Queer Film Festival: Emotionale Zugehörigkeit

Das Hamburg International Queer Film Festival ist Deutschlands größtes Filmfest für queere Filme – entstanden aus einem Filmseminar an der Uni Hamburg. Dieses Jahr findet es vom 17. bis zum 22. Oktober statt
2022 wurde das Hamburg International Queer Film Festival auf Kampnagel eröffnet (©Aileen Pinkert)

Im Herbst ist Zeit für gute Filme. Noch dauert es, bis der erste Film gezeigt wird, doch das Team des Hamburg International Queer Film Festival, kurz HIQFF, hat bereits vor gut zwei Monaten mit der Planung, Sichtung und Organisation der diesjährigen Ausgabe begonnen. Zum 34. Mal findet das Filmfestival, das von engagierten Queers für die queere Community organisiert wird, vom 17. bis zum 22. Oktober 2023 in diversen Hamburger Kinos statt und soll wieder bis zu 15.000 Besuchende in die Kinosessel locken.

„Wir haben jedes Jahr ein komplett neues Festival auf die Beine gestellt“, erzählen Hanne Homrighausen und Sarah Heller, zwei Mitglieder des etwa zehnköpfigen Organisationsteams des Filmfestivals. Die beiden sind unter anderem für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich und schon seit mehreren Jahren dabei. Dass sie jedes Jahr komplett neu mit der Organisation starten müssen, liegt zum einen an der vergangenen Corona-Pandemie, die viele Filmschaffende und Festival-Organisierende vor massive Probleme gestellt hat. Zum anderen ist es der Tatsache geschuldet, dass das Festival größtenteils ehrenamtlich organisiert wird. Drei Personen haben Minijobs über das ganze Jahr. Gearbeitet wird, wann Zeit ist. Und wenn das Festival näher rückt, gerne auch mehr. 

Mit der Berlinale beginnt die Organisation

Sarah Heller und Hanne Homrighausen sind Teil des zehnköpfigen Orga-Teams des HIQFF (©Aileen Pinkert)

Die Berlinale ist der Startschuss für die Organisation des HIQFF. Während des renommierten Filmfestivals fahren viele Mitglieder des Orga-Teams in die Hauptstadt und schauen sich eine Auswahl an Filmen an. Vor allem die Gewinnerinnen und Gewinner des Teddy-Awards, der weltweit erste offizielle queere Filmpreis, werden mit Spannung erwartet. Etwa bis Anfang August sichtet das Team weitere zahlreiche Kurz- und Langfilme, Dokumentationen und Spielfilme – zum Beispiel bei einem gemeinsamen Wochenende im Wendland mit zahlreichen Stunden vor dem Bildschirm. „Wir arbeiten als Kollektiv, wir entscheiden gemeinsam das Programm“, erklärt Hanne Homrighausen.

Die finale Auswahl steht noch nicht fest, aber die beiden können bereits verraten, dass es 30 Langfilme in die Auswahl geschafft haben. „Die letzten Jahre waren viel kleiner“, freuen sich die Filmexpertinnen. Insgesamt werden an den sechs Tagen rund 50 Programme gespielt, dazu zählen neben Vorstellungen in den Hamburger Kinos auch Wiederholungen der letzten Jahre und ein Online-Programm für die Leute, die nicht vor Ort sein können. „Es ist eine Mischung aus den Festivals der letzten Jahre. Das, was gut lief, machen wir jetzt wieder.“

Erste Filme für das HIQFF

Ein paar Einblicke in das diesjährige Programm können die beiden schon geben: Zwei Filme von der Berlinale haben es in das Programm des 34. Filmfestivals geschafft. „Drifter“, eine deutsche Produktion über Moritz, der das queere Partyleben in Berlin entdeckt. Und „Silver Haze“, eine lesbische Geschichte in Großbritannien, über Liebe und Verletzungen, die nachhaltig das Leben der Protagonistin beeinflussen.

