Im Eschelsweg hat sich über 16 Jahre hinweg ein Ort entwickelt, der Musiker, Tonstudios und kreative Werkstätten unter einem Dach vereint. Teil 3 unseres Hausbesuches: Laut gegen Nazis & Attraktor e.V.
/ von Regine Marxen. Foto: Philipp Jung
1. Stock. Zwischengeschoss Coworking Space. Laut gegen Nazis
Jörn Menge (50) ist seit August 2015 Untermieter im Coworking Space im ersten Stock und organisiert als Ein-Mann-Betrieb die Aktionen von Laut gegen Nazis. „Ich bin der Gründer dieser Kampagne“, sagt er. „Ich hatte lange eine Agentur, die hieß Büro Lärm. Wir haben für den Stern gearbeitet und Mut gegen rechte Gewalt gemacht, mit viel Unterstützung der Musikbranche. Als der Stern keinen Bock mehr hatte, Etats zu verwalten und zu schaffen, waren wir pleite. Ich habe damals gesagt, es kann nicht sein, dass eine der größten Initiativen gegen Nazis nicht mehr stattfinden kann. Und dann habe ich 2004 die Gründung der Kampagne Laut gegen Nazis vorangetrieben.“
Jörn kommt eigentlich aus der Musik-Promoter-Szene. Auf Partys sein und geil sein, das sei ja alles ganz cool, sagt er grinsend aber er wollte etwas Sinnvolles machen.
„Ich hatte gleich tolle Partner: Smudo und Peter Lohmeyer, die sind beide noch heute dabei. Wir haben Konzepte ausgearbeitet, eine Tour geplant. 2008 gründeten wir den Verein Laut gegen Nazis, um die Förderung von Initiativen und deren Finanzierung durch Spenden voranzutreiben. Strategisch in ganz Deutschland.“
Es ist, wie es ist: Spenden fließen immer dann, wenn es brennt. Bei Laut gegen Nazis ist das leider oft wortwörtlich zu verstehen.
„Wenn Flüchtlingshäuser brennen, freut sich unser Spendenkonto. So bitter das ist. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, haben wir daher den ganzen Koloss an Mitarbeitern abgeschafft. Wir waren bis vor Kurzem mehr Leute, waren auch Ausbildungsbetrieb. Aber in diesen dynamischen Zeiten müssen auch wir sparen.“ Nun sitzt Jörn allein mit seinem Schreibtisch in seinem Büro im Zwischengeschoss, hinter ihm stapeln sich Kartons mit Shirts, Jutebeuteln und anderem Kampagnenmaterial.
„Wir passen hier rein“
In der Ecke schräg gegenüber hat Lena Winkel ihren Arbeitsplatz. Seit Ende 2016 ist sie dabei. Die freie Grafikerin arbeitet eng mit Jörn zusammen und unterstützt ihn unter anderem bei der aktuellen G20-Kampagne. Oder bei der aktuellen Kampagne Love Speech Therapy. Lena ist unter anderem Teil der Jury.
Das ist es, was Jörn sehr schätzt an diesem Haus: die Synergien. „Hier habe ich ein gutes Netzwerk. Mit den Künstler-Managements, mit deren Künstlern wir auf Tour waren, mit Kreativen wie Lena. Dieses Gebäude finde ich toll, wir tauschen uns aus, Lena unterstützt uns grafisch. Das ist sehr kommunikativ und spart gleichzeitig Geld. Und wir kommen aus dieser Ecke, Laut gegen Nazis wurde auf St. Pauli geboren. Altona war für uns schon immer wichtig. Derzeit fühlen wir uns als Verein sehr gut aufgehoben. Wir passen hier einfach rein.”
Mehr Informationen zu Laut gegen Nazis unter www.lautgegennazis.de. Lena Winkel, im Beitragsbild oben rechts, erreicht ihr unter www.lenawinkel.com
1. Stock. Attraktor e.V.
230 Quadratmeter groß sind die Räumlichkeiten des Makerspace Attraktor. Und schon zu klein. Sagt jedenfalls Ole Popp, langjähriges Vereinsmitglied. Rasch führt er uns durch das Raumgeflecht, das vollgestopft ist mit Materialien aller Art von biederen Schrauben und Nägeln, Nähmaschinen und Stoffen bis hin zu 3D-Druckern und Laser-Schneidern. Monitore, Kabel, schier unerschöpflich ist die Auswahl an den unterschiedlichsten Werkstoffen.
Attraktor Hamburg, betont Ole, sei ein Makerspace, kein Slackerspace. Hier wird gemacht. Wer hier mitmachen will, muss eine eigene Idee haben. Dann findet er Hilfe. „Herkommen und nur zugucken, ist nicht drin.“
„Auch wenn alle so stumpf rüberkommen, wir sind gar nicht so doof “
Um die 120 zahlende Mitglieder hat der Verein. 32 Euro kostet eine Basismitgliedschaft im Monat. Dafür hat man Gleichgesinnte und einen Bereich, in dem man seine Ideen voll ausleben kann. „Wenn jemand einen künstlichen Muskel bauen will am Sonntag um 4 Uhr nachts, dann braucht man diesen Ort. Hier hat man ihn.“ Das Niveau sei hoch bei den Attraktoren. „Auch wenn alle so stumpf rüberkommen, wir sind gar nicht so doof “, lacht Ole.
„Wir sind sozusagen der militärische Flügel des Chaos Computer Clubs“
Seine Wiege hat der Verein im Chaos Computer Club Hamburg. „Das ist so die Hippie-Fraktion. Aber wir wollen was schaffen. Wenn du jedoch dieses Gesellschaftspolitische im Boot hast, kommst du nicht voran. Dann bist du sehr lange in Plänen gefangen. Die sind zudem sehr stark mit ihrem Fokus aufs Elektronische gerichtet. Also haben wir uns abgespalten. Wir sind sozusagen der militärische Flügel des Chaos Computer Clubs und machen pragmatisches Basteln in allerlei Formen.“
Seit 2014 sind die Mädels und Jungs Teil der Eschelsweg-Community. Sie sind die Exoten. Macht nichts. „Ich finde, wir passen strukturell ganz gut rein, weil wir einen Hauch von Freaktum mitbringen, der in diesem Haus noch nicht drinnen ist. Wir mögen komisch gekleidete Exoten sein, aber sind nach wie vor Teil der Szene.“
Mehr Informationen über die Attraktoren findet ihr unter www.attraktor.org/willkommen