SZENE HAMBURG. Sascha und Lilly, wo findet man euch im Hamburger Nachtleben, wenn ihr gerade keine Dating-Ratgeber veröffentlicht?
Sascha: Am liebsten bin ich auf dem Kiez. St. Pauli ist für mich ein großer Abenteuerspielplatz bei Nacht, auf dem du alles erleben kannst. Ich bin beruflich dort verankert und finde den Stadtteil mit allen seinen Ecken und Kanten sehr schön und lebendig.
Lilly: Also ich bin nicht so die wilde Partymaus, aber wenn dann bin ich in der Schanze. Bei Elektro- und House-Events kannst du mich auch finden.
Sascha, wie entstand die Idee zu deinem Buch?
Sascha: Es ist tatsächlich der einzige Dating-Ratgeber mit dem Fokus auf Augenhöhe und Respekt. In vielen anderen Büchern geht es um veraltete Rollenbilder oder um Pick-up-Artists. Davon distanziert mein Buch sich vollständig.
Was genau meint Dating auf Augenhöhe?
Lilly: Für mich bedeutet es, dass ich jemanden respektvoll behandle, selbst wenn ein Ungleichgewicht da ist. Dass man in wichtigen Fragen, um Werte, Inhalt, aber auch Humor das gleiche Verständnis hat.
Sascha: Die Quintessenz aus über 40 Interviews dazu lautet: sich gegenseitig zu respektieren und als gleichwertige Menschen zu betrachten – mit ehrlicher Kommunikation, authentischem Interesse und der Bereitschaft, Verantwortung und Gefühle fair zu teilen.
Es war schon immer mein Lieblingsthema, die Liebe.
Lilly Kürten
Wie kam eure Zusammenarbeit zustande?
Sascha: Während meiner Recherche zum Buch bin ich bei einem Instagram-Reel von Lilly hängengeblieben. Sie hat einer ihrer Bumble-Storys erzählt, was thematisch schon mal passte. Zudem ist mir direkt ihre beeindruckende Präsenz und ihr Humor aufgefallen. Über ein Jahr lang standen wir dann immer wieder in Kontakt – heute veranstalten wir Events und haben einen erfolgreichen Podcast zusammen.
Lilly, warum hast du dich entschieden, bei dem Projekt mitzumachen?
Lilly: Es war schon immer mein Lieblingsthema, die Liebe. Allein schon von Berufs wegen als Traurednerin. Dass meine Erfahrungen Leuten hilft und zeitgleich amüsiert, finde ich top. Also war es für mich überhaupt keine Frage, Sascha das Interview zu geben und ihn dann auch als meinen Podcast-Partner an der Seite zu haben.

Swipen oder Weggucken: Inhaltlich gibt es zwischen dem Kennenlernen im realen Leben und dem über eine App keine Unterschiede
Macht es einen Unterschied, ob sich Menschen im Club oder virtuell kennenlernen?
Lilly: Die Geschichte außerhalb der Dating-App ist für eine Traurede vielleicht romantischer zu erzählen, aber inhaltlich gibt es für mich null Unterschied. „Swipen“ steht für „hin- oder weggucken“ im echten Leben.
Sascha, wie hast du deine Interviewten ausgewählt?
Sascha: Mir war wichtig, ein breites Spektrum an Meinungen und Erfahrungen abzubilden. Daher habe ich von einer ehemaligen Prostituierten über GNTM-Models bis zur Wissenschaftlerin verschiedene Menschen nach ihren Ansichten und Perspektiven befragt.
Viele davon sind Influencer, warum? Und daten die anders?
Sascha: Die meisten der Interviewpartner:innen verfügen zumindest über eine gewisse Reichweite, ja. Ich hätte auch gänzlich unbekannte Menschen befragen können, jedoch wollte ich bewusst eine Verbindung schaffen. Und da bieten sich öffentliche Personen mehr an. Zusätzlich unterstützen diese mein Thema mit ihren Communitys.
