Der Mairisch Verlag aus Eimsbüttel belebt seit über 10 Jahren die unabhängige Literaturszene in Hamburg
Ein Verlag, der sich selbst nach einer unbeliebten Pflanze benennt, erntet für gewöhnlich erst einmal irritierte Blicke oder sein Name wird für kokette Selbstironie gehalten. Und doch könnte ein solcher Name für einen Independent-Verlag wie den in Eimsbüttel ansässigen Mairisch Verlag kaum passender sein.
Vielleicht erzählen Peter Reichenbach und Daniel Beskos (Foto) deshalb die Entstehungsanekdote mit einem leichten, fast diebischen Schmunzeln. Damals, in den 90ern, saßen die beiden Verlagsgründer im heimischen Rottgau (Hessen) im Garten und kreierten mal wieder zusammen Bücher. Irgendwann kam die Oma von einem der beiden heraus und sagte, sie sollen doch mal diesen ganzen nutzlosen Literaturkram sein lassen und stattdessen lieber den Mairisch aus dem Garten entfernen. Mairisch meint die Vogelmiere und wird in Hessen auch pauschal als Begriff für Unkraut genutzt. „Der Name hat sich eingeprägt. Diese Pflanzen werden immer übersehen, obwohl sie mit ihren weißen Blüten eigentlich sehr hübsch sind. Das passt gut zu uns: wir wollen gute Autoren entdecken und fördern, die sonst übersehen werden. Außerdem ist es schön, dass der Name in unsere Vergangenheit reicht“, sagt Peter Reichenbach.
Schließlich entdecken sie die Schönheit, wo andere nicht richtig hinsehen – zu unser aller Glück.
Diese gemeinsame Vergangenheit reicht weit zurück: Reichenbach und Beskos lernten sich bereits in ihrer Schulzeit in Rodgau kennen. Dort organisierten sie im Jugendzentrum neben Konzerten auch Lesungen, die sich zu ihrer Überraschung großer Beliebtheit erfreuten. 1999 gründeten sie offiziell ihren Verlag, der sich neben der Belletristik auch als Plattenlabel unabhängiger Musik und experimentellen Hörspielen widmet. „Es war anfangs eher noch ein Hobby. Wir wussten vieles noch gar nicht und mussten erst einmal lernen, mit welchen Druckhäusern wir zusammenarbeiten können oder wie man eine ISBN beantragt“, erinnert sich Daniel Beskos. Lange finanzierten sie ihr Hobby mit Nebenjobs, auch noch in Hamburg, wohin sie nach ihrem Grundstudium zogen. Dass die manchmal etwas eingeschlafen wirkende Hamburger Literaturszene heute noch pulsiert, ist auch dem Mairisch Verlag und seinen erfrischenden Initiativen zu verdanken.
Seit 2003 organisieren Reichenbach und Beskos regelmäßig Lesereihen wie „Transit“ und „Piloten“, 2009 initiierten sie die Hotlist der unabhängigen Verlage mit und 2013 riefen sie den „Indiebookday“ ins Leben, ein so simples wie wirkungsvolles Konzept. Am Indiebookday werden Leute via Facebook dazu aufgerufen, ein Buch aus einem unabhängigen Verlag zu kaufen und anschließend ein Foto via Facebook zu posten. Im ersten Jahr machten 15.000 Leute mit.
Es sind solche Ideen, die unabhängigen Verlagen die kommerziell notwendige Aufmerksamkeit der Medien und Buchhandlungen bescheren. Seit dem ersten Erfolg des Indiebookday bereiten Buchhandlungen jedes Jahr Büchertische und Lesungen mit Werken und Autoren von Independent-Verlagen vor. „Das ist wichtig, weil es für kleine Verlage immer schwieriger wird, in die Buchhandlungen zu kommen“, erklärt Beskos.
Heute schreibt der Mairisch Verlag schwarze Zahlen und hat eine beachtliche Umsatzsteigerung vorzuweisen, die Verlagsarbeit ist für Reichenbach und Beskos längst zum Hauptberuf geworden. Der Erfolg ist neben der Eigeninitiative auch einem Quäntchen Glück und einem guten Händchen für junge Nachwuchsautoren zu verdanken. 2005 veröffentlichte er Finn-Ole Heinrichs Debüt „die Taschen voll Wasser“, der Erzählband wurde zu einem Überraschungserfolg. Die erste Auflage war so schnell vergriffen, dass der Druck kaum hinterherkam. „Das war ein toller Erfolg, wenn auch schlecht kalkuliert“, lacht Peter Reichenbach. Der Erzählband verkaufte sich weit über 3.000 Mal, eine große Zahl für einen noch kleinen Nachwuchsverlag. Heinrichs 2007 erschienener Roman „Räuberhände“ wurde ebenfalls ein großer überregionaler Erfolg, er wurde vom Thalia-Theater adaptiert und war 2013 und 2014 Abiturthema an allen Hamburger Schulen.
Auch mit der Entdeckung und langjährigen Förderung anderer bekannter Autoren und Musiker wie Stefan Beuse, Benjamin Maack, Dagrun Hintze, Spaceman Spiff oder Stevan Paul haben Reichenbach und Beskos bewiesen, dass sie sich die Bedeutung ihres Verlagsnamens redlich verdient haben: Schließlich entdecken sie die Schönheit, wo andere nicht richtig hinsehen – zu unser aller Glück. / Ulrich Thiele
Am 13. März findet zum 5. Mal der Indiebookday statt. Zeit für einen Ausflug ins Mairisch!
Text: Ulrich Thiele / Fotos: Philipp Jung