Die Bornplatz-Synagoge im Hamburger Grindel-Viertel steht gleichermaßen für jüdisches Leben wie für Verfolgung und die Shoah. Nach langen Diskussionen, Debatten und der Ausarbeitung zahlreicher Entwürfe steht ein Wiederaufbau der Synagoge unmittelbar bevor. Am 19. September sollen die Entwürfe erstmals öffentlich vorgestellt werden.
Welche Rolle spielt dieses Projekt für Hamburg? Die Körber-Stiftung lud zu einem Abend im KörberForum ein, der sich diesem Thema widmete. Durch den Abend führte Journalist Peter Helling und moderierte die Gespräche der geladenen Gäste. Zu Gast waren Autor, Szenograf und Theatermacher Michael Batz, Daniel Luchterhandt vom Büro Luchterhandt & Partner, das den Architekturwettbewerb durchführt, Karen Körber, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für die Geschichte der deutschen Juden, und Daphna Horwitz, Mitglied im Beirat der jüdischen Gemeinde.
Bornplatz-Synagoge: Ein Ort mit schwerer Geschichte
Die historische Bornplatz-Synagoge im Hamburger Grindelviertel wurde 1906 eingeweiht und zählte zu den größten in Deutschland. In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde sie geschändet, die Inneneinrichtung zerstört und zwei Tage später in Brand gesetzt. Ein Jahr später musste die jüdische Gemeinde für den Abriss selbst aufkommen und das Grundstück unter Wert an die Stadt verkaufen. 1942 errichtete die NS-Stadtverwaltung auf dem Areal einen Bunker, der bis heute steht. Nach der Shoa, in der mehrere Tausend Hamburger Jüdinnen und Juden getötet wurden, gründeten Überlebende im September 1945 die jüdische Gemeinde Hamburg neu – ein Zeichen dafür, dass jüdisches Leben in Hamburg trotz allem nicht ausgelöscht werden konnte.
Ein wichtiges und sichtbares Erinnerungsmal setzte 1988 die Künstlerin Margit Karl: Ihr Bodenmosaik zeichnet den Grundriss der Synagoge nach – wie eine leise Verheißung dessen, was vielleicht eines Tages wieder entstehen könnte.
2020 nahm die Geschichte eine neue Wendung: Daniel Sheffer, der an der Diskussionsrunde im KörberForum leider nicht teilnehmen konnte, gründete die „Initiative zum Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge“. Damit begann ein Prozess, der drei Jahre später, 2023, in der Rückgabe des Grundstücks durch die Hamburgische Bürgerschaft an die jüdische Gemeinde mündete und durch die Zusage des Bundes, das Vorhaben finanziell zu unterstützen, bekräftigt wurde.
Wiederaufbau: Architekturwettbewerb und Erwartungen
Aktuell läuft ein internationaler Architekturwettbewerb unter der Betreuung des Stadtplanungsbüros von Daniel Luchterhandt. Am 17. und 18. September wird eine Jury, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Jüdischen Gemeinde, des Zentralrats der Juden, Mitglieder der Stadt sowie freien Planerinnen und Planern, ihre Entscheidung treffen. Die Ergebnisse der Auswahl sollen am 19. September dann erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden
Die neue Synagoge soll unverkennbar an den historischen Bau erinnern, zugleich aber heutigen Anforderungen gerecht werden. Da Raumprogramm und Grundriss vom Original abweichen, müsse sensibel entschieden werden, wie weit auch das äußere Erscheinungsbild angepasst wird. Ziel sei ein Baukörper, „der diesen Wiederaufbau mit einer zeitgemäßen, effizienten inneren Nutzung so verbindet, dass in vorausschauender Weise ein Bauwerk entsteht, das in der Zukunft Zeugnis über unterschiedliche Zeitschichten der Bornplatz-Synagoge ablegt“, so Luchterhandt. Die beiden neuen, ergänzenden Baukörper sollen dabei eine eigene architektonische Sprache entwickeln.

