Für die Subkultur: Ravende Demo an der Sternbrücke

Kaum Freiflächen, keine Standortsicherung, bedrohte Clubs. Die subkulturelle Szene der Stadt kämpft mit unterschiedlichen Problemen. Um sich Gehör zu verschaffen, ziehen Anfang September zahlreiche Kollektive aus dem Bereich der elektronischen Musik durch die Stadt. Mitorganisator Jesse Meier über Aufmerksamkeit, Netzwerkarbeit und politische Forderungen
Tanzen mit Message: Demo für Hamburgs Subkultur (©Eike Nils Knopp)

SZENE HAMBURG: Jesse, seit wann bist du in der Hamburger Subkultur aktiv?

Jesse Meier: Den Einstieg ins Nachtleben der elektronischen Tanzmusik habe ich vor etwa fünf Jahren über Freunde gefunden. Vor allem die Clubs an der Sternbrücke haben wir besucht. Irgendwann war es mir nicht mehr genug nur als Gast auf Veranstaltungen zu gehen und ich habe angefangen, mich als DJ zu versuchen. Inzwischen helfe ich regelmäßig auf Partys von Freunden aus, egal ob an der Tür, an der Kasse, an der Bar oder beim Auf- und Abbau. Außerdem bin ich noch DJ-Resident im DANS Kollektiv.

Warum geht ihr auf die Straße?

Wir wollen die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass es unsere Subkultur gibt und diese auch Raum braucht sich zu entfalten. Für ein gutes Leben in der Stadt braucht es meiner Ansicht nach Platz für Kunst- und Kulturschaffende und sichere Orte für Subkulturen jeglicher Art, vor allem in Bezug auf nicht kommerzielle Projekte. Natürlich sollte man hier interdisziplinär denken. Also besagte Punkte kombiniert mit einer nachhaltigen Stadtentwicklung und einer Zugänglichkeit für alle. Auch die Hamburger Innenstadt soll wieder lebendiger werden. Wir brauchen nicht noch mehr große Ketten und teure Luxusgeschäfte, sondern Orte, an denen die Bewohner der Stadt zusammenkommen und gerne Zeit verbringen.

Wir zeigen und leben während der Demo einen Teil unserer Subkultur

Jesse Meier

Kannst du ein paar Beispiele in Hamburg nennen?

Im Gängeviertel und in der Roten Flora gibt es offene Programmgruppentreffen, wo man seine Ideen vorstellen kann. Dort kann theoretisch jeder nicht kommerzielle Veranstaltungen auf die Beine stellen. Ein weiteres interessantes Projekt ist Jupiter, das ehemalige Karstadt-Sport Gebäude am Hauptbahnhof/Mönckebergstraße. Dort werden unter dem Projektnamen „Frei_Fläche: Raum für kreative Zwischennutzung“ Räumlichkeiten für 1,50 pro m² angeboten und bieten eine günstige Möglichkeit für Kreativschaffende ihre Arbeiten zu präsentieren. Allerdings sollte es bestenfalls nicht nur bei einer Zwischennutzung bleiben.

Es geht um um Aufmerksamkeit und mediale Präsenz

Warum ein Demo-Rave und keine klassische Demonstration?

Erstens denke ich, dass man mit einem Demo-Rave noch besser Leute mobilisieren kann. Für viele ist ein sonniger Samstag dann doch zu schade, um ihn auf einer Demonstration zu verbringen. Zweitens zeigen und leben wir zeitgleich während der Demo einen Teil unserer Subkultur.

Geraten Forderungen bei solch einer Veranstaltung nicht in den Hintergrund?

Die Sorge ist nicht unbegründet, aber wir versuchen ein gutes Mittelmaß zu finden und Inhalte, vor allem durch Redebeiträge, nicht zu kurz kommen zu lassen. Während der Demo geht es in erster Linie um Aufmerksamkeit und mediale Präsenz, worauf wir dann in der Nachbereitung drauf aufbauen können. Wir denken, dass wir unsere Forderungen so besser in die breite Masse bringen können.

Wir halten nach wie vor an unserer Forderung für ein Ortsgesetz für nicht kommerzielle Freiluftpartys in Hamburg fest

Jesse Meier

Es gab bereits einen Demo-Rave in diesem Jahr. Hat sich seitdem etwas getan?

