Ein historischer Tag für den Frauenfußball in Hamburg: Bei knapp 30 Grad und Sonnenschein feierte das Millerntor-Stadion beim Stadtderby am gestrigen Freitagabend. Knapp 20.000 Fans waren zum DFB-Pokalspiel der Frauen HSV gegen St. Pauli ins Stadion gekommen – so viele wie noch nie bei einem Frauenfußball-Spiel in Hamburg. Dass die Rothosen die Kiezkickerinnen mit einem Kantersieg und 7:1 schlugen, geriet am Schluss fast zur Nebensache.
Ein faires Spiel mit grandioser Stimmung auf beiden Seiten: Gemeinsam liefen die beiden Mannschaften zu „Hells Bells“ ein. Die St. Pauli Fans hatten auf der Gegengerade vor Anpfiff bereits ihr Banner gehisst, Bengalos vernebelten zeitweise das Stadion. Die Tribüne besetzten die St. Pauli Fans bis zum letzten Platz und ihre Fanchöre waren schon vor dem Anspiel zu hören und ließen bis zum Abpfiff nicht ab. Die leere Südtribüne zierte ein Banner, das mit einer Rainbowflag versehen war. Die Aufschrift: „Voran FC St. Pauli 1. Frauen“. Flagge zeigen für den Frauenfußball – und Gleichberechtigung, dafür ist der Verein bekannt.
DFB-Pokal der Frauen: Aufsteiger HSV ging als klarer Favorit ins Spiel
Während die beiden Teams in der vergangenen Saison beide noch in der Regionalliga Nord gespielt hatten, liegen sie zur laufenden Saison 2023/24 eine Liga auseinander. Die 1. Mannschaft des HSV hat kürzlich den Aufstieg in die 2. Bundesliga geschafft und sein Team durch Transfers noch einmal verstärkt und junge Talente ins Team geholt. Die HSV-Frauen hatten zehn Jahre lang in der Regionalliga Nord gespielt, nachdem der Verein seine Mannschaft aus der Bundesliga aus Kostengründen abgemeldet hatte.
Nun sind die Ambitionen groß, den Frauenfußball weiter nach vorne zu bringen. Hrubesch, Nachwuchsdirektor des HSV, sagte im Interview gegenüber dem Hamburger Abendblatt, dass der Verein nun Angriff auf die Bundesliga nehme. Man wolle den Anschluss an die Entwicklung des Frauenfußballs in Europa nicht verpassen. Das zeigte sich beim Spiel: schön herausgespielte Bälle, die Mannschaft zeigt sich souverän, pariert Angriffe, macht keine Fehler, das Zusammenspiel sitzt – die Mannschaft ist auf Bundesliga-Kurs.
Das erste Tor durch den HSV fiel bereits nach zwei Minuten. Die Stürmerin Larissa Mühlhaus, die ebenfalls für die U19-Nationalmannschaft gespielt hat, durchlief ohne Mühe die Abwehr von St. Pauli. Die HSV-Fans waren nicht so zahlreich – bejubelten ihre Mannschaft aber ebenso stark. Kurz vor Ende der ersten Halbzeit: Zwischstand 0:4.
Underdog St. Pauli mit Heimvorteil beim DFB-Pokalspiel am Millerntor
Die Stimmung der St. Pauli Fans blieb dennoch ungebrochen – der HSV zwar spielerisch deutlich überlegen, die Paulianerinnen haben jedoch das Gros der Fans auf ihrer Seite.
Die 1. Mannschaft der St. Pauli Frauen spielt in der Regionalliga Nord. Anlässlich des Stadtderbys war Stürmerin Julia „Hechti“ Hechtenberg im hauseigenenen „MillernTon Podcast“ vor dem Derby am Freitagabend zu Gast. Seit der vergangenen Saison ist sie Teil des Teams von St. Pauli. „Wir werden alles reinhauen, was wir haben. Alle werden ihr Herz auf dem Platz lassen. Für uns wird es ein riesen Erlebnis, das für Gänsehaut sorgen wird. Wir wollen alle gemeinsam ein großes Fußballfest feiern“, so Hechtenberg im Podcast. Und so kam es dann auch.
Fußballfest vor 20.000 Fans beim DFB-Pokalderby: „Ein historischer Tag“
Und dieses Fußballfest ist ihnen gelungen: „Man könnte am Ende denken, wir hätten 1:0 gewonnen, wenn man die Stimmung anschaut“, so St. Pauli Pressesprecher Patrick Gensing nach dem Spiel. Nur wenige Minuten vor Schluss hatten die Kiezkickerinnen die Fans von St. Pauli erlöst: Mittelfeld-Spielerin Joline Floeter versenkte den Ball im Tor des HSV – das Stadion jubelte. Mit 1:7 zieht der HSV völlig verdient in die nächste DFB-Pokalrunde ein.
Am Ende feierten dennoch alle Fans gemeinsam ein großes Fußballfest. Die St. Pauli Frauen trugen auch bei ihrer Dankesrunde zum Abschluss eine Message ins Stadion: „Football has no gender“. Das bekam noch einmal besonderen Applaus von allen Rängen.
Nach diesem Rekordereignis dürfe nicht Schluss sein mit der Aufmerksamkeit für den Frauenfußball, so Gensing. „Man sieht das Potential und das Interesse, abseits des Millionengeschäfts Profifußball, Frauenfußball voranzubringen. Aber es ist wichtig, dass das nicht ein einmaliges Event ist, ein Knall – und dann ist alles wieder weg. Wir müssen den Weg weitergehen. Wir freuen uns, wenn Medien nicht nur heute sondern auch zum Regionalliga Spiel kommen. Das gehört auch dazu, Öffentlichkeit zu schaffen.“
Dieser historische Tag könnte ein Startschuss für mehr Sichtbarkeit beim Frauenfußball in Hamburg sein. Was sich heute deutlich gezeigt hat: Das Potential ist groß und die Vereine haben ihre Fans schon auf ihrer Seite.