Eine Debatte: Zwischen Erinnerung, Neubeginn und Herausforderungen
Im Laufe des Abends ergab sich die Frage nach der Passbarkeit einiger Begriffe: Erinnerungskultur, Wiederaufbau, Rekonstruktion – problematisch, so der Tenor, und mit Vorsicht zu verwenden.
Zudem offenbarte sich die Frage, ob die Bedeutung der Synagoge selbst schwierig sei und der Wiederaufbau mit großen Herausforderungen, aber auch mit Spannungen verknüpft wäre. Der Aufbau der neuen Synagoge ist nicht nur ein architektonisches Projekt, sondern auch ein sozialer und symbolischer Prozess. Daphna Horwitz betonte, dass die Synagoge ein Ort der Zukunft werden solle – nicht nur ein Erinnerungsort, sondern vor allem ein Raum für jüdisches Leben und Gemeinschaft. In der Jüdischen Gemeinde sind damit große Erwartungen verbunden: Gefühle von Spannung, Hoffnung und Freude. Darüber hinaus wurde im Zusammenhang des Projektes von einem „Sehnsuchtsort“ gesprochen, der sowohl architektonisch als auch symbolisch Bedeutung tragen solle. Michael Batz erinnerte daran, dass die Synagoge bereits 1906 als Gewinn für die gesamte Stadtgesellschaft galt.
Das müssen wir in unsere Zeit übersetzen – und damit werden wir belohnt
Michael Batz
Die neue Bornplatz-Synagoge: ein Ort der Erinnerung, Gegenwart und Zukunft
Karen Körber wies darauf hin, dass der Wiederaufbau aber auch eine besondere gesellschaftliche Herausforderung darstellt: Es sei das Recht der Jüdischen Gemeinde, einen zerstörten Ort zurückzugewinnen und für gemeinschaftliche Zwecke zu nutzen. Gleichzeitig stehe dieses Recht in Spannung zur Verantwortung der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft, die für die historischen Taten während des Nationalsozialismus einzustehen habe. Sie betonte außerdem, dass der Bauprozess eng mit der Gemeinde und der Gesellschaft im Grindelviertel verknüpft sein müsse: Begleitende Dialogformate sollen über Entwürfe, Ängst, Risiken und Nutzungsmöglichkeiten sprechen und die Entstehung des Ortes aktiv begleiten.
Die Zerstörung der Synagoge durch die nichtjüdische Mehrheitsgesellschaft muss weiter sichtbar sein und den nachfolgenden Generationen immer wieder erklärt werden
Karen Körber
Körber machte außerdem darauf aufmerksam, dass die heutige Gemeinde, die sich nach der Shoah neu gegründet hat, und sich hier auch Unterschiede in der Nutzung zeigen, dass junge Mitglieder ein sehr viel flexibleres Verhältnis zum Ort haben und dadurch existieren vielfältige Vorstellungen darüber, wie der Ort künftig genutzt werden soll. Entscheidend sei, nicht nur das Gebäude zu betrachten, sondern das jüdische Leben vor Ort: Welche Aktivitäten, religiösen Strömungen und Veranstaltungen sollen dort künftig Raum finden?
Der Abend machte deutlich, dass die Erwartungen an die neue Synagoge hoch und viele Emotionen damit verbunden sind: Sie soll ein Ort der Erinnerung, der Gegenwart und der Zukunft sein, die Diversität der heutigen Jüdischen Gemeinde widerspiegeln und zugleich für die Stadtgesellschaft von Bedeutung sein. Es wird spannend zu sehen, welcher Entwurf sich im Architekturwettbewerb durchsetzen wird, wie der Bauprozess den öffentlichen Raum und das Leben im Grindelviertel gestalten und welche Rolle die Synagoge in der Zukunft einnehmen wird.