Serie: Hamburger Hafen. Nachtschicht bei den Hafenleuten

Hamburger Hafen

8,9 Millionen Container wurden 2016 in Deutschlands größtem Seehafen umgeschlagen. Mehr als 156.000 Arbeitskräfte in der Metropolregion sorgen dafür, dass alles reibungslos klappt

Bunte Bauklötze am Tag, Glitzerperlen in der Nacht, dazu ein ständiges Rumpeln und Pumpeln, wenn wieder etwas in die Schiffsbäuche kracht: Schon aus der Ferne bietet der Hafen eine faszinierende Bild und Klangästhetik.

Wie eine riesige, niemals stillstehende Maschine breitet sich das Gesamtkunstwerk aus Kränen, Brücken und Containern auf einer Fläche von 7.200 Hektar aus – das ist ein Zehntel von Hamburg. 10.000 Schiffe kommen jährlich hierher, fast alle denkbaren Güterarten werden an den 50 Umschlaganlagen abgefertigt, 145 Tonnen waren es 2014. Entsprechend viele Menschen sind in der Hafenregion beschäftigt, 156.000 nach offiziellen Zahlen.

Brückenfahrer, Ingenieure, Informatiker: Um den gigantischen Hafenkomplex am Laufen zu halten, werden die unterschiedlichsten Arbeitskräfte gebraucht. Viele von ihnen sind auf der ehemaligen Elbinsel Waltershof tätig, wo der HHLA-Containerterminal Burchardkai liegt.

1968 machte hier das erste Containerschiff fest, heute ist der Kai mit 1,4 Quadratkilometern die größte Containerabfertigungsanlage der Hansestadt – und das „Zuhause“ von Jessica, Bernd, Maik und Dirk, die wir genau dort besucht haben. Außerdem waren wir in Hamburgs quirligster Hafenkantine. Sie liegt gegenüber, auf dem Gelände des Terminalbetreibers Eurogate. Hier arbeiten mehr als 3.200 Menschen – und die wollen verpflegt werden.

Hamburger Hafen – Nachtschicht. Zu Besuch bei Jessica, Maik, Bernd und Dirk

Hamburger Hafen, Jessica
Kommt mit der Männerwelt im Hafen bestens klar:  Jessica, die Brückenfahrerin, arbeitet in 42 Meter Höhe. Foto: Philipp Jung

Jessica (25), Containerbrückenfahrerin

Nach meiner Schulzeit war ich mir nicht sicher, welcher Job der richtige für mich ist. Ich wusste nur: Ich gehöre nicht ins Büro. Also bin ich zur Lehrstellenbörse gegangen, wo unter anderem die HHLA vertreten war – bei dem Unternehmen habe ich mich schließlich beworben.

2009 habe ich meine Lehre zur Fachkraft für Hafenlogistik begonnen, wurde Brückenfahrerin, eine von nur wenigen weiblichen Arbeitskräften am Kai. Ich komme in dieser Männerwelt aber sehr gut zurecht, was sicher auch an meinem manchmal frechen Mundwerk liegt.

Meine Brücke ist 42 Meter hoch, von dort oben verlade ich die Container. Ich gehe auch an Deck der Schiffe, klettere auf Container und kontrolliere sie. Klar ist das viel und harte Arbeit, bei der ich mich durchgehend voll konzentrieren muss.

/ Protokoll: Erik Brandt-Höge

Hamburger Hafen Maik
Der Hafen? Machte ihn zu einem echten Hamburger Jung: Maik. Foto: Philipp Jung

Maik (46), Schiffsmeister

Aus Nordrhein-Westfalen bin ich 1991 nach Hamburg gezogen. Diese Stadt war immer mein Wunschziel. Ich hatte das Glück, als Quereinsteiger im Hafen anfangen zu dürfen – für mich das absolute Nonplusultra.

Seitdem fühle ich mich wie ein echter Hamburger. Zuerst habe ich als VC-Fahrer gearbeitet, war eine Zeitlang Schiffssteuerer, habe die Lkw-Beladungen koordiniert, bis ich Vorarbeiter und schließlich Schiffsmeister wurde.

Meine Aufgabe ist es, zu schauen, dass alle Vorschriften eingehalten werden und der Betrieb rund um die Schiffe immer läuft. Das bedeutet auch, dass ich schon eine Stunde vor jeder Schicht zusammen mit der Terminal-Planung die Punkte im Auge habe, wo es später Probleme geben könnte, also wo zum Beispiel Brücken aufeinandertreffen könnten und VC-Fahrer nicht unter, sondern hinter den Brücken arbeiten müssen.

Und da jeden Tag ein anderes Schiff reinkommt, beginnt meine Arbeit auch immer wieder von Neuem. Zwischendurch genieße ich auch mal die Bilder um mich herum, etwa wenn Kreuzfahrtschiffe auslaufen – das sieht immer fantastisch aus.

 / Protokoll: Erik Brandt-Höge

Hamburger Hafen Bernd

Bernd (32), VC-Fahrer

Ich wurde in den Hafen hineingeboren, nach meinem Opa und meiner Mutter kam ich in dritter Generation hierher.

2003 habe ich meine Lehre zum Seegüterkontrolleur begonnen – heute heißt das „Fachkraft für Hafenlogistik“. Nach den drei Ausbildungsjahren bin ich übernommen worden, und wie bei jedem fertigen Hafenfacharbeiter stellte sich die Frage: Brücken- oder VC-Fahrer? Es ist letztlich eine Typfrage, und ich bin einfach eher der VC-Typ.

