunden 500 Schutzmasken angefertigt. Auch das Schauspielhaus hat mitgewirkt. Denn die Öffnung der Häuser unter den geltenden Hygiene- und Distanzregelung sei eine besondere Herausforderung wie Hans-Jörg Czech sagt, vor allem im Kassen-, Aufsichts- und Reinigungsdienst. Die Staatsoper zeigt sich solidarisch. Gerade in Krisenzeiten sei der Zusammenhalt sehr wichtig, wie Intendant Georges Delnon findet: „Wir alle vermissen unser Publikum schmerzlich. Dass die Museen nun schrittweise wieder öffnen, stimmt uns hoffnungsvoll. Deshalb freuen wir uns, den Hamburger Museen mit den Gesichtsmasken die Hand zu reichen.“
Der Text stammt aus dem SZENE HAMBURG DANKE!-Magazin. Das Magazin ist seit dem 29. Mai 2020 im Handel und auch im Online Shop oder als ePaper erhältlich!