Das war unser erster Versuch einer Demo und ein Einstieg in politische Projekte, welcher in meinen Augen auch gut gelungen ist. Damals nur mit einem Wagen und dem DANS Kollektiv wollten wir erst mal Aufmerksamkeit erzeugen und die Durchführung einer Demo erproben. Danach haben wir uns weiter vernetzt, andere Kollektive für die Sache begeistert und sind direkt in die Planung der nächsten Demo.

Wer ist diesmal beteiligt?

Als Erstes haben wir Freunde und Bekannte aus der Szene gefragt, ob sie Lust haben mitzuwirken. Danach gab es noch einen öffentlichen Aufruf zum Mitmachen und einige haben wir auch gezielt angesprochen. Alles initiiert durch das DANS Kollektiv und das Ecopolis Kollektiv. Weitere Unterstützung geht noch vom Gängeviertel aus, welches uns Räumlichkeiten für Orga-Treffen und zur weiteren Vorbereitung bieten. Außerdem mit dabei aus dem Bereich der elektronischen Tanzmusik sind: Armonia, Music is for Lovers, Darktimes Kollektiv, Bosse Faust, Love Foundation, mise en abyme, Verflixt Music, Gruuve Kitchen und Intertronika. Dazu kommen noch das Fundbureau und die Initiative Sternbrücke, letztere hat auch schon öfter mit dem Ecopolis Kollektiv zusammengearbeitet.

Bremen ist das Vorbild für die Hamburger Subkultur

Kannst du etwas zum Ablauf erzählen?

Will bald auch mit der Lokalpolitik in Kontakt treten: Jesse Meier (©Alexander Struth)

Bis jetzt fix dabei mit eigenem Wagen sind die Kollektive von Ecopolis, DANS, Music is for Lovers, Darktimes und Armonia. Weitere Wägen sind noch in Planung, jedoch konnten einige noch nicht genügend finanzielle Mittel auftreiben. Bespielt werden die Wägen von DJs aus den teilnehmenden Kollektiven. Redebeiträge werden von der Initiative Sternbrücke, DANS und dem Darktimes Kollektiv gestellt. Die Route wird ein Rundgang und startet an der Sternbrücke, einem symbolischen Ort, an dem die Clubs fürchten müssen, verdrängt zu werden. Deswegen auch die Zusammenarbeit mit der Initiative Sternbrücke. Weiter geht es über das Schulterblatt, Richtung U Feldstraße am Bunker vorbei, am Karolinenplatz vorbei, zum Schlump und als Letztes wieder auf das Schulterblatt.

Mit wie vielen Teilnehmenden rechnet ihr?

Wir gehen erst mal von 1000 Leuten aus und haben mit dieser Größe die Demo angemeldet. Es wird mehrere Wägen von verschiedenen Kollektiven geben, welche ihre Communitys mitbringen werden. Dazu kommen noch diverse Gruppen/Kollektive, die namentlich unterstützen.

Wie kann man sich einbringen?

Das naheliegendste ist natürlich zur nächsten Demo zu erscheinen. Oder wenn man selbst nicht erscheinen kann, den Demo-Aufruf zu teilen. Gern gesehen ist auch finanzielle Unterstützung über unseren Spendentopf auf unserer Instagram-Seite.

Und wie geht es nach der Demo weiter?

Wir halten nach wie vor an unserer Forderung für ein Ortsgesetz für nicht kommerzielle Freiluftpartys in Hamburg fest. Bremen hat es vorgemacht und dient hier als Vorbild. Nach der Demo kommt noch viel Netzwerkarbeit auf uns zu. Wir wollen uns mit möglichst vielen Kollektiven, Kulturschaffenden, Clubs, Vereinen et cetera vernetzen, um so eine große Community zu schaffen, die hinter unseren Themen steht. Im nächsten Schritt versuchen wir, Kontakte zur Lokalpolitik und Entscheidungsträgern herzustellen. Also weiterhin Erfahrungen sammeln, Netzwerken, politisch aktiv sein und künftig noch mehr Demonstrationen und Veranstaltungen durchführen.

Der nächste Demo-Rave findet am 2. September 2023 um 15 Uhr an der Sternbrücke statt. Mehr Infos unter instagram.com/demorave.hamburg/

Dieses Interview ist zuerst in der SZENE HAMBURG 09/2023 erschienen.

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