SZENE HAMBURG: Claudi, was war dein erster Gedanke, als du wusstest, dass ihr Silvester die letzte Party feiert?
Claudia Mohr: Bis es so weit ist, glaube ich nicht dran.
Wann habt ihr gehört, dass die Clubs an der Sternbrücke schließen sollen?
Von Anfang an, also beim Einzug in den Waagenbau. Wir hätten den Mietvertrag wahrscheinlich sogar ohne diese Planung niemals bekommen. Es war vom ersten Tag als Zwischennutzung bis zur neuen Brücke ausgelegt. Die Planung ist halt über die letzten 20 Jahre vorangeschritten und nun ist es eben so weit. Die Brücke fällt, und mit ihr der Vorhang für das größte Subkultur-Cluster in ganz Hamburg.
Wie ist der Waagenbau damals entstanden?
Eine klassische Schnapsidee. Die Boys, also die ursprüngliche Gründungsgang um John Schierhorn, Gavin Gadesmann und Frank Meyer haben gesehen, dass der Laden leer stand. Und wer kennt es nicht, die Situation, wenn man irgendwo einen Ort sieht, der leer steht, und man fängt Kopfkino-mäßig an, sich zu überlegen, wie geil es wäre, einen Club zu haben – vor allem wenn man Anfang 20 ist. Ich glaube, bis heute ist ihnen unklar, wie sie an den Mietvertrag gekommen sind. In Eigenregie und mit viel Fantasie haben sie aus einer Fabrikhalle das gemacht, was es dann war: ein legendärer neuer Club.
Kannst du dich an deine erste Party dort erinnern?
Ich war tatsächlich auf der allerersten Veranstaltung. Allerdings damals noch als Gast. Das war der neue heiße Scheiß, und alles, was in Hamburg in Sachen Party und Nachtleben Rang und Namen hatte, war am Start. Ich würde es mal zusammenfassend als ziemlich eskalativ beschreiben. Motto: Wer sich erinnern kann, war nicht mit dabei (grinst).
Waagenbau – Erinnerungen
Wie bist du Teil des Waagenbau geworden?
John rief mich vor acht Jahren aus einer Gesellschafterversammlung an und bat mich quasi den Waagenbau zu retten. Dem Laden ging es damals finanziell und programmatisch nicht besonders gut. Die beiden Jungs, die den Laden zu der Zeit schmissen, waren einfach sehr in andere Projekte eingebunden und hatten nicht die Zeit und Energie, um das Ruder noch mal rumzureißen. Seit dem Anruf und ein paar Notar-Termine später bin ich also die geschäftsführende Gesellschafterin zu 75 Prozent.
Was macht man als Gesellschafterin eines Techno-Clubs?
Die ersten Jahre habe ich so ziemlich alles gemacht, stand in der Woche im Blaumann im Laden und habe gestrichen, gewerkelt, entrümpelt, optimiert, neue Soundsysteme, neue Lichtanlagen organisiert, habe inhaltlich sowie auch teammäßig alles einmal umgekrempelt. Am Wochenende war ich die Nächte und am Tage als Gastgeberin im Laden und habe unseren Spirit und unsere Philosophie an die Gäste, Künstler:innen und Veranstalter:innen verbreitet. Mit dem neu formatierten großartigen Team, aber auch grandiosen Veranstalter:innen, Künstler:innen und Konzertagenturen, haben wir dann peu à peu unsere Visionen in die Realität umgesetzt. Mittlerweile haben wir ein ziemlich großes Team, und ich mache nur noch das Booking und muss mich mit dem langweiligen Erwachsenen-Kram wie Buchhaltung, Förderungen, Steuern und so weiter rumschlagen.
Boah, das wird wild
Claudia Mohr
Was sind deine zwei Highlights aus dieser Zeit?
Definitiv die Party nach dem Lockdown. Das war wirklich unfassbar, wie die Leute rein gestürmt kamen, und wirklich alle, von den Gästen bis hin zu gestandenen DJs, Veranstalter:innen, Mitarbeiter:innen bei uns im Laden standen und Tränen in den Augen hatten, als man nach fast zwei Jahren endlich wieder im Club sein durfte, und die Anlage einem die Bässe um die Ohren ballerte. Das war wirklich outstanding. Und dann die Wiedereröffnungs-Party, nachdem wir innerhalb von fünf Tagen den kompletten Waagenbau schwarz gestrichen haben, die Mauern eingerissen, um den Dirty-Floor zu kreieren, alles noch mal optimiert und professionalisiert und wirklich das Optimum aus dem Laden herausgeholt haben. Das Ganze mit einem Kernteam von knapp sechs Leuten. Tag und Nacht haben wir durchgearbeitet. Zwischendrin fast nicht dran geglaubt, dass wir es schaffen – aber Bäm. Und die Party war phänomenal, weil die Leute gefühlt in einem neuen Club standen.
Ein wilder Abschluss
Es gab Entwürfe für ein neues Clubhaus direkt gegenüber. Wie steht es darum?
Die bürokratischen Mühlen mahlen bekanntlich langsam, aber wir sind dran. Es wird definitiv eine Exil-Lösung geben, die Frage ist bloß wann. Aber auch da sind wir dran, und es sieht ziemlich gut aus.
Was plant ihr für euren Abschiedsmonat und die letzte Party?
Boah, das wird wild. Wir werden noch mal die Crème de la Crème der Techno-Riege zusammentrommeln und keine Kosten und Mühen scheuen. Quetschen alle unsere Lieblings-Artists in die proppenvollen Line-ups und erweisen unserem Bau die ihm gebührende letzte Ehre. Und dann werden wir ins neue Jahr rüber schwitzen und glitzern, Happy-Happy Happy-Hüpfen, Bässe ballern, siebenhundertdreiundsechzig Neujahrsknutschis verteilen und frenetisch mit Rhababsi und Babysekt aufs neue Jahr anstoßen – bis das letzte Mal die Schwingtür klöternd hinter uns ins Schloss fällt.