Als solcher sitze ich in 9 Meter Höhe, nehme die Container vom Schiff auf und bringe sie ins Lager oder anders herum.

Ich arbeite besonders gern während der Nacht, was ich überhaupt nicht problematisch finde.

Im Gegenteil: Wenn im Hochsommer meine Schicht beginnt, geht hinter den Brücken gerade die Sonne unter – das ist schon sehr nett anzusehen. Und wenn ich morgens nach Hause komme, bringe ich die Kinder in den Kindergarten beziehungsweise in die Schule, weil meine Frau dann zur Arbeit muss. Danach gehe ich ins Bett.

/ Protokoll: Erik Brandt-Höge

Hamburger Hafen

Arne (50), Betriebsstättenleiter

Seit neun Jahren bin ich an Bord der Apetito-Hafenkantine auf dem Eurogate-Terminal. Hier arbeiten rund fünfzig Mitarbeiter in drei Schichten rund um die Uhr und verpflegen die Hafenarbeiter mit rund 1.000 Essen täglich. Als gelernter Koch kenne ich die Gastronomie von der Pike auf. Über die Jahre in Management und Vertrieb hatte ich mich allerdings immer weiter von den Töpfen entfernt, das war nichts für mich.

Ich würde darum auch nicht die Karriereleiter weiter hinaufklettern wollen, weil ich immer nah am Herd sein möchte. Darum koche ich auch immer mal mit – sehr zum Leidwesen der Kollegen (lacht). Die behaupten, sie müssten eine Woche lang aufräumen, wenn ich mal zwei Tage mit am Herd stehe … Sie sehen aber, dass sich der Chef nicht zu schade ist, mit anzupacken.

Letzte Woche habe ich zum Beispiel, 60 Kilo Fisch filetiert, das finden sie, natürlich auch cool. Das Essen im Hafen ist heute ganz anders, als vor 20 Jahren. Damals gab’s Currywurst und Buletten am Kiosk. Unsere Gäste legen aber auch immer mehr Wert auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung.

Bestimmt 25 Prozent von ihnen ernähren sich gesundheitsbewusst oder vegetarisch. Da stehen dann plötzlich solche Kerle vor einem und freuen sich über gebackene Auberginen. Niemand will mehr, dass man ihnen die Teller mit einer großen Kelle vollklatscht.

Das Essen wird heute ansprechend präsentiert und zum Teil auch direkt vor den Augen der Gäste zubereitet – Sonderwünsche sind da gar kein Problem. Ein Muss auf der Speisekarte sind aber auch heute immer noch von Zeit zu Zeit Currywurst und Schnitzel. Mir ist es wichtig, dass wir ein total motiviertes Team mit glücklichen Mitarbeitern haben. Ich kann sonst noch so teure Lebensmittel kaufen – wenn der Koch sich nicht wohlfühlt, kann er auch nichts Gutes herstellen.

Unsere Mitarbeiter zeigen, dass sie sich hier zu Hause fühlen. Darum fühlen sich auch die Gäste wohl: Zoll und Wasserschutzpolizei zum Beispiel haben ja die freie Wahl im Hafen, kommen in ihren Pausen aber zu uns und sind uns treu. Das macht den Hafen auch aus.

Er ist ein Kosmos für sich. Der Hamburger an sich ist ja schon stur, im Hafen ist man, noch mal sturer.

Man muss überzeugen. Im ersten Jahr haben mich viele nicht gegrüßt. Die mussten erst mal schauen, wer der Neue ist. Jetzt ist das alles anders. Wir halten alle zusammen und arbeiten Hand in Hand. Der Ton ist schon mal derbe, aber auch das gehört dazu. Wenn du hier einen Freund hast, dann bleibt er das auch. Ich bin längst ein echtes Hafenkind geworden!

/ Protokoll: Ilona Lütje

Hamburger Hafen Dirk

Dirk (48), stellvertretender Gruppenleiter

Seit 26 Jahren bin ich am Burchardkai, war Brückenfahrer, Vorarbeiter und Lademeister. Heute arbeite ich als stellvertretender Gruppenleiter.

Mein Team besteht aus 55 Leuten, deren Aufgaben ich von der fünften Etage der Bürozentrale aus koordiniere, dem sogenannten Leitstand. Zusammen mit einem Kollegen plane ich, wer wo arbeitet und wer wen beaufsichtigt.

Wichtig ist, dass die Schiffe rechtzeitig fertig werden und die Kunden zufrieden sind. Darum kümmert sich zusätzlich ein Außendienstmitarbeiter, mit dem wir im ständigen Kontakt sind.

Überhaupt gibt es eine extrem gute Kommunikation zwischen allen Mitarbeitern. Für deren Bedürfnisse bin ich übrigens auch noch zuständig; jeder weiß, dass er mit Kummer und Sorgen immer zu mir kommen kann.

Für mich fühlt sich das alles an wie eine große Familie, nicht zuletzt auch deshalb, weil mein Sohn und auch meine Tochter im Hafen arbeiten – die erste Frau überhaupt, die eine Brücke gefahren ist.

Und mein Schwiegervater war ebenfalls 40 Jahre im Hafen. Für mich und meine Familie ist das einfach der beste Arbeitsplatz.

/ Protokoll: Erik Brandt-Höge

/ Beitragsbild: Philipp Jung

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