Portrait: Basketball-Coaching-Talent Sükran Gencay

Sükran Gencay (Foto: Patrick Meller)

Sükran Gencay ist mit den Basketballern des ETV in die 2. Liga Pro B aufgestiegen, es war der sechste Aufstieg in acht Jahren. Über ein außergewöhnliches Coaching-Talent

Text: Matthias Greulich

Sükran Gencay verdreht Augen, als sie einen Spieler der gegnerischen Mannschaft über eine Schiedsrichterentscheidung lamentieren hört. „Spiel’ doch mal Basketball“, ruft sie dem Zwei-Meter-Mann zu. Der Schlaks sieht die 160 Zentimeter große Frau mit dem schwarzen T-Shirt an und hört tatsächlich auf zu meckern.

„Ich mag klare Ansagen, das war schon immer so“, sagt die 34-Jährige, die als Headcoach mit den ETV Basketballern im Frühjahr sensationell in die 2. Bundesliga aufgestiegen ist. Es ist der sechste Aufstieg, seitdem Gencay vor acht Jahren das Team in der Kreisliga übernahm. Wenn in der dritthöchsten deutschen Spielklasse wie geplant am 16. Oktober die Saison beginnen kann, heißen die Gegner ART Giants Düsseldorf, Rhein Stars Köln oder SC Rist Wedel. Einige Spieler in der 2. Bundesliga Pro B können vom Basketball leben, andere sind Halbprofis oder opfern wie die Eimsbütteler Amateure fast ihre gesamte Freizeit für ihr Hobby. Das gilt auch für ihre ehrgeizige Trainerin, die als Projektmanagerin arbeitet und die Basketballabteilung des ETV ehrenamtlich leitet.

Ganz oder gar nicht

Der Job in einer Logistikfirma macht Gencay unabhängig: „Ich habe wenig Freizeit, sehe die Konstellation aber eher als Vorteil. Basketball bleibt eine Leidenschaft. Ich habe nicht diesen extremen Druck wie andere Trainer.“ Allerdings verzichtet sie in dieser Saison erstmals darauf, selber zu spielen. Bei der BG West, der Basketballgemeinschaft des SV Eidelstedt und des SV Lurup, könnte sie zwar gelegentlich aushelfen, aber „ich will dem Team dann auch gerecht werden“. Etwas nur halb zu machen, widerstrebe ihr.

Bräuchte man übrigens eine Referentin, um die Vorteile des Mannschaftssports zu schildern, wäre Gencay denkbar geeignet. „Die Möglichkeiten, sich als Persönlichkeit weiterzuentwickeln, hast du sonst nicht im Alltag“, findet sie. Umso mehr gilt das für die sehr vielfältige ETV Basketball Community. „Das ist einer unserer größten Reichtümer.“ Die Muslima ist dafür ein Beispiel. In Wilhelmsburg aufgewachsen, ging sie in St. Georg zur Schule und begann beim ETV Basketball zu spielen. Die Towers gab es noch nicht, es war für Wilhelmsburger Mädchen mit türkischen Wurzeln Mitte der 1990er Jahre nicht selbstverständlich, im Verein Basketball zu spielen. „Da ist meine Generation so etwas wie ein Türöffner.“ Mittlerweile seien junge Frauen wie sie in den Vereinen viel präsenter.

Wertschätzender Umgang

Je höher die Spielklasse ist, der die ETV Basketballer angehören, desto mehr wird es für Außenstehende ein Thema, dass da eine Frau Männer in der dritten Liga trainiert. „Anfangs hat mich das wütend gemacht, weil es für mich nie wichtig war“, sagt Gencay. Inzwischen sehe sie das Interesse der Medien entspannter. „Es ist noch keine Normalität, aber das kann sich ändern.“ Davon, dass Frauen ein Team anders führen als Männer, ist sie überzeugt. „Es geht um einen wertschätzenden Umgang miteinander.“ Sie schaffe es, deutliche Ansagen an der Seitenlinie mit einem guten Verhältnis zum Team zu verbinden, was im Leistungsbasketball eher selten ist.

Als ihre Spieler vor zwei Jahren als Aufsteiger in der Regionalliga reihenweise Spiele verloren, ging das Team reichlich deprimiert in die Weihnachtspause. Der Klassenerhalt war angesichts der vielen Niederlagen weit aus dem Blick geraten. Sükran Gencay schickte jedem ihrer Spieler einen handgeschriebenen Brief, in dem sie an die Stärken jedes Einzelnen im Kader erinnerte. In Zeiten von WhatsApp waren diese Briefe so außergewöhnlich, dass viele Spieler sich noch an den Inhalt erinnern können. „Das Schriftliche hat einen besonderen Wert, ich habe mir genau überlegt, was ich schrieb“, sagt Gencay. Und dass der ETV wieder an sich zu glauben begann, war ein erster Schritt für den Klassenerhalt, der einige Monate später tatsächlich gefeiert werden konnte. „Manchmal bin ich auch nett“, sagt sie und lacht.


 SZENE HAMBURG Stadtmagazin, September 2020. Das Magazin ist seit dem 29. August 2020 im Handel und  auch im Online Shop oder als ePaper erhältlich! 

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