Wir haben jedes Jahr ein komplett neues Festival auf die Beine gestellt

Hanne Homrighausen und Sarah Heller

Generell versucht das Team allen Personen aus der LGBTIQ+-Community eine ausgewogene Mischung an Filmen zu präsentieren, sodass sich möglichst viele Menschen auf den Leinwänden wiederfinden und sich in den Themen aus der queeren Lebenswelt gesehen fühlen. Aus diesem Grund werden auch jedes Jahr Gastprogramme eingeladen, um weiteren Perspektiven Raum zu geben. Neben den Filmen von der Berlinale nimmt das Team auch Programme anderer queerer Filmfestivals unter die Lupe. Außerdem reichen Unterstützende des Festivals sowie Filmschaffende weitere Vorschläge ein. 

Themenschwerpunkt: Ethical Porn

Ein Themenschwerpunkt des HIQFF steht für dieses Jahr schon fest: Ethical oder feministischer Porn. Zum Beispiel wird die Dokumentation „Fierce: A Porn Revolution“ von Patrick Muroni (Schweiz, 2022) gezeigt. „Früher haben sich Schwerpunkt fast aufgedrängt, die letzten Jahre haben wir einfach geschaut, welche Themen uns interessieren“, erzählt Hanne Homrighausen. Doch nicht jeder Film ist einem Schwerpunkt zuzuordnen.

So ist ein weiteres filmisches Highlight zum Beispiel „Orlando, My Political Biography“. Der Film basiert auf dem Roman von Virgina Woolf und wurde von dem spanischen Philosophen und Queer-Theoretiker Paul B. Preciado als Essayfilm umgesetzt. „Wir versuchen eine Plattform für Filmschaffende zu sein, die aus Ländern kommen, wo Queersein noch schwieriger ist, wo es weniger akzeptiert ist oder auch weniger Finanzierung für queere Filme gibt“, sagt Sarah Heller. Deutsche Filme, so die beiden, schaffen es oft in die normalen Kinos oder ins Fernsehen. Besuchende des Hamburger Queer Film Festivals können sich daher vor allem auf internationale Filme freuen.

Ein Filmfestival für die Community

Nachdem die letzten vier Jahre nur eingeschränkt gefeiert werden konnte, freuen sich Hanne Homrighausen und Sarah Heller, dieses Jahr endlich wieder den Publikumspreis in die Festivaltage zu integrieren. Denn Hamburgs queeres Filmfestival ist ein Community-Festival. „Die Leute fühlen sich dem Festival emotional zugehörig, auch über Jahre. Sie möchten etwas dazu beitragen“, sagen sie. Als Gemeinschaftsprojekt ist das Festival 1989 entstanden. Studierende der Universität Hamburg organisierten ein Seminar zum Thema „Homosexualität im Film“. In einer Kooperation mit dem Kommunalen Kino Metropolis entstanden im Sommer 1990 die ersten Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg. Der Titel blieb bis 2021, dann wurde der englische Untertitel der neue Name. „Wir haben gemerkt, dass sich unter Lesbisch und Schwul einfach nicht mehr so viele Leute verorten können“, erklärt Hanne Homrighausen.

Alle Teilnehmenden des Filmfestivals sind schließlich auch die Jury. Sie können eine Stimme für den persönlichen Favoritenfilm abgeben, der schließlich bei einer Preisverleihung geehrt wird. Welche Kategorien es geben wird? Neben Lang- und Kurzfilm können Hanne Homrighausen und Sarah Heller noch nicht viel verraten. „Die Planung steckt noch in den Kinderschuhen“, so die beiden. Sicher ist aber: Neben den Filmveranstaltungen im Metropolis, 3001 und Passage Kino begleiten Filmgespräche, Workshops, Vorträge und Partys das Programm. 

Dieser Artikel ist in einer ersten Version in der SZENE HAMBURG 08/2023 erschienen.

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