Lilly: Ich glaube, wenn man mit den Medien arbeitet und Dinge über sich preisgibt, geht man einfach grundsätzlich vorsichtiger vor. Es gibt zwei Aspekte zu beachten in dem Job. Trifft mich jemand, weil er auch auf meiner Welle mitschwimmen will, aber eigentlich kein aufrichtiges Interesse hat. Oder hält man damit fast schon hinterm Berg, weil man sein Gegenüber damit nicht erschrecken will.
Eure Pre-Party lief im Kiosk Mittenmang in der Davidstraße 34. Wie kam es dazu?
Sascha: Die Eigentümer Mareike und Mustafa kenne ich schon viele Jahre. Beide gehören zum Kiez, wie der Hafen oder die Elbphilharmonie. Während des Reeperbahn Festivals gibt es hier musikalische Auftritte und Mustafa hat sich schon immer eine Lesung gewünscht, so kamen wir schnell zusammen.

Was ist das Besondere an dem Laden?
Sascha: Der Kiosk ist nicht nur Treffpunkt für Touristen, er ist Anlaufpunkt für die Nachbarschaft und steht stellvertretend für gelebte offene Kultur. Die beiden heißen jeden Menschen herzlich willkommen und verkaufen nicht nur Getränke oder Zeitschriften, sondern bieten ein offenes Ohr für alle – und nebenbei den besten Mexikaner überhaupt.
Wir merken, nicht zuletzt am großen Interesse zur Lesung und an unserem Podcast, dass das Thema Dating die Menschen in unserer Stadt beschäftigt.
Lilly Kürten
Wie verlief der Abend?
Sascha: Für uns war es die erste und letzte Probe für die große Lesung am 20. Juni im Centralkomitee. Es kam uns sehr zugute, dass wir durch den wenigen Platz auch dementsprechend ein begrenztes Ticket-Kontingent hatten. So konnten wir einen kleinen Teil der Show bieten und haben direktes Feedback bekommen.
Lilly: Absolut, es war ein toller Abend in einer kleinen und schon fast familiären Runde. Alle, die dabei waren, haben sich auch noch später Tickets für die große Show im Juni gekauft. Und wir freuen uns sehr, dass unser Konzept so gut ankommt und wir die Menschen damit erreichen.
Event im Centralkomittee wird eine bunte Mischung aus Experten- und Expertinnen-Berichten
Was plant ihr im Centralkomitee?
Sascha: Das wird wild! Es heißt zwar Lesung, aber ist keine klassische Lesung im eigentlichen Sinne. Neben einigen Dating-Storys aus dem Buch haben wir viele spannende Gäste und Themen mit dabei. Unter anderem sprechen wir mit Wissenschaftlerin Dr. Johanna Degen, was eigentlich die Forschung zum Thema Dating sagt. Antje Hielscher und Michael Kaufmann (beide „Bauer sucht Frau“) berichten, wie Dating im TV funktioniert und ob dort überhaupt echte Gefühle aufkommen. Influencerin Josi Prescher berichtet über ihre Dating-Erfahrungen als alleinerziehende Mutter und Trash-TV-Ikone Jacqueline Siemsen (unter anderem „Temptation Island“, „Dating Naked“) moderiert eine Live-Kuppel-Show und bringt Dating-Willige zusammen.
Es soll eine Aftershow geben …
Sascha: Wie es für einen großen Auftritt gehört, haben wir natürlich eine After-Show-Party der besonderen Art geplant. Im Erotic Art Museum, auf dem Kiez, feiern wir mit unseren Podiumsgästen und Theaterbesucher:innen. Alle Menschen, die bei der Lesung dabei waren, können kostenlos dazukommen und mit uns zusammen feiern und den Abend ausklingen lassen.
Wie geht es danach weiter?
Lilly: Wir merken, nicht zuletzt am großen Interesse zur Lesung und an unserem Podcast, dass das Thema Dating die Menschen in unserer Stadt beschäftigt. Hamburg ist Single-Hauptstadt und wir haben uns ein paar Formate ausgedacht, um dies zu ändern. Das Format „Sell the Single“, wie wir es schon auf unserer Lesung umsetzen, wird ganz sicher wieder auftauchen. Des Weiteren setzen wir auf individuelle und themenbezogene Events, in denen sich Interessierte kennenlernen – ohne Zwang oder einer unauthentischen Überschrift.