Sophie Hunger im Interview: „Hamburg wäre schon mein Typ“

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Foto: Marikel Lahana

Deutsch, Schweizerdeutsch, Englisch, Französisch: Sophie Hungers Songs hatten viele Sprachen. Auf ihrem neuen Album „Molecules“ (VÖ 31.8.) gibt es nur noch eine, und auch sonst hat sich vieles verändert im Künstlerkosmos der Schweizerin. Ein Gespräch mit der 35-Jährigen über musikalische Versteckspiele, süchtig machende Technopartys und eine imaginäre eigene Bar.

SZENE HAMBURG: Sophie, auf deinem neuen Album „Molecules“ hältst du fest: „Today, hooray, I opened a bar!“ Den Namen des Lokals verrätst du allerdings nicht.

Sophie Hunger: (lacht) Stimmt, ich sage nur, dass es in der Bar für alles eine Lösung gibt.

Wie wäre es mit „Sophie Hunger’s Show Bar“?

Denkt man dann nicht schnell an Männer mit Jacketts, aus denen Hasen herauspoppen? Und an Zauberkugeln, in denen man die Zukunft sieht?

Woran sollen die Leute denn denken, wenn sie von deiner Bar hören?

An eine Bühne, gleich wenn man rein kommt. Die Bühne ist der erste Raum, und jeder muss einmal drüber, denn die Bar, also der Tresen, kommt erst dahinter. Einen dritten Raum gibt es auch noch, zum Sitzen und Reden.

Welche Berühmtheiten sollten bei der Eröffnungsfeier dabei sein?

Ich fände es gut, wenn David Shrigley kommen würde. Vielleicht könnte er auch das Plakat zur Party gestalten. Courtney Barnett würde Musik machen, und Eric Cantona würde die Drinks mixen. Gleichzeitig wäre er auch der Rausschmeißer.

Und mal weiter gedacht: Wäre der Soundtrack der Bar grundsätzlich elektronisch geprägt?

Es würde zumindest ab und an DJ-Sets geben. Das könnte mein Freund Bonaparte übernehmen.

„Techno hatte mich früher eher abgestoßen, und plötzlich zog er mich an.“

Es heißt, du hättest dich elektronischer Musik mit deinem Umzug nach Berlin immer mehr angenähert.

Es gibt ja in Berlin auch fast nichts anderes als elektronische Musik.

Zieht es dich regelmäßig zu Technopartys?

Ich hatte zumindest mal eine Phase, in der ich regelmäßig ins Berghain und in den KitKatClub gegangen bin. Das war sogar eine kleine Sucht. Techno hatte mich früher eher abgestoßen, und plötzlich zog er mich an.

Hat dich dabei nur das Klangästhetische gereizt oder auch die Illusion der Nacht, die in Berlin so zelebriert wird?

Beides, und hinzukam noch die Illusion der Körperlichkeit. Dieses Verlieren des eigenen Körpers. Es gab keine Geschlechter mehr, keine Identitäten. Alles wurde so molekular.

Stimmt die Geschichte, dass du dir mal um vier Uhr morgens den Wecker gestellt hast, um pünktlich zum Auftritt von Paula Temple um fünf im Club zu sein?

Ja, die stimmt. Das war auch im KitKatClub. Der ist anders als das Berghain, ohne Drogen ist es dort nicht so lustig. Ich wollte aber eh vor allem das Set sehen.

In einem anderen Song auf „Molecules“, nämlich „The Actress“, sagst du dann: „I make a living with my songs.“ Das würde in Berlin wohl jeder Musiker gerne behaupten können, aber es schaffen nur wenige. Wie nimmst du die Musikszene wahr?

Berlin ist die europäische Anlaufstelle für alle Leute zwischen 20 und 30 Jahren, die auch nur wage etwas Künstlerisches machen wollen. Einerseits ist es sehr wichtig, dass es diesen Hafen gibt, und gleichzeitig ist er eine große Gefahr.

Inwiefern?

Weil man dort ganz gut ungestört scheitern kann. Viele Leute verpuffen irgendwann. Es gibt ja keinen Druck und keine Zwänge, und dann schmeißen sie ihr Talent einfach aus dem Fenster.

Hattest du immer nur Berlin im Sinn? Oder hast du auch mal über Hamburg nachgedacht?

Ja, schon. Ich dachte immer: Wenn Hamburg eine Person wäre, wäre sie schon mein Typ. Aber es war einfach unkompliziert, nach Berlin zu kommen, und ich habe ja auch noch eine Wohnung in Paris. Zusammen funktioniert das sehr gut.

Für etablierte Künstler wie dich ist Berlin wahrscheinlich auch eher eine Art Lebensbasis als ein dauerhafter Arbeitsplatz.

Genau. Ich arbeite meistens woanders, wohne aber in Berlin.

Wie wohnst du denn? Altbaubude in Prenzlauer Berg und Schrebergarten in Pankow zur Entspannung?

(lacht) Nein, alles falsch. Ich habe ein Wohnung in Kreuzberg an einer sehr befahrenen, lauten Straße. In der Küche habe ich ein Studio, ein Raum ist einfach leer, und in einem anderen schlafe ich. Es haben mehrere Leute Schlüssel zu dieser Wohnung. Wenn ich nicht da bin, wohnen die da und nehmen in der Küche Alben auf.

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Ist „Molecules“ eigentlich komplett in Berlin entstanden?

Bis auf zwei Songs, ja. Aufgenommen habe ich dann alles in London.

Hattest du bestimmte Ziele im Entstehungsprozess der Stücke?

Nein, aber ich habe mir ein paar Regeln geschaffen, zum Beispiel dass es nur vier Elemente auf dem Album zu hören geben darf: Gesang, Synthesizer, Drumcomputer und Gitarre. Es sollte keine Band geben. Ich wollte mich einschränken und nur in den Computer hineinarbeiten, ohne eine Art von Dynamik. Und: Ich wollte nur englische Texte.

Du hast kürzlich erwähnt, du hättest das Gefühl gehabt, dich hinter deinen bisher mehrsprachigen Songs versteckt zu haben …

… um mich dem Vergleich zu entziehen. Die wahre Konfrontation wurde erst jetzt möglich, durch die einheitliche Sprache. Wenn man Popmusik macht, ist die englische Sprache eine Art Epizentrum, so was wie die Uhren in der Schweiz. Und ich wollte deshalb auch mal ein ausschließlich englischsprachiges Album machen.

Interview: Erik Brandt-Höge
Foto: Marikel Lahana

Sophie Hunger spielt an folgenden Terminen in Hamburg: 29.9., Mojo Club, 20 Uhr; 30.9., Uebel & Gefährlich, 20 Uhr; 2.10., Gruenspan, 20 Uhr.


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Wie könnt Ihr mitmachen? Na so:

  • Mail senden an verlosung@vkfmi.de
  • Betreff: Sophie Hunger
  • Einsendeschluss: 28.09.18, 10 Uhr

Bitte gebt für den Versand des Gewinns Euren vollständigen Namen an. 


 Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG Stadtmagazin, August 2018. Das Magazin ist seit dem 28. Juli 2018 im Handel und zeitlos in unserem Online Shop oder als ePaper erhältlich! 

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