Beim Krach + Getöse-Musikwettbewerb hat sie abgeräumt, sie tourte mit Pohlmann und spielte als Support von Y’akoto im Stadtparkt: 2017 war das Jahr für Emily-Mae Lewis. Jetzt tritt die Singer/Songwriterin gleich zwei Mal beim Reeperbahn Festival auf. Ein Gespräch über Ruhepole in einer lauten Branche
/Interview & Fotos: Regine Marxen
SZENE Hamburg: Emily, ich habe im Vorfeld unseres Gesprächs überraschend wenig über dich und deine Musik im Internet finden können. Was ist da los?
Emily-Mae Lewis: Ja, das stimmt. Ich bin noch nicht lange im Internet. Ich rutsche gerade erst rein in die Musik, mehr oder weniger aus Versehen. Ich habe in meinem Leben noch nicht so viele Interviews gegeben und bin nicht so internetaffin.
Dann erzähle mir doch mal ein bisschen etwas über dich. Wie bist Du zur Musik gekommen? Seit wann machst Du Musik?
Ich habe tatsächlich erst vor zweieinhalb Jahren angefangen, meine eigene Musik zu machen. Ich habe schon immer Gedichte geschrieben. Ich habe auch schon immer gesungen und auch lange Gitarre gespielt, habe das alles nie miteinander verbunden. Und dann schlug mir eine Freundin vor, mal einen Song zu schreiben. Und dann habe ich nicht mehr aufgehört. Das war Anfang letzten Jahres. Seit dem mache ich das und ziehe das durch.
Gemeinsam mit deiner Gitarre…
Genau. Einsam auf der Bühne (lacht)
„Aber ich bin scheiße jung. Da ist noch viel Zeit.“
Du bist 18, hast dein Fach-Abi in der Tasche. Was wäre denn eigentlich dein Ziel gewesen, außer der Musik?
Ich wollte eigentlich Kunst studieren. Weil ich sehr gerne male. Und dann ist es irgendwie anders gelaufen. Ich entdeckte die Musik, verließ die Schule, verwarf die Idee mit dem Studium. Schule ist nicht mein Ort. Ich machte in diesem Jahr den Popkurs, nahm am Wettbewerb Krach + Getöse teil. Der war dort überall ausgeschrieben. Und gehörte zu den Preisträgern. Es hat einfach funktioniert.
Was sagen deine Eltern dazu? Haben die auch einen musikalischen Hintergrund?
Nicht wirklich. Die hören beide gute Musik, und die haben mich als Kind sehr gut gepflegt mit guter Musik. Ich wusste mit drei Jahren, was die Beatles sind und konnte mitsingen. Meine Mutter und mein Vater machten Mixtapes und es lief immer Musik. Meine Mutter hatte zudem in Ottensen eine Kulturkneipe, und da gab es immer Live-Auftritte. Da war ich so ungefähr neun Jahre alt. Ich bin also mit Musik groß geworden.
Und jetzt bestimmt sie dein Leben: Krach + Getöse hast du gewonnen, Nils Wülkers Herz erobert. Und in diesem Sommer ging es ab. Eine kleine Tour mit Pohlmann, eine eigene Tour, Support von Y’akoto im Stadtpark, Dockville. Langweilig war es in diesem Jahr nicht, oder?
Auf keinen Fall. Das war ein Sommer. Ich bin so viel rumgekommen, so viel rausgekommen, das hat mir richtig gut getan. Pohlmann war das Schönste, glaube ich, weil ich so viele Menschen kennen gelernt habe. Und es war meine erste Tour.
Was ist das Besondere bei der ersten Tour?
Ich glaube, sich darauf einzulassen. Ich musste in diesem Sommer lernen, mich auf vieles einzulassen. Gerade, weil man bei einer Tour nie weiß, was oder wie es kommt. Ich war eine Woche mit Pohlmann unterwegs, war auch noch ein bisschen erkältet. Und hatte echt Respekt vor den großen Musikern um mich herum. Ich meine, Pohlmann hörte ich das erste Mal mit sechs oder sieben Jahren. Aber die haben mich so schön aufgenommen. Das war echt cool.
Das hört sich toll an. Wie ist es denn überhaupt zu der Tour gekommen?
Arne Ghosh von 380grad hat das umgesetzt. Der begleitet mich auch auf Schritt und Tritt. Ich bin mit seiner Tochter befreundet, die auch Musikmanagerin werden will.
Das klingt nach einem sehr schönen, familiären Umfeld, das du gerade um dich hast.
Absolut. Ich starte sehr umarmt. Ich hätte es mir nicht schöner vorstellen können. Ich wurde einfach quasi vom Boden aufgehoben und gekuschelt und habe diesen Sommer so viel gemacht.
Wobei du ja auch viel Mut bewiesen hast, indem du dich auf die Bühne stellst. Hast du Schiss vor Auftritten?
Nein. Ich liebe Bühnen. Ich weiß nicht, was es ist, aber ich fühle mich da wohl. Ironischerweise gehe ich nicht gerne zu Konzerten und mag keine Menschenmengen. Aber auf der Bühne habe ich meinen Raum. Ich habe mir immer die Schuhe ausgezogen und setze mich dann im Schneidersitz auf die Bühne. Ich mache es mir bequem und die Bühne zu meinem Zuhause.
Wie reagiert das Publikum darauf?
Meistens sehr warm. Es kommt auf den Kontext an. Ich habe festgestellt, auf Festivals zu spielen ist total geil, aber die Menschen erwarten was anderes. Wenn ich dann in mein Wohnzimmer komme, gehen einige weiter um zu feiern. In Berlin mit Pohlmann spielten wir im Lido und das war riesig groß. Und da haben mir auch viele Leute zugehört, aber einige unterhielten sich hinten. Die hörten mich auch gar nicht mehr an der Bar. Das hat mich erst irritiert, aber ich konnte das dann ausblenden.
Du wirst auch auf dem Reeperbahn Festival spielen, sogar zwei Mal. Und wirst in der Programm-Ankündigung mit Tracy Chapman verglichen. Nimmt der Druck allmählich zu oder fühlt sich das alles noch fluffig an.
Der Druck nimmt zu. Aber ich glaube nicht, dass jemand was von mir erwartet. Das bin eher ich, die viel von mir selber erwartet. Ich merke, dass Teile von mir sich weiter entwickelt haben und andere nicht. Aber ich bin scheiße jung. Da ist noch viel Zeit. Ich bin umgeben von so viel erfahrenen Menschen, klettere eine Stufe hoch, rutsche wieder herunter. Aber das ist OK. Ich muss mir mal eine Pause geben. Wenn ich auf der Bühne stehe, spüre ich keinerlei Druck. Aber zuhause kommt das vor. Und dann muss ich lernen, zu entspannen.
Wer hilft dir dabei?
Meine beste Freundin. Die ist da. Die kann mich sehr entspannen. Sie strahlt sehr viel Ruhe aus. Gerade in der Musikwelt bin ich viel von aufgeregten und wuseligen Menschen umgeben. Meine Freundin tickt da anders. Von dieser Ruhe möchte ich mir dann eine Scheibe abschneiden und auf der Bühne vermitteln. Denn ich mach unglaublich ruhige Musik. Und natürlich hilft mir mein Netzwerk. Das mich aufnimmt, mir Jobs ermöglicht und mich auffängt, wenn ich falle.
Auf dem Reeperbahn Festival werden sich viele Singer/Songwriter und Newcomer versammeln. Hast du Angst, dort vielleicht unterzugehen?
Nein. Gar nicht. Auch wenn ich manchmal Druck verspüre, freue ich mich darauf. Das wird schön.
Hast du ein besonderes Ziel, das du die nächsten Monate ansteuern möchtest?
Ja. Gerade der Popkurs hat mir gezeigt, was ich alles kann. Der fordert einen heraus, und ich habe so viele musikalische Seiten an mir gefunden, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren. Mein Ziel ist es, das unterzubringen in meinen eigenen Sachen. Und ich meine eigene Musik immer mehr zu lieben und zu schätzen weiß.