Rosi: „Mit 19 stand ich das erste Mal hinterm Tresen“

"Was soll ich mir noch wünschen?" (Bild: Max Nölke)

Tagein, tagaus wirbeln knapp zwei Millionen Menschen durch Hamburg. Wir fischen sie für einen Moment aus ihrem Alltag und lauschen ihren Geschichten. Diese Woche sind wir Rosi begegnet.

Protokoll: Max Nölke

„Was willste denn ne 80-jährige Frau fragen, was die sich noch wünscht? Gar nichts. Ich habe doch alles. Meine Kneipe, meine Mädels hinter der Theke, schöne Klamotten. Die schicken Stiefel kann ich bestimmt auch noch fünf Jahre tragen und den Mantel habe ich von meinem Sohn geschenkt bekommen. Da musste ich nur die Knopfleiste versetzen. Sieht toll aus, oder?

1941 bin ich geboren, meine Mutter ist 1947 gestorben. Mein Vater war Kneipenwirt auf St. Pauli, da gab es für mich und meine beiden Schwestern kein Püppi und Prinzessin. Ich habe es mir mein Leben lang zwar nie einfach gemacht, immer aus dem Bauch entschieden und auch Fehler zwei Mal gemacht. Aber ich sage immer: ‚Wer die Scheiße von der Straße nicht gefressen hat, weiß auch nicht, wie sie schmeckt‘.

Mit 19 stand ich das erste Mal hinterm Tresen, damals noch im Kaiserkeller, dann im Star Club. Erst 1969 bin ich dann in Papas Laden gekommen. Damals hieß der noch „Zu den drei Hufeisen“ – inoffiziell heißt er immer noch so – aber den ganzen Engländern auf dem Kiez war das zu kompliziert, die haben immer nur gefragt: ‚Where is Rosi’s Bar?‘ und naja, seitdem steht‘s außen dran.

Hamburger Musikszene

Als Barfrau warst du in den Sechzigern und Siebzigern die erste Anlaufstelle der ganzen Musiker. Die kamen an den Tresen, wollten dich abchecken, ein bisschen Kontakte knüpfen – so habe ich auch meinen Mann Tony Sheridan kennengelernt, den Matador der Hamburger Musikszene. Ich sage dir, ohne ihn hätte es die Beatles nie gegeben. Paul McCartney sagt heute noch, Tony sei der Teacher gewesen, mit dem alles anfing. Ein halbes Jahr haben die Beatles mit Tony im ehemaligen Top Ten Club gespielt. Wir haben damals zusammen unter einem Dach gewohnt: Hier haben Tony und ich, da Pete Best, da John Lennon, da George Harrison und gegenüber Paul McCartney geschlafen. Stuart Sudcliffe hat bei Astrid in Eimsbüttel gepennt. Was für eine Zeit!

Heute bin ich die Einzige, die aus diesen Tagen noch lebt. Meine beiden Schwestern sind früh gestorben, Tony ist tot. Und auch mein Sohn ist vor zwei Jahren viel zu jung verstorben. Ich sage zwar immer, ich vermisse nichts, aber so einfach ist es nicht. Natürlich vermisse ich meine Geschwister, die Gespräche, meine Blues- und Boogie-Connection, meine Eltern, Tony und meinen Sohn. Ich könnte die Elbe rauf und runter weinen, wenn ich an Ricky denke. Er war ein wunderschöner Typ mit einem feinen Charakter, viele haben ihn geliebt, er hat immer diese gestreiften Shirts getragen. Aber es ändert ja nichts daran, dass er weg ist. Man kann sich sentimental in so etwas hineinstürzen, aber so bin ich nicht. Wenn jemand nicht mehr lebt, kannst du dem Verlust nachjammern oder du erinnerst dich an ihn und sagst ‚Wow, war das ein toller Kerl‘. Tomorrow is another day. Boogie und Blues war ne schöne Zeit. Aber weißt du was? Heute ist auch ne schöne Zeit.“

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