Omar El-Arnous, Kind libanesischer Eltern, wurde vor 23 Jahren in Barmbek geboren. Er besuchte die französische Schule in Lokstedt und war, laut eigener Aussage, „nicht besonders sportlich“. Bis zu seinem 10. Lebensjahr spielte Sport deswegen auch keine Rolle. Bis zu dem Tag, als der Hamburger Rugby Club (HRC) seine Bildungsstätte besuchte, einen Stand aufbaute, und den Kindern zeigte, was so ein Ball mit rotationselliptischer Form alles kann – und dass so ein kleiner Dicker (auch wieder nach eigener Aussage) durchaus für diese Sportart gesucht wird.
„Zuerst habe ich gedacht: Ne, das hört sich zu hart an. Das will ich nicht“, beschreibt Omar seine erste Begegnung. Auch seine Eltern, besonders seine Mutter, fanden die Idee so mittelmäßig. Doch irgendwie ging der Gedanke nicht aus seinem Kopf. Also ging der kleine Omar zu einem Spiel. Nach dem Spiel ging er dann zum Probetraining und nach dem Probetraining fand er einen Platz in der Jugendmannschaft. Bei den kleinen Löwen begann die zarte Bande.
Training ist Ehrensache
Ab dem Zeitpunkt war regelmäßiges Erscheinen beim Training Ehrensache, Freundschaften wurden geschlossen und die Eltern überzeugt, dass das alles gar … sondern auch passen. nicht so schlimm sei. Mit 14 Jahren rief die große weite Welt. Omar bewarb sich für ein Auslandsjahr im Libanon. Praktisch war, dass er bei einem Teil seiner Familie wohnen konnte. Was fehlte, war ein Team. Omar: „Ich habe mich bei einer Unimannschaft beworben und gefragt, ob ich mitmachen kann.“ Mit 14 Jahren in einer Unimannschaft?? „Bei den Tryouts konnte ich körperlich gut mithalten und ich durfte bleiben.“ Eine Saison hat er dort als Jüngster gespielt. Wieder zurück in Deutschland dann der erste traurige Moment. Seine Jugendmannschaft existierte nicht mehr, alle seine Freunde hatten aufgehört. Nichts Ungewöhnliches mit 15 Jahren, wenn die Antennen in viele verschiedene Richtungen ausgefahren werden. Für Omar aber nicht mal ansatzweise ein Grund, mit Rugby zu brechen.
Das Leid der Neuen
Der Jüngste zu sein, das Gefühl war ja nun bekannt. Also landete er beim HRC bei den 2. Herren in der Verbandsliga. Zwei Jahre zeigte er den „älteren Herren so um die 30“ wie es geht. Im 1. Jahr wurde er gleich zum Pokalspieler des Jahres gekürt. Und wie es in Sportvereinen ja oft so ist, gucken die oberen Mannschaften auch mal nach unten, was da denn so rumläuft. „Ja, ich durfte dann bei der 1. Mannschaft mittrainieren.“ Mit 18 dann das 1. Spiel in der Bundesliga. „Es lief erstmal nicht so gut. Das Spiel war viel schneller, die Technik anders und ich wurde auf einer ungewohnten Position eingesetzt.“ Das Leid der Neuen.
Bei einem Turnier in Belgien konnte er dann zeigen was er kann. Endlich durfte er als Stürmer (Hakler) spielen und sich gegen erfahrene Spieler durchsetzen. Zur Erklärung: Ein Hakler ist üblicherweise der kleinste Spieler der Vordermannschaft, aber auch derjenige mit den besten technischen Fähigkeiten. Der Gute, der immer im Getümmel mitmischt. Endlich angekommen und doch war der Weg noch lange nicht zu Ende.
Nationalmannschaft
Wenn es schon Beziehungen in den Libanon mit der Familie und der Unimannschaft gibt, warum nicht auch die Initiative ergreifen und einen Schritt weitergehen? „Dadurch, dass ich schon Verbindungen hatte, konnte ich Kontakt mit dem Trainer der Nationalmannschaft aufnehmen“. Mit Erfolg! Nach einem Probetraining wurde Omar in den erweiterten Kader aufgenommen. Einen ganzen Sommer hat er dort mittrainiert, im Winter konnte er mit einigen Spielern der Nationalmannschaft bei verschiedenen libanesischen Clubs mitmischen – natürlich alles auf eigene Kosten. Der Asia-Cup, an dem er im April 2020 hätte teilnehmen können, fiel Corona zum Opfer. „Beim nächsten Mal bin ich aber dabei, ich möchte endlich mein Debüt starten.“ Wann das sein wird, steht noch in den Sternen. Auch Trainingseinheiten mit dem Nationalteam finden derzeit nicht statt.
Ziele haben, anpacken
Für Frust und Stillstand ist der Architekturstudent nicht zu haben. Zwar ist jetzt Halbzeitpause in der Bundesliga, aber das Training in Hamburg läuft wieder auf vollen Touren, um im März das Ziel Klassenerhalt anzugehen, oder – laut Omar – es vielleicht doch noch in Play-Offs zu schaffen. Ziele haben, anpacken. Das ist sein Ding. Man merkt immer wieder, dass er sein Herz an seinen Sport verloren hat. Für sein MasterStudium möchte er in Hamburg bleiben, um – natürlich – hier weiter Rugby spielen und als Damen- und Jugendtrainer arbeiten zu können.
Harte Arbeit
Headcoach Gareth Jackson hat Grund, nicht nur für die sportlichen Qualitäten zu schwärmen: „Omar ist ein fantastisches Vorbild für die Mitglieder des Clubs und seine Teamspieler, indem er das Coaching von anderen Teams übernommen hat, um denjenigen eine Chance zu geben, die in der gleichen Lage waren wie er selbst. Er ist ein leuchtendes Beispiel dafür, was möglich ist, wenn man motiviert ist, etwas dafür zu tun. Er ist das Aushängeschild für die harte Arbeit, die der HRC in den letzten 15 Jahren in seine Entwicklung gesteckt hat.“ Er selbst fügt bescheiden hinzu: „Ich möchte, dass meine Geschichte Jugendliche motiviert.“ Dafür geht er auch an die Schulen, um nicht nur den kleinen Dicken zu zeigen, was so ein Ball mit rotationselliptischer Form alles